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1 Mio Jahre
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand ernsthaft
behaupten kann, es könne ein Endlager geben, das für 1 Million Jahre
unbeaufsichtigt, d.h. irgendwo vergraben und nicht mehr zugänglich, eine
sichere Deponie für hochradioaktiven Abfall sein kann. Vielleicht kann
man das irgendwo vermuten, aber sicher sein kann da wohl niemand. Meiner
Meinung nach müsste daher parallel zur derzeitigen Endlagersuche
untersucht werden, wie die gegenwärtige Lagerung des hochradioaktiven
Abfalls, die ja zugänglich und nötigenfalls korrigierbar ist, in eine
dauerhafte Lagerung überführt werden kann, die ebenfalls zugänglich und
korrigierbar ist. Natürlich wäre es viel schöner und auch billiger, wenn
man den hochradioaktiven Abfall ein für alle Mal bzw. für 1 Million
Jahre einfach verschwinden lassen könnte. Aber sicher ist das nicht, vor
allem deswegen, weil das gesuchte Endlager soweit ich weiß nach
Befüllung nicht mehr zugänglich sein soll.
Da ein Endlager auf geologischen Barrieren basiert, muss man die geologische Entwicklung entsprechend voraussagen. 1 Million Jahren wurde deshalb gewählt, weil man das für diesen Zeitraum meist noch kann. Was man nicht kann, ist die Entwicklung an der Oberfläche – also da, wo die Zwischenlager stehen – auch nur für 100 Jahre vorherzusagen. Damit hat sich das als Lösung eigentlich erledigt…
Erst einmal sollte man mal den Begriff sicher hinterfragen. Er wird im Zusammenhang mit radioaktiven Abfällen in anderer Weise benutzt als üblich.
Da ist erst einmal der Strahlenschutz, bei dem nach dem üblichen Modell jede noch so geringe Strahlenbelastung zu einer Schädigung führen kann. Man spricht hier nicht von Sicherheit, sondern von geringem Risiko.
Das Problem bei den radioaktiven Abfällen ist die Freisetzung von Radionukliden, deren Ausbreitung bis in die menschliche Umgebung und schließlich die Aufnahme in den menschlichen Körper.
Die Freisetzung soll durch den sogenannten einschlusswirksamen Gebirgsbereich verhindert werden. Man spricht vom sicheren Einschluss. Der ist in § 4 der Sicherheitsanforderung definiert, und zwar nicht als vollständigen Einschluss, sondern als Einschluss mit einer Austragung von jährlich bis zu 10-9 Anteilen sowohl der Masse als auch der Anzahl der Atome aller ursprünglich eingelagerten Radionuklide. Auch hier wird der Begriff sicher nicht im landläufigen Sinne benutzt. Ich würde das als risikoarmen Einschluss bezeichnen.
Die einfachsten Größen sind die Veränderungen der radioaktiven Abfälle durch den radioaktiven Zerfall. Dieser wird durch die wohl unbeeinflussbaren Halbwertszeiten in den bekannten Zerfallsketten bestimmt. Hier gibt es nur bei einigen wenigen Nukliden relativ große Fehlerbandbreiten.
Die Größe mit der größten Fehlerbandbreite ist die Entwicklung des geologischen Systems, die sowohl die Freisetzung als auch die Ausbreitung der radioaktiven Nuklide beeinflusst. Hier muss man die Erkenntnisse der Geowissenschaften anwenden. Die Geologie ist eine beschreibende Wissenschaft, die versucht, die Entwicklung im Wesentlichen der Erdkruste über die letzten etwa 4 Mrd. Jahre zu rekonstruieren. Fast alle geologischen Prozesse laufen sehr langsam ab, sodass für Geolog*innen der Zeitraum von 1 Mio. Jahre recht kurz ist. Im Falle eines Langzeitlagers müssen aber auf der Grundlage der Erkenntnisse über die Vergangenheit Prognosen über einen Zeitraum aufgestellt werden, bis die Radioaktivität abgeklungen ist. Auch hier müssen Kompromisse gemacht werden, denn nach dem Zerfallsgesetz ist diese Zeitdauer unendlich.
Auf der anderen Seite geht es um die Frage, für welchen Zeitraum die Geowissenschaftler fundierte Entwicklungsprognosen aufstellen können. Diese Frage wurde im Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) diskutiert. Das Ergebnis kann in den Empfehlungen, die 2002 erschienen sind, nachgelesen werden (S. 29):
Die 1 Mio. Jahre ist nach AkEnd also ein geowissenschaftlich vertretbarer Prognosezeitraum. Dieser wurde dann sprachlich als Nachweiszeitraum übernommen. In den Sicherheitsanforderungen wurde das wieder zurückgenommen. Man spricht inzwischen vom sog. Betrachtungszeitraum. Aber über diesen Zeitraum ist natürlich keine sichere Prognose möglich, wie es bei jeder Prognose der Fall ist. Bei der Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle wurden sogenannte FEP-Listen aufgestellt, die alle möglichen Entwicklungen abbilden sollen. An einem konkreten Standort ist dann zu entscheiden, welche Entwicklungen mit welcher Wahrscheinlichkeit eintreten werden.
Bis zu den AkEnd-Empfehlungen wurde eine Prognosezeit von 10.000 Jahren angesetzt (SSK/RSK). Die Argumentation dafür war, dass mit der nächsten Eiszeit insbesondere die hydrogeologischen Verhältnisse sich massiv ändern werden und darüber hinaus Prognosen nicht möglich seien. Zur Konsequenz hatte die Ausweitung des Prognosezeitraums von 10.000 auf 1 Mio. Jahre, dass Deckgebirgseigenschaften keine Rolle mehr spielten, da diese nach mehreren Eiszeiten nicht mehr prognostizierbar seien. Diese Argumentation des AkEnd ist wohl als Kompromissformulierung zu werten.
Damit wird klar, dass der Begriff Sicherheit bei der Langzeitlagerung nicht so benutzt wird wie in technischen Systemen, wo zusätzlich noch die Elemente Redundanz und Diversität eingesetzt werden. Technische Systeme haben aber einen wesentlich geringeren Prognosezeitraum, insbesondere da sie immer wieder nachgebessert werden müssen und insofern vom menschlichen Handeln und damit gesellschaftlichen Entwicklungen abhängen.
Der Begriff sicheres Endlager ist irreführend, es sollte der Begriff risikoarmes Endlager verwendet werden. Am Begriff bestmöglicher Standort ist nichts auszusetzen.
Es stellt sich weiterhin die Frage, was geschieht, wenn sich herausstellt, dass die Langzeitlagerung doch nicht so funktioniert, wie man sich das nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik vorstellt oder wenn alternative Verfahrensweisen machbar werden? Dazu wurde in der Schweiz ein Konzept mit Pilot- und Testlager (EKRA-Konzept, S. 56) entworfen, was aber wohl nur mit Abstrichen verwirklicht werden soll. In Deutschland werden lediglich eine Rückholung während der Betriebszeit und eine Bergbarkeit über 500 Jahre nach Verschluss gefordert.
Wie diese Anforderungen umgesetzt werden sollen, ist bisher unklar. Zweifelsfrei hat hier die Langzeitlagerung in Kristallingestein als Wirtsgestein wegen der Gebirgsstabilität Vorteile. Auf der anderen Seite hat Kristallin erhebliche Probleme bei der Barrierewirkung.
Um das Problem nochmals zu erweitern, sei an dieser Stelle an die Langzeitlagerung chemotoxischer Stoffe erinnert, die ebenfalls in sogenannte Untertagedeponien verbracht werden. Die Anforderungen sind in der Deponieverordnung festgelegt.