Das Gerangel um Zuständigkeiten geht in die zweite Runde

Offensichtlich geht das Gerangel um die Zuständigkeiten bei der Endlagersuche in die zweite Runde. So berichten jedenfalls die Süddeutsche Zeitung und andere. Anknüpfungspunkt ist ein angebliches Schreiben des BfS an das BMU.

Danach will das BfS von den derzeitig drei Funktionen

  1. Endlagerbetreiber,
  2. Endlagerüberwachungsbehörde und
  3. wissenschaftliche Strahlenschutzbehörde

die Endlagerüberwachung abgeben. Der erste Entwurf zum Endlagersuchgesetz sah jedoch ein Bundesinstitut für Endlagerung vor, das im Wesentlichen die beiden letzten Funktionen – jedenfalls für das Endlager für Wärme entwickelnde Abfälle – übernehmen und zusätzlich als Genehmigungsbehörde fungieren sollte. In diesem Zusammenhang wurde von Entmachtung des BfS gesprochen.

Im neusten Papier der Blue Ribbon Commission vom Januar 2012 sind ebenfalls solche organisatorischen Fragen aufgeworfen worden. In den USA soll eine neue unabhängige Bundesinstitution für Endlagermanagement außerhalb des Departments of Energy gegründet werden. Damit wäre Deutschland weltweit das letzte Land, wo das Endlagermanagement durch eine direkt einem Ministerium unterstellte Institution betrieben wird, siehe Fußnote Nr. 72 im Blue Ribbon paper.

Es kann hier nur das wiederholt werden, was bereits zur ersten Runde des Zuständigkeitsgerangels in den Artikeln Zuständigkeiten sinnvoll aufteilen und Der Gesetzesentwurf hat endlich das Licht der Öffentlichkeit erblickt geschrieben wurde. Im Folgenden sollen die Gründe für eine Zuständigkeitsregelung genannt werden, die endlich die Umsetzung der Zusage „Transparenz und Offenheit“ ermöglicht. Es soll hier nicht auf das für die Medien so wichtige Personalgerangel eingegangen werden, das vom Wesentlichen ablenkt.

Als Erstes ist festzuhalten: Eine Zuständigkeitsregelung allein für die Endlagersuche ist nicht sinnvoll, sondern die Regelung sollte für alle Endlagerprojekte in Deutschland gelten. Bei der Asse wurde gezeigt, welche fatalen Folgen sich ergeben, wenn gleiche Gegebenheiten gesetzlich unterschiedlich geregelt werden. Der Fehler der AtG-Novelle 1976, in die keine Übergangsregelung für das Endlager Asse aufgenommen wurde, sollte nicht wiederholt werden.

Bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle fallen folgende Rollen an:

  1. Risikoabschätzung und Kriterienentwicklung auf wissenschaftlicher Basis,
  2. Management der Endlagerung,
  3. Genehmigung der Endlagerung und
  4. Überwachung der Endlagerung.

Bisher nimmt das BfS – mit Ausnahme der Genehmigung – all diese Rollen war. Lediglich die Genehmigung liegt bei dem Bundesland, in dem das Endlager liegt. Zu bedenken ist, dass über allem das BMU steht, das über die Fach- und Rechtsaufsicht beliebig Erlasse an das BfS geben kann. Weiterhin können die Genehmigungsbehörden gewiesen werden, was in der Vergangenheit immer wieder geschehen ist. Siehe dazu BfS-Endlagerbroschüre auf S. 56:

Bundesweisung
Die Länder führen einige Bundesgesetze – z. B. das Atomgesetz – im Auftrag des Bundes aus (Bundesauftragsverwaltung GG Art 85). Die Wahrnehmungskompetenz liegt somit bei den Ländern. Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung. Bei unterschiedlicher Sachbeurteilung und -entscheidung kann der Bund das Land mit einer Bundesweisung zu einer Entscheidung anweisen. Dabei kann der Bund die Sachkompetenz für die Sachbeurteilung und Sachentscheidung nach eigener Entscheidung an sich ziehen. Die Verantwortung für die nach Weisung getroffenen Sachentscheidungen liegt beim Bund.

Die einschlägige EURATOM-Richtlinie fordert zumindest eine Trennung zwischen Management (Genehmigungsinhaber) und Regulierung/Überwachung der Endlagerung.

Artikel 6 Abs. 2
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Regulierungsbehörde funktional von allen anderen Stellen und Organisationen getrennt ist, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie oder radioaktivem Material, einschließlich der Elektrizitätserzeugung und der Anwendung von Radioisotopen, oder mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle befasst sind, um die tatsächliche Unabhängigkeit von ungebührlicher Beeinflussung in ihrer Regulierungsfunktion sicherzustellen.

Artikel 7 Abs. 4
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Genehmigungsinhaber nach dem nationalen Rahmen verpflichtet sind, integrierte Managementsysteme einschließlich Qualitätssicherung einzurichten und anzuwenden, die der Sicherheit der gesamten Kette der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle gebührenden Vorrang einräumen und regelmäßig von der zuständigen Regulierungsbehörde überprüft werden.

Weiterhin erfordert die Transparenzregelung in Artikel 10, dass es keine nichtöffentliche Weisungen gibt:

Artikel 10 Abs. 1
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Arbeitskräfte und die Bevölkerung die erforderlichen Informationen über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle erhalten. Zu dieser Pflicht gehört sicherzustellen, dass die zuständige Regulierungsbehörde die Öffentlichkeit in ihren Zuständigkeitsbereichen informiert. Die Information der Öffentlichkeit erfolgt im Einklang mit nationalem Recht und internationalen Verpflichtungen, sofern dadurch nicht andere Interessen — wie unter anderem Sicherheitsinteressen —, die im nationalen Recht oder in internationalen Verpflichtungen anerkannt sind, gefährdet werden.

Artikel 10 Abs. 2
Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der Öffentlichkeit im erforderlichen Umfang die Möglichkeit gegeben wird, sich in Einklang mit dem nationalen Recht und internationalen Verpflichtungen an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle effektiv zu beteiligen.

Nach den Empfehlungen der Risikokommission sollten wissenschaftliche Risikoabschätzung und Risikomanagement getrennt sein, siehe S. 23:

Die Abschätzung von Risiken stützt sich auf empirische Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse und unterscheidet sich daher grundsätzlich von den eher wertegeleiteten ökonomischen, technischen und politischen Überlegungen, die Grundlage für Abwägungen und Entscheidungen bei der Festlegung von Regulierungsstrategien und Maßnahmen des Risikomanagements sind. Daraus folgt, dass die Risikoabschätzung funktional von den Entscheidungen des Risikomanagements getrennt werden muss.

Genehmigung und Überwachung sind offensichtlich teil des Risikomanagements, damit sind sie von Risikoabschätzung und Kriterienentwicklung auf wissenschaftlicher Basis zu trennen.

Die sauberste Lösung wäre die Trennung aller vier Rollen voneinander. Die bisher geübte Praxis der Fach- und Rechtsaufsicht durch das BMU würde diese Rollentrennung aber obsolet machen und dem Transparenzgebot widersprechen. Andererseits kann auf eine Aufsicht im demokratischen Rechtsstaat nicht verzichtet werden. Hier bliebe die Möglichkeit, alle aufsichtlichen Maßnahmen des BMU öffentlich durchzuführen.

Gerade noch akzeptabel wäre die Kombination der Rollen Genehmigung und Überwachung. Hier stellt sich die Frage, ob diese Rollen in Länder- oder Bundeshand gehören.

Entscheidet man sich für den Bund, dann wäre der Begriff Entmachtung durchaus angebracht. Jedoch wird nicht das BfS entmachtet, sondern die Bundesländer, in denen die Endlager liegen.

Ein Gedanke zu „Das Gerangel um Zuständigkeiten geht in die zweite Runde

  1. Die BfS-Endlagerbroschüre Endlagerung radioaktiver Abfälle als nationale Aufgabe, aus der von S. 56 zum Begriff „Bundesweisung“ zitiert wird, wurde – wohl in Umsetzung des BfS-Mottos “Transparenz und Offenheit” – aus dem Internet entfernt. InteressentInnen können für private Zwecke eine Kopie erhalten.
    Wenden Sie sich bitte an kontakt[ätt]endlagerdialog.de

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