„Gorleben tilgen“ erhöht den Nachrichtenwert

FRDie AFP-Headline

AFP bringt unter der reißerischen Headline BUND: Gorleben muss aus Standortliste für Endlager getilgt werden eine Zusammenfassung eines Interviews von Klaus Brunsmeier, BUND-Vertreter in der Endlagerkommission, mit Joachim Wille in der Frankfurter Rundschau vom 05.05.2014.

Der FR-Artikel im Original

Der FR-Artikel selbst hat nicht den von der AFP-Meldung suggerierten Charakter. AFP hat zwecks Steigerung des Nachrichtenwerts offensichtlich ordentlich dramatisiert. Die FR-Überschrift lautet „Das ist kein Feigenblatt“ – Der Vize-Vorsitzende des BUND, Klaus Brunsmeier, über seine Teilnahme in der Atomendlager-Kommission. Brunsmeier erwähnt im gesamten Interview den Standort Gorleben an fünf Stellen.

Gorleben 1

Gorleben ist geologisch ungeeignet und politisch verbrannt, das ist nachgewiesen.

Hier tappt Herr Brunsmeier in die Falle, in die bisher fast jede PolitikerIn getappt ist, die sich mit der Endlagerfrage befasst hat. Bei der komplexen und mit enormen Unsicherheiten und großem Nichtwissen verbundenen Frage der Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle kann nicht von geeignet oder ungeeignet gesprochen werden. Deshalb ist auch ein komparatives Suchverfahren notwendig, wie es nun endlich verfolgt werden soll. Ziel ist es, das bestmögliche Langzeitlager zu finden.

Gorleben 2

So hat Bundesumweltministerin Hendricks (SPD) die Klage ihres Vorgängers Altmaier (CDU) gegen die Rücknahme des Rahmenbetriebsplans für Gorleben zurückgezogen und…

Frau Hendricks hat damit lediglich einen Fehler von Herrn Altmaier korrigiert. Dieser hatte am 21.10.2013 durch Weisung an das BfS Klage gegen die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans für Gorleben erhoben, obwohl die einschlägige Regelung im Standortauswahlgesetz (§ 29) bereits seit dem 27.07.2013 in Kraft war. Siehe auch Beitrag Was bedeutet die Gleichbehandlung von Gorleben?

Gorleben 3

Nun kommt es darauf an, ob die Kommission das Gesetz so ändert, dass die Standortsuche wirklich von einer weißen Landkarte ausgeht – ohne Markierung für Gorleben.

Bemerkenswert ist hier, dass nicht von einer Streichung Gorlebens gesprochen wird. Ohne Markierung heißt ja, dass weder eine positive noch eine negative Marke am Standort Gorleben angebracht wird.

Gorleben 4

Die Veränderungssperre für Gorleben muss weg, weil sie den Standort zementiert. Alles, was im Gesetz auf Gorleben als Endlager zielt, muss gestrichen werden.

Das Beharren auf der Veränderungssperre für Gorleben ist in der jetzigen Form nicht begründbar. Deshalb wurde auf entsprechende Nachfrage vom BMUB nicht sachlich eingegangen, sondern plumpe Vertrauensbezeugungen eingefordert. Dass Gorleben als Begriff aus dem Gesetz gestrichen werden muss, ist notwendige Voraussetzung für ein komparatives Suchverfahren aus rationaler und wissenschaftlicher Sicht. Siehe auch Beitrag Gorleben darf nicht im Gesetz stehen.

Gorleben 5

Dass Gorleben in der engeren Wahl bleibt, wollen wir mit der Teilnahme des BUND verhindern.

Damit schließt sich der BUND lediglich der Fachmeinung der BGR an, die in der Studie von 1995 Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen Deutschlands – Untersuchung und Bewertung von Salzformationen auf Seite 18 Folgendes ausführt:

Große Aufmerksamkeit wurde – in Abweichung von den zitierten Studien aus den 80er Jahren – der Barriere-Funktion des Deckgebirges gewidmet. Eine flächenhafte Überdeckung des Caprock einer Salzstruktur mit wasserhemmenden Unterkreidetonen und einer ungestörten Decke aus Sedimenten der Oberkreide und des Alttertiärs (z. B. Rupel-Tone) würde ein optimales geologisches Barriere-System darstellen. Dies ist aufgrund der für das Bergwerkskonzept geforderten geringen Tiefenlage des Caprock im allgemeinen nicht gegeben. Jedoch erscheint auch eine unverritzte und möglichst ungestörte Überdeckung allein durch die Tone des Alttertiär (Eozän, Rupel) akzeptabel.
Verschiedentlich durchschneiden jedoch quartäre Rinnen, die sich in Ausnahmefällen über 500 m in die quartären und präquartären, insbesondere die tertiären Sedimente eintiefen können, die Dachregion der Diapire und verletzen diese geologischen Barrieren.

Am Standort Gorleben ist eine solche möglichst ungestörte Überdeckung jedoch nicht gegeben. Insofern ist Gorleben bereits 1995 bei komparativer Betrachtung aus der engeren Wahl ausgeschieden. Andere Salzformationen müssten mit Priorität erkundet werden.

Gorleben aus der Liste „getilgt“?

Damit ist Gorleben aber noch nicht aus der Suchliste getilgt, denn an anderen Standorten können sich bei der Erkundung ebenfalls erhebliche Defizite zeigen. Letztlich müssen zumindest auch Granit- und Tonvorkommen einbezogen werden und nach streng komparativer Systematik vorgegangen werden.

Ob diese Systematik durchgehalten wird, ist mehr als fraglich, wenn die Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle weiterhin in parteipolitischer Hand bleibt und zwecks Steigerung des Nachrichtenwerts von den Medien polarisiert wird.

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