Diese Medaille hat nicht zwei, sondern drei Seiten

Der BfE-Standpunkt im Tagesspiegel

Unter der Headline Bürgerbeteiligung und politische Verantwortung – zwei Seiten einer Medaille veröffentlichte das BfE einen Beitrag im neuen Format Tagesspiegel-BACKROUND. Zur Endlagerung wird konstatiert:

Angesichts der Tatsache, dass in (West-)Deutschland eine ganze politische Generation ihr Profil im Für und Wider der Atomenergie gestählt hat, bleibt die Verantwortungsübernahme beim letzten Akt der Nutzung der Kernenergie erstaunlich verschwommen.

Rollen sind recht klar

Dieses Statement ist erstaunlich, da die Rollen recht klar sind. Die Atomkraftnutzer haben sich dank des Gesetzgebers freigekauft und zumindest ein Bundesland hat in der letzten Koalitionsvereinbarung die politische Verantwortung klar abgelehnt. Dagegen hat auch die Fachbehörde dieses Landes – wie alle anderen landesgeologischen Dienste – die notwendigen Daten geliefert, obwohl im Standortauswahlgesetz festgelegt ist, dass die Länder keinen Erfüllungsaufwand zu leisten haben.

Atomkraftgegner machten im Jahr 2012 Angebot

Atomkraftgegner haben im Jahr 2012 diverse Angebote zur Übernahme von Verantwortung signalisiert und dabei sogar auf die Forderung auf Nichteinbeziehung des Standorts Gorleben verzichtet. Diese Angebote wurden von der Politik nicht angenommen. Stattdessen wurde voller Stolz ein Gesetz präsentiert, das ein Parteienkonsens – nicht ein gesellschaftlicher Konsens – ist und in dem die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind.

BfE als junge Überwachungsbehörde

Betont werden die Rollen des neuen und jungen BfE als Überwachungsbehörde, die gleichzeitig die Öffentlichkeitsbeteiligung zugewiesen bekommen hat. Dabei wird nicht mitgeteilt, dass die Überwachung der Endlager bereits im BfS als Eigenüberwachung bestand und personell auch weitgehend übernommen wurde.

Ist Öffentlichkeitsbeteiligung vereinbar mit anderen Aufgaben des BfE?

Zur Aufgabe Öffentlichkeitsbeteiligung wird nicht problematisiert, dass sich für das BfE als Regulierungsbehörde hier ein Konfliktfeld auftut. Das BfE kann über kritikwürdige Regulierungsaktivitäten im Suchprozess nicht unvoreingenommen informieren. Hier sind nicht einmal die einfachsten organisatorischen Maßnahmen getroffen worden, um Standortsuche und Öffentlichkeitsbeteiligung zu entflechten. Beide Aufgaben werden in derselben Abteilung wahrgenommen. Weiterhin ist die Abgrenzung zwischen Referat PB 2 Presse/Öffentlichkeitsarbeit und Fachgebiet SV 5 Öffentlichkeitsbeteiligung vollkommen intransparent.

AG 1  der Endlagerkommission diskutierte Stiftung

Erinnert sei an die Arbeit in der AG 1 der Endlagerkommission, die aufgrund dieses Problems die Übernahme der Öffentlichkeitsbeteiligung durch eine Stiftung diskutierte – siehe zum Beispiel 20. und 21. Sitzung.

Desinteresse an der Standortsuche

Bedauert wird das derzeitige geringe Interesse an der Standortsuche:

Doch wo in der Vergangenheit die öffentliche Debatte um die Deutungshoheit der Atompolitik bis in Familien und Freundschaften hineinstrahlte, scheint derzeit die Aufmerksamkeit um die zentrale Frage, wie wir mit den hochgefährlichen Hinterlassenschaften des Atomzeitalters verantwortungsvoll umgehen wollen, nur noch eine kleine Schar von Aufrechten und direkt durch Atomanlagen Betroffenen zu interessieren.

Leider arbeitet das BfE nicht gegen dieses Desinteresse.

Woher kommt notwendiges geologisches Wissen?

Woher soll eine Gesellschaft notwendiges geologisches Wissen erhalten, wenn selbst heutzutage solches in den Schulen nicht vermittelt wird? Ist es nicht Aufgabe des BfE, zur Vorbereitung der sachlichen Diskussion um Standortregionen für die Verbreitung solchen Wissens zu sorgen? – siehe auch Wo bleibt die Grundlage für Öffentlichkeitsbeteiligung?

BfE verhindert systematisch Wissensverbreitung

Das BfE verhindert systematisch die Verbreitung solchen Wissens. Bürgerinitiativen werden eher diffamiert, anstatt die von ihnen vorgelegten Fakten im Einzelnen konkret einzuordnen – siehe Einzelne Initiativen nennen angebliche Standorte für ein mögliches Endlager. Weiterhin wird es versäumt, den Bürgern einen konkreten Einblick in die Welt im Untergrund zu geben. Obwohl schon mehrfach im NBG angeregt, werden die Daten über beantragte Bohrvorhaben nach § 21 StandAG nicht geografisch und geologisch aufbereitet. Abgelehnt wird das mit der Sprachregelung

Es sind und bleiben, wie bereits auf unserer Homepage dargelegt, Aussagen zu punktuellen Gegebenheiten.

siehe Kommentar. Und dabei beruht Geologie insgesamt auf Aussagen zu punktuellen Gegebenheiten, denn selbst 3D-Seismiken sind ohne Bohrungen nicht auswertbar.

Entscheidungshoheit des Bundestages

Betont wird letztlich die beim Bundestag liegende Entscheidungshoheit. So werden Bürgerbeteiligung und Übernahme politischer Verantwortung als zwei Seiten derselben Medaille stilisiert. Was in dem BfE-Beitrag vollkommen unerwähnt bleibt, ist die Rolle der Wissenschaften. Denn bei genauer Betrachtungsweise hat eine Medaille als Zylinder drei Seiten, wovon eine in der Regel recht schmal ausfällt.

Wissenschaftlich-technischer Sachverstand des BfE

Wird in der Begründung zum Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung – siehe Drucksache 17/13471, Seite 33 – noch betont

..Absatz 2 beschreibt die Aufgaben, bei denen das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung auf der Grundlage seines wissenschaftlich-technischen Sachverstandes dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zuarbeitet,…

ist in dem Beitrag von wissenschaftlich-technischem Sachverstand nichts zu spüren. Es sind ausschließlich politische Ausführungen.

Die schmale und unbedeutende Seite der Medaille sollte die Politik werden

Ist es nicht Aufgabe des BfE dafür zu sorgen, dass die bisher in der Gesellschaft ausschließlich politisch-ideologische Diskussion der Standortsuche in eine sachlich-wissenschaftliche Richtung geführt wird? Dafür müssen in der Gesellschaft die Grundlagen geschaffen werden, so dass die wissenschaftliche Verfahrenweise kritisch nachvollzogen werden kann. Die Politik muss nur entscheiden, wenn wissenschaftlich nicht wirklich ein breites gesellschaftliches Konsensergebnis erreicht werden kann. Zurück zur Medaille: Die schmale und unbedeutende Seite sollte die Politik werden.

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