Vergleichende Endlagersuche ist bereits jetzt gesetzliche Pflicht


Noch im Entwurf zum Endlagersuchgesetz mit Stand 20.01.2012 wird ausgeführt, dass nach dem Atomgesetz eine vergleichende Endlagersuche nicht erforderlich sei. Dem wurde schon im Artikel Der Gesetzesentwurf hat endlich das Licht der Öffentlichkeit erblickt aus wissenschaftsmethodischer Sicht widersprochen.

Prinzipien des Strahlenschutzes

Es gibt aber weitere Gründe, weshalb das Atomgesetz und die Prinzipien des Strahlenschutzes eine vergleichende Endlagersuche notwendig machen. Das Atomgesetz ermächtigt in § 12 zum Erlass einer Rechtsverordnung, in der festgelegt wird, welche Schutzmaßnahmen beim Umgang mit radioaktiven Stoffen zu treffen sind. Die entsprechende Verordnung ist die Strahlenschutzverordnung, in der die konkreten Regelungen ausgeführt sind, um die Grundprinzipien des Strahlenschutzes in Deutschland umzusetzen. Die drei Grundprinzipien sind Rechtfertigung, Optimierung und Dosisbegrenzung. Oft wird verkürzt nur auf die Dosisbegrenzungen abgestellt und diese als Unschädlichkeitsgrenzen gewertet. Für ionisierende Strahlung, die beim radioaktiven Zerfall freigesetzt wird, ist aber keine Unschädlichkeitsschwelle bekannt, wie es bei chemotoxischen Stoffen der Fall ist. Deshalb müssen die Dosisgrenzen eingehalten und zusätzlich die Dosis soweit wie möglich reduziert werden. Dazu die Strahlenschutzverordnung:

§ 6 Vermeidung unnötiger Strahlenexposition und Dosisreduzierung
(1) Wer eine Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 plant oder ausübt, ist verpflichtet, jede unnötige Strahlenexposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden.
(2) Wer eine Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 plant oder ausübt, ist verpflichtet, jede Strahlenexposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt unter Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich zu halten.

Dosisgrenzen für ein Endlager

Was bedeutet das für ein Endlager? Dosisgrenzen für ein verschlossenes Endlager sind in der Strahlenschutzverordnung nicht festgelegt. Das hat unter anderem den Grund, dass die zukünftige Dosisbelastung von Mensch und Natur für ein Endlager in 10.000, 100.000 oder 10 Mio. Jahren nur abgeschätzt werden kann. Als Beurteilungsgröße für die sogenannte Langzeitsicherheitsbetrachtung wird in den Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle empfohlen:

6.2 Für die Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass für wahrscheinliche Entwicklungen durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine zusätzliche effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert im Jahr auftreten kann. Dabei sind Einzelpersonen mit einer heutigen Lebenserwartung, die während der gesamten Lebenszeit exponiert werden, zu betrachten.

6.3 Für weniger wahrscheinliche Entwicklungen in der Nachverschlussphase ist nachzuweisen, dass die durch Freisetzung von Radionukliden, die aus den eingelagerten radioaktiven Abfällen stammen, verursachte zusätzliche effektive Dosis für die dadurch betroffenen Menschen 0,1 Millisievert pro Jahr nicht überschreitet. Dabei sind ebenfalls Einzelpersonen mit einer heutigen Lebenserwartung, die während der gesamten Lebenszeit exponiert werden, zu betrachten.

Diese Festlegung ist aber nicht gedeckt durch die Ermächtigungsgrundlage im Atomgesetz, ist also rechtlich unverbindlich. Die in 6.2 genannte Beurteilungsdosis wird in der Studie der Projektgruppe “Radioaktive Abfälle“ an der Europäischen Akademie auf Seite 207/208 bemängelt und eine 10mal höhere Beurteilungsgröße empfohlen.

Optimierung der Geologie

Aber was folgt aus der Festlegung in § 6 der Strahlenschutzverordnung? Danach muss ein Endlager so gewählt und gebaut sein, dass jede Kontamination von Mensch und Umwelt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch unterhalb der Grenzwerte so gering wie möglich sein wird. Da aber bei der heutigen Vorstellung von einem Endlager die Geologie eine entscheidende Rolle spielt, muss diese optimiert werden. Eine Geologie kann aber nur optimiert werden, indem an unterschiedlichen Standorten geologische Untersuchungen durchgeführt werden und die geologisch relativ beste Endlagersituation gewählt wird.

Dabei ist Optimierung nicht mit Minimierung zu verwechseln. Die Einschränkung nach Strahlenschutzverordnung „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ bedeutet zum Beispiel, dass nicht ganz Deutschland untertägig erkundet werden muss, um die absolut beste Endlagergeologie aufzufinden. Es muss aber eine wissenschaftsbasierte realistische Endlagersuchstrategie entwickelt und umgesetzt werden.

Gesetzliche Pflicht zur vergleichenden Endlagerstandortsuche

Es ist also gesetzliche Pflicht auf der Grundlage des Atomgesetzes und der darin mit Ermächtigungsgrundlage versehenen Strahlenschutzverordnung, eine vergleichende Endlagerstandortsuche durchzuführen. Es reicht nach Atomgesetz nicht aus, an einem Standort einen nicht verbindlichen Dosisbeurteilungswert abschätzungsweise zu unterschreiten. Dabei würde die Optimierung des wesentlichen Teils eines Endlagers – nämlich der Geologie – nicht erfolgen.

Das Optimierungsgebot des Strahlenschutzes ist nun keine neue Errungenschaft. Schon 1950 hat sich die International Strahlenschutzkommission (ICRP) für dieses Prinzip ausgesprochen. Gut ist das nachzulesen in Ethical Issues in Radiation Protection auf Seite 17-22. Es stellt sich die Frage, weshalb die für Strahlenschutz zuständige Bundesoberbehörde – das Bundesamt für Strahlenschutz – dieses bisher nicht immer wieder vehement eingefordert hat?

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