ASSE II verkommt zum politischen Kasperletheater

Das Bergwerk ASSE II macht offensichtlich eine steile politische Karriere. Diese begann 1976 bei der Novellierung des Atomgesetzes. Darin wurden wichtige Punkte der Endlagerfrage festgelegt. Vergessen wurde aber eine Übergangsregelung für das Entsorgungsbergwerk ASSE II. Dass dies unter der damaligen SPD/FDP-Koalition mit Kanzler Helmut Schmidt absichtlich geschah, ist nicht bewiesen, aber wohl anzunehmen.

Dieser historische Fehler wurde im Wahlkampf 2008 von der SPD genutzt und korrigiert, 32 Jahre zu spät. Jetzt wird das Bergwerk auch noch vor den CDU-Karren gespannt, wie der Besuch von Bundesumweltmister Röttgen (CDU) zeigt. Siehe zum Beispiel im Artikel in Spiegel Online:

Röttgen ließ keinen Zweifel, dass die Entscheidung für die Lagerung in dem einsturzgefährdeten Bergwerk aus seiner Sicht falsch war: „Das war eine unbegreifliche Verantwortungslosigkeit, die im Schacht mit Händen zu greifen ist“.

Hier spricht vollkommene Abstinenz von Fachkenntnis. Ein jedes Bergwerk ist einstürzgefährdet, wenn es längere Zeit offen steht. Deshalb gehört zu einem Endlager in einem Bergwerk  der zeitlich zügige Verschluss. Dies gilt für die Asse genauso wie für das Endlager Morsleben.

Auch in das Bergwerk Morsleben gab es einen Wassereinbruch mit einer Ergiebigkeit von 10.000 Liter pro Tag. Das war im Jahr 1907. Dieser Wassereinbruch konnte durch ein Dammbauwerk gestoppt werden. Im Jahr 1922 kam es zu einer zweimonatigen Reaktivierung des Wassereinbruchs. Es drangen bis zu 11.500 Liter Wasser pro Tag ein. Trotzdem wurde das Bergwerk als DDR-Endlager ausgewählt.

Nach der Wiedervereinigung wurde es ohne Planfeststellung auch zur Endlagerung westdeutschen Atommülls genutzt. Die damals wegen der weggefallenen Entsorgungsmöglichkeit in die Asse überquellenden Zwischenläger für schwach- und mittelaktive Abfälle in der gesamten Bundesrepublik wurden dorthin entsorgt. Allein der für das Endlager Morsleben geltende niedrige Grenzwert für Alphastrahler war für einige Abfallchargen ein Hinderungsgrund. Wo lag dafür die Verantwortung? Oder treffender: die Verantwortungslosigkeit?

Die Lehre aus Asse und Morsleben ist: Ein altes Gewinnungsbergwerk ist zur Endlagerung radioaktiver Abfälle vergleichsweise wenig geeignet. Anzumerken ist hier, dass auch das genehmigte Endlager Konrad ein altes Gewinnungsbergwerk ist.

Doch weiter zum Artikel über den Besuch von Herrn Röttgen:

Das frühere Salzbergwerk in Niedersachsen gilt als größtes deutsches Umweltproblem, weil Strahlung das Grundwasser der ganzen Region verseuchen könnte.

Zu dem bis zum Jahr 2008 verfolgten Verschließungs- und Flutungskonzept der Helmholtz-Gesellschaft gab es eine Langzeitsicherheitsanalyse mit dem Ergebnis:

Es können die folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden:
– Fazit (1) für das radiologische Schutzziel
• Der Schutz der Bevölkerung vor unzulässiger Strahlenexposition ist für die Ausbreitung von Radionukliden über den Lösungspfad nachgewiesen. Für wahrscheinliche Verhältnisse liegt die berechnete Strahlenexposition bei 0,05 mSv/a. Der Wert von 0,3 mSv/a wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % bei einem Vertrauensgrad von 95 % eingehalten.
• Der Schutz der Bevölkerung vor unzulässiger Strahlenexposition ist auch für die Ausbreitung von Radionukliden über den Gaspfad nachgewiesen. Für wahrscheinliche Verhältnisse liegt die berechnete Strahlenexposition im Bereich von wenigen tausendstel mSv/a, für ungünstige Annahmen und mit pessimistischen Vereinfachungen werden 0,23 mSv/a berechnet.
– Fazit (2) für das wasserrechtliche Schutzziel
• Der Schutz des oberflächennahen Grundwassers vor unzulässigen Verunreinigungen durch die Ausbreitung von wasserrechtlich relevanten Stoffen in den Abfällen und im Schutzfluid ist nachgewiesen. Die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung werden eingehalten.

Die Helmholtz-Gesellschaft ist im Falle der Asse genauso verfahren wie das BfS im Falle des Endlagers Morsleben.  In Morsleben soll sogar noch schnell weiterer radioaktiver Abfall endgelagert werden, bevor ein auf Betonverfüllung beruhendes Schließungskonzept umgesetzt wird, alles abgesegnet mit einem sogenannten Langzeitsicherheitsnachweis (PROSA und EMOS). Die Langzeitsicherheitsnachweise für Asse und Morsleben wurden von denselben Dritten erstellt, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und der Firma COLENCO. Man kann nur hoffen, dass der Antrag auf Genehmigung der Schließung des Endlagers Morsleben in der vom BfS vorgelegten Form nicht genehmigt wird, wie es auf dem Erörterungstermin gefordert und eingehend begründet wurde.

Noch einmal zu Herrn Röttgen:

Der Skandal um das marode Atommülllager Asse soll nach den Worten von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) umfassend geklärt werden. „Das muss weiter aufgearbeitet werden“, sagte Röttgen am Montag nach seinem ersten Besuch in dem früheren Salzbergwerk. Es müsse geklärt werden, ob hier Vorsatz am Werke gewesen sei.

Das ist ja richtig löblich. Leider wird im Gorleben-Untersuchungsauschuss gerade dokumentiert, dass solch eine Aufarbeitung nicht im politiknahen Raum gelingen kann. Eher als Vorbild sollte hier die Aufarbeitung der Historie des Auswärtigen Amtes dienen, nachzulesen in:

  • Döscher, H.-J.(2005). Seilschaften – Die verdrängte Vergangenheit des Auswärtigen Amts.
  • Conze, E., N. Frei, et al.(2010). Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik.

Notwendig ist die Aufarbeitung der gesamten Endlagerproblematik in Deutschland. Dazu gehören unter anderem alle Endlagerprojekte wie Asse, Morsleben, Konrad und Gorleben. Ein wenig Vorarbeit ist bereits getan mit:

  • Radkau, J. (1983). Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945-1975 – Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse.
  • Möller, D.(2009). Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland – Administrativ-politische Entscheidungsprozesse zwischen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit, zwischen nationaler und internationaler Lösung.
  • Tiggemann, A.(2004). Die „Achillesferse“ der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland: Zur Kernenergiekontroverse und Geschichte der nuklearen Entsorgung von den Anfängen bis Gorleben 1955 bis 1985.

Das Aufarbeitungsteam sollte neben historischem Sachverstand auch Kompetenz in Strahlenschutz, Geologie und Bergbau mitbringen. Um eine möglichst große Objektivität zu gewährleisten, sind alle bisher an der Endlagerung in Deutschland beteiligte Personen nicht in das Team aufzunehmen. Das Ergebnis wäre eine wichtige Basis für einen bundesweiten Dialog zur Diskussion des weiteren Vorgehens bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle.

Zurzeit wird jedoch versucht, das weitere Vorgehen in Geheimverhandlungen zusammenzubasteln. Insofern ist der Asse-Besuch von Herrn Röttgen als Kasperletheater zu bewerten.

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