Verständigung statt Akzeptanz – Konsens statt Kompromiss

Focus-Artikel

In der heutigen Ausgabe des Magazins FOCUS ist ein zusammenfassender Artikel von Michael Odenwald mit dem Titel Zurück auf los! zu finden. In diesem wird versucht, die letzten vier Monate der Geheimverhandlungen um das Endlagersuchgesetz zusammenzufassen. Er endet mit den Sätzen:

Die Akzeptanzförderung dürfte dringend vonnöten sein. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von Ende Dezember ergab, dass 81 Prozent der Deutschen die vom Atommüll ausgehenden Gefahren fürchten. Nur fünf Prozent sorgen sich nicht.

Solche Akzeptanzforderungen gab es schon früher. Sie bezogen sich auf die Nutzung der Atomkraft. Mitte der 1970er Jahre wurden Soziologen bei den Kernforschungszentren eingestellt, die die Akzeptanz beschaffen sollten. Dieses ist – so wissen wir heute – aus verständlichen Gründen gescheitert. Akzeptanzforschung wird im Wesentlichen im Rahmen der Technikfolgenabschätzung betrieben, zum Beispiel von der Europäischen Akademie, die auch GORLEBEN plus in die Welt gesetzt hat.

Triplex-Methode

Vom FOCUS wird dazu Wolf Schluchtern interviewt, emeritierter Professor für sozialwissenschaftliche Umweltfragen. Das Interview wurde in Auszügen bereits vorab veröffentlicht. Neues wird darin nicht vorgebracht. Schluchtern tritt dafür ein, die von ihm entwickelte Triplex-Methode anzuwenden. Dies hat schon zu folgender Fußnote im Entwurf des Endlagergesetzes vom 20.01.2012 auf Seite 8 geführt:

Die Anwendung der Triplex-Methode ist erst regional mit der betroffenen Öffentlichkeit vorgesehen und anders nicht praktikabel. Daher wird zwischen der Information der Öffentlichkeit an sich in § 6 und der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in § 7 unterschieden.

Auf Seite 9 wird die Methode nochmals erwähnt.

AkEnd

Ähnliche Ansätze stehen bereits in der AkEnd-Studie Seite 54 etc. Letztere
Vorstellungen stammen im Wesentlichen aus einer Studie zu Stadtallendorf (Wissenschaftliches Zentrum Mensch Umwelt Technik.1992. Entwicklung eines Beteiligungsmodells im Sanierungsprozeß einer Rüstungsaltlast – Forschungsbericht, Gesamthochschule Kassel). Schluchtern spricht sich explizit dafür aus, Gegner durch Zahlung einer Extrarente zu überzeugen. Dies wird von der BI Lüchow-Dannenberg in einer Pressemitteilung kritisiert.

Kommunikationswissenschaften

Etwas andere Ansätze kommen aus den Kommunikationswissenschaften. Zu nennen ist zum Beispiel das von Roland Burkart entwickelte Modell der Verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit, die an die Sprechakttheorie von Habermas anknüpft. Verständigung erfordert nach Habermas aber Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit. Weitere Ansätze finden sich in der Symmetrischen Kommunikation nach Grunig/Hunt.

Die erschreckende Realität

Von diesen Vorstellungen sind alle Endlager-Akteure sehr weit entfernt. Das BfS zum Beispiel hat an keinem der Endlagerprojektstandort Konrad, Asse, Morsleben oder Gorleben darauf zurückgegriffen. Was kann auch von einer wissenschaftlich-technischen Bundesoberbehörde erwartet werden, die vom BMU zensiert wird und die sich zensieren lässt? Siehe hier S. 16.

Die Geheimverhandlungen zum Endlagersuchgesetz haben Bewegung in die Endlagersuche gebracht, aber nicht in Richtung auf Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit. Im Gegenteil – die entgegengesetzte Richtung wurde eingeschlagen. Es wird ausschließlich strategisch und nicht verständigungsorientiert gehandelt. Siehe hierzu Leggewie, C.(2011). Mut statt Wut – Aufbruch in eine neue Demokratie zum Beispiel auf Seite 67.

Das Ziel

In der seit 35 Jahren in der Bundesrepublik eskalierenden Endlagerauseinandersetzung wird Verständigung statt Akzeptanz gebraucht. Statt kurzlebiger Kompromisse muss Ziel ein längerlebiger Konsens sein.

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