Das arte-Erdbeben in der Asse im Jahr 2004

arte_erdbarte-Beitrag

Am 21.05.2013 wurde auf arte ein Beitrag mit dem Titel AKW-Rückbau – Zu welchem Preis? gesendet. Es ging darin um den Rückbau von Kernkraftwerken und die Endlagerung radioaktiver Abfälle in unterschiedlichen Ländern, unter anderem in Frankreich und Deutschland.

Textpassage zur Asse

Darin wird ab ca. 25:04 folgender Text unterlegt:

Die Tonerde ist also dabei das Salz abzulösen, dessen positive Eigenschaften in Bezug auf die Neutralisierung der Radioaktivität einst laut gepriesen wurden. Vor vierzig Jahren beschloss man, in Deutschland den radioaktiven Abfall in 500 m Tiefe in einem ehemaligen Salzbergwerk zu lagern – eine sorglose Lagerung in einem Loch im Salzstock, die die Deutschen teuer zu stehen kam. Denn 2004 führte ein Erdbeben dazu, dass Flüssigkeit eindrang. Es entstanden Risse im Salz und einige Wände stürzten ein. Einblendung: Archivfilm Zwischenlager Asse

Dieser Text ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Salz wurde nie in Bezug auf Neutralisierung von Radioaktivität gepriesen. Hervorgehoben wurden die Einschlusseigenschaften aufgrund der natürlichen Fließbewegungen des Salzes und damit das selbstständige Verschließen von Hohlräumen.

Das arte-Erdbeben in der Asse im Jahr 2004

Weiterhin ist bisher kein Erdbeben bekannt, das 2004 zu Rissbildungen und Schwebendurchbrüchen im Versuchsendlager/Endlager Asse führte. Es waren die normalen Konvergenzbewegungen im Bergwerk, die mit einiger Sicherheit zu den Wegsamkeiten führten, durch die Wasser eindringt.

Fragliche Qualität des arte-Beitrags

Diese Fehldarstellungen wirft die Frage auf, was noch alles an diesem Filmbeitrag nicht zutrifft. Wie und wo wurde recherchiert? Wurden die journalistischen Sorgfaltspflichten eingehalten oder stand die Sensationsbefriedigung im Mittelpunkt?

Solche Filmbeiträge sind jedenfalls nicht geeignet, das Problem des Rückbaus der kerntechnischen Anlagen und die Endlagerung radioaktiver Abfälle der Bevölkerung zu verdeutlichen und in gesellschaftlicher Verantwortung gemeinsam eine rationale Vorgehensweise zu entwickeln.

Und die fehlende Korrektur durch die Fachbehörde BfS

Nach dem Filmbeitrag folgte eine Gesprächsrunde moderiert von Emilie Aubry mit den TeilnehmerInnen Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, und Corinne Lepage, EU-Abgeordnete und ehemalige französische Umweltministerin. Aus der Gesprächssituation geht hervor, dass die GesprächsteilnehmerInnen den Beitrag vorher gesehen haben.

Erstaunlich ist, dass der Präsident der Fachbehörde BfS nicht auf die eklatanten Mängel des Films eingegangen ist. Die Aufgabe einer Fachbehörde ist es, wenigstens die gröbsten Fehler richtigzustellen. Dieser Aufgabe ist der Präsident nicht nachgekommen. Leider!

 

Anmerkung

Mitschnitte des Filmbeitrags (2,7 GB) und der Gesprächsrunde (930 MB) können für private Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Notwendig ist die Zusendung einer entsprechenden Zusicherung mit Unterschrift und eines 4 GB-USB-Sticks mit FAT32-Formatierung.

4 Gedanken zu „Das arte-Erdbeben in der Asse im Jahr 2004

  1. W. König hat nur eine Ausbildung als Stadtentwickler. Das darf man nicht übersehen. Die Evaluation des BfS (http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/7259-06.pdf) enthält Aussagen wie: „Da die Anstaltsleitung und das aufsichtsführende Ministerium in den letzten Jahren nicht die Notwendigkeit eigener Forschungsarbeiten für das BfS sahen, hat eigene Forschung im BfS, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gegenwärtig keine große Bedeutung im Tätigkeitsspektrum. Die Aufgabenwahrnehmung durch das BfS steht damit nicht im Einklang mit dem Errichtungsgesetz.“ und: „Dem selbst gesetzten Anspruch eines neutralen Informationsvermittlers gegenüber der Bevölkerung in allen wissenschaftlich-technischen Fragen des Strahlenschutzes und der Kernenergie wird das BfS aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Basierung insgesamt nicht gerecht.“ usw.

    • Ich halte es nicht für produktiv, das Problem an der Ausbildung einer einzelnen Person festzumachen.

      Das BfS hat im Wesentlichen zwei zu unterscheidende Aufgaben, wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung und Vollzugsbehörde, siehe auch Vergleichende Analyse… Punkte 2.1 und 2.2.

      Für die wissenschaftliche Beratung ist wissenschaftliche Arbeit als Basis hilfreich. Dies reicht aber nicht aus. Wesentliche Aufgabe liegt in einer metawissenschaftlichen Ebene oder Reviewebene. Es gilt, unterschiedliche wissenschaftliche Arbeiten zu sichten, zu bewerten und daraus Handlungsoptionen für die Politik – nicht für die Parteipolitik – zu erarbeiten. Es gilt also, den eigenen wissenschaftlichen Elfenbeinturm zu verlassen, in andere Elfenbeintürme hineinzusehen und aus dieser Gesamtsicht heraus Vorschläge zu machen. Hier kann auch durchaus argumentiert werden, dass diese Arbeit besser zu leisten ist, wenn man sich selbst in keinem der Elfenbeintürme befindet, aber wohl versteht, was in solchen Türmen abläuft. Insofern greift das Gutachten des Wissenschaftsrates zu kurz. Für MitarbeiterInnen wäre eine umsetzungsorientierte wissenschaftstheoretische Ausbildung optimal.

      Die zweite Aufgabe ist der Vollzug von Gesetzen, die nicht im Vollzug der Länder liegen. Hierzu gehört die in endlagerdialog.de behandelte Endlagerung radioaktiver Abfälle. Hier zeigt sich die Doppelrolle des BfS. Das BfS berät das BMU neben anderen Institutionen wissenschaftlich in der Frage der Endlagerung und vollzieht dieses unter Umständen. Das heißt, Risikoabschätzung und –management werden nicht getrennt. Das widerspricht den Empfehlungen der Risikokommission 2003.

      Das größte Manko des BfS besteht aber darin, dass es sich nicht als selbstständige Bundesoberbehörde gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG sieht, sondern als verlängerter Arm des BMU. So werden die Veröffentlichungen durch das BMU zensiert und das BfS wehrt sich nicht dagegen, siehe Vergleichende Analyse… letzter Absatz von Punkt 4.1. So kommt es im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams, dass im BfS vorwiegend nicht wissenschaftlich, sondern politisch opportun gedacht wird. Das hat fatale Folgen für die Öffentlichkeitsarbeit des Amtes.

  2. Ich versuchte, auf eine Tatsache mit einem gewissen Symbolcharakter, wie ich finde, hinzuweisen. Wir haben nicht nur „fatale Folgen für die Öffentlichkeitsarbeit“, was an sich harmlos wäre, sondern fatale Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung, wenn Strahlenrisiken und Expositionssituationen falsch eingeschätzt werden.

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