Keine eindeutige Planung der Endlagerung des deutschen Atommülls
Gastbeitrag von Herman Damveld, Wissenschaftsjournalist, Groningen, Niederlande

Wird im Jahr 2031 bekannt sein, ob Deutschland über ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle verfügt, das für eine Million Jahre sicher ist? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage konnte ich bei der BGE (Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH) nicht bekommen. Unterdessen wird die deutsche Planung in den Niederlanden als Beweis dafür akzeptiert, dass die endgültige Lagerung ethisch vertretbar ist.

Situation in den Niederlanden

Seit 1976 sind Salzvorkommen im Norden der Niederlande für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Diskussion. Es handelt sich um die Salzstöcke

  • Ternaard in der Provinz Friesland,
  • Pieterburen und Onstwedde in der Provinz Groningen,
  • Schoonloo und Gasselte-Drouwen in Drenthe

und die weniger geeigneten Salzkissen

  • Hooghalen und Anloo in Drenthe.1 2 3

Doch Probebohrungen hat es bisher nicht gegeben.

Asse und Gorleben als Vorbild

Damals war Deutschland das Beispiel für die Niederlande. Zum Beispiel speziell Asse, wo bis 1978 rund 126.300 Fässer radioaktiver Abfälle im Salzstock gelagert wurden. Geplant ist jetzt die Bergung der Fässer. Das wird 3,5 Milliarden Euro kosten.4 Auch Gorleben wurde genannt. Doch am 28. September 2020 hat die BGE Gorleben nach 40 Jahren Forschung und Erkundung von der Liste gestrichen, weil dieser Salzstock die geologischen Kriterien nicht erfüllt.5 Die bisherigen Kosten belaufen sich auf 1,6 Milliarden Euro.6

Seit November 2020 gibt es in den Niederlanden eine neue Projektstudie unter anderem auch zur Endlagerung im Salz.7 Darin wird festgestellt (Seite 28), dass die

Asse nicht dem aktuellen hohen internationalen Sicherheitsstandard für eine Endlagerung im Steinsalz genügt.

Und weiter:

Für die Entsorgung von HLW ist eine neue, eigens dafür zu errichtende Anlage anstelle der Wiederverwendung alter Salzbergwerke geplant.

Interessant ist dabei, dass die negativen Ergebnisse zur Asse und das Ende von Gorleben nicht genannt werden. Und das, obwohl es für diese Studie einen Beirat gibt mit u. a. Frau Dr. Nina Müller-Hoeppe von der BGE Technology GmbH (Tochtergesellschaft der BGE).

Situation Deutschland: Sicher für eine Million Jahre?

Ich lese des Öfteren, dass bis 2031 das Auswahlverfahren beendet werden soll. Dann soll feststehen, so hatte ich es verstanden, an welchem Standort das Endlager für hochradioaktive Abfälle mit der bestmöglichen Sicherheit gebaut werden kann.

Ist also im Jahr 2031 alles klar und bleibt Deutschland ein Vorbild für die Niederlande? Das ist zum Beispiel die Meinung der Initiatiefgroep Kernergie, die mehrere neue Kernkraftwerke in den Niederlanden bauen möchte. Der Wortführer, George Verberg, schrieb am 21. November 2020:

Die endgültige Wahl von Standorten, an denen radioaktive Abfälle für mindestens eine Million Jahre entsorgt werden können, ist für 2030 geplant. Damit wird die moralische Seite, ob es zu verantworten ist, diese Abfälle zu produzieren, ebenfalls beantwortet.8

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Da ist Holger Klein schlauer als der Professor am Institut für Endlagerforschung an der TU Clausthal

Wer redet ist nicht tot

Holger Klein bietet eine Sammlung von kostenlosen PODCASTs an unter dem Motto Wer redet ist nicht tot (WRINT), einem Satz aus Gottfried Benns Gedicht Kommt. In WR1157 Endlagersuche führt er ein gut einstündiges Gespräch mit Klaus Jürgen Röhlig, Mathematiker und Professor am Institut für Endlagerforschung an der TU Clausthal.

Ein lockeres, allgemein verständliches Gespräch

Der Podcast ist zwar lang, aber es wird ein lockeres, allgemein verständliches Gespräch über die Endlagersuche aus dem aktuellen Anlass des Zwischenberichts Teilgebiete geführt. Aber auch viele Nebenaspekte werden angesprochen. So auch die Projekte Asse und Konrad. Das Anhören lohnt sich, wenn man demnächst trotz Pandemie elektromobil mit der Deutschen Bahn länger unterwegs ist. An drei Stellen kam endlagerdialog.de jedoch ins Stutzen.

Gesteine so kombinieren, dass mehrere Vorteile genutzt werden

Nach der Schilderung der Vor-und Nachteile der unterschiedlichen Wirtsgesteine Salz, Ton und Kristallin kam der Gesprächspartner von Herrn Röhlig auf die Idee, diese Gesteine zu kombinieren, um so möglichst viele Vorteile nutzen zu können. Er formuliert das etwas ungeschickt mit (12:33)

Oder wir finden eine Ecke, wo es Mischgestein gibt.

Dies wird von Röhlig abgewehrt, da hier eine Charakterisierung nicht möglich sei. Er greift es nicht in dem Sinne auf, dass unterschiedliche geologische Barrieren zu einem diversitären Endlagersystem mit einem geringeren Risiko der Freisetzung benutzt werden können als es bei lediglich einer geologischen Barriere in der Regel der Fall ist. Da ist Holger Klein schlauer als der Professor am Institut für Endlagerforschung an der TU Clausthal. Und der Professor bemerkt es nicht einmal.

Strahlenschutzgrundsatz der Optimierung nicht angeführt

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ASSE-Livestream: „..einmaliges Projekt mit weltweiter Öffentlichkeitsbeteiligung..“

ASSE-Rückholplan per Onlineveranstaltung

Am 17.04.2020 stellte die BGE den ASSE-Rückholplan öffentlich vor. Vorgetragen wurde der Plan in der Kurzfassung und es schloss sich eine Fragerunde an, die durch Moderation begleitet wurde. Die Veranstaltung fand aufgrund der CORONA-Einschränkungen digital im Internet statt. Die BGE-Mitarbeiter*innen waren an einem Ort, von dem ein Livestream über YouTube (Google) übertragen wurde. Einige vorher festgelegte Personen konnten per Skype (Microsoft) zugeschaltet werden. Für Bürger*innen standen drei Fragekanäle zur Verfügung:

  • die Chat-Funktion von YouTube (Google-Anmeldung erforderlich),
  • per Email an dialog@bge.de und
  • per Telefon.

Der etwa dreistündige Livestream kann inklusive Chat-Kanal hier auch nachträglich angesehen werden.

„…ein einmaliges Projekt mit weltweiter Öffentlichkeitsbeteiligung…“

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Gebirgsmechanik der Asse stiefmütterlich behandelt

Gebirgsbeobachtungsgespräch Asse II

Die Gebirgsbewegungen der Asse im zurückliegenden Jahr war Gegenstand des Gebirgsbeobachtungsgesprächs am 27.06.2019 in Schöppenstedt – siehe auch BGE-Meldung vom 12.07.2019. Die Meldung schildert einige Aspekte des Gesprächs vermeintlich in allgemeinverständlicher Sprache. Dazu wird gerade eine einzige 2D-Grafik zur Mikroseismik gezeigt und erläutert. Die abrufbaren Vortragsfolien der BGE und des Instituts für Gebirgsmechanik GmbH (IfG) enthalten zwar viele bunte Bilder, das Verständnis für Nichtfachperson ist aber schon wegen des fehlenden Textes nicht gegeben. Kein Laie wird sich angesprochen fühlen. Und dabei wäre es so einfach gewesen, zum Beispiel aus den mikroseismischen Beobachtungen ein interaktives 3D-Bild zu entwickeln. Damit hätte man die Chance gehabt, dass interessierte BürgerInnen sich interaktiv einbringen.

Gebirgsmechanische Kriterien bei Untertagedeponien

Gebirgsmechanik ist eine schwierige Materie, spielt aber bei der Endlagerung eine wichtige Rolle. So basiert der sogenannte Langzeitsicherheitsnachweis bei Untertagedeponien für chemotoxische Abfälle in der Regel allein auf der Einhaltung des Minimalspannungs-Kriteriums (auch Frac- oder Fluiddruck-Kriterium genannt) und des Dilatanz-Kriteriums – siehe zum Beispiel Fortschreibung des Langzeitsicherheitsnachweises für die Untertagedeponie Herfa-Neurode vom 21.03.2017, Seite 147. Schadstoffausbreitungsrechnungen unterbleiben in der Regel entsprechend der Deponieverordnung Anhang 2, Punkt 2.1.1:

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Endlager gesucht – eine neue Legendenquelle?

Das Endlagerproblem als wicked problem – verzwicktes Problem

Das Endlagerproblem für radioaktive Abfälle wird immer wieder als wicked problem gesehen. Warum im Gegensatz dazu ein ähnliches Problem – wie die Entsorgung chemotoxischer Abfälle in Untertagedeponien – nicht so gesehen wird, wird nirgends ausgeführt. Wodurch zeichnen sich solche Probleme aus? Ein Hinweis wird zum Beispiel in Ewigkeitslasten auf Seite 90 geliefert:

…wechselnde Narrative: ein wicked problem kann nie allein durch objektive Tatbestände oder seine stoffliche Beschaffenheit erklärt werden, es ist stets auch ein sozial konstruiertes Problem…

Offensichtlich fehlt Untertagedeponien für chemotoxische Abfälle eine solche soziale Konstruktion. Was aber sind wechselnde Narrative? Und welche Rolle spielten diese bisher bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle?

Legenden als Narrative der Vergangenheit

Gebräuchlicher ist der Begriff Legenden statt Narrative. Und diese wurden beim Endlagerproblem zur Genüge von den unterschiedlichen Seiten aufgetischt – mit jeweils einer guten Portion an Fakten, aber auch Zusätzen ganz im Sinne eigener Interessen. Und es gab keine Institution, die versucht hat, die unterschiedlichen Legenden zusammenzubringen – heute als Faktencheck bekannt.

Legende Neustart

Anlässlich der ersten Infoveranstaltung des BfE einer bundesweiten Reihe in Kiel stellt sich die Frage, ob die Zeit der Legendenbildung nun vorbei ist? Aber schon der immer wieder benutzte Begriff Neustart macht wenig Hoffnung. Der Neustart geht zurück auf die komparative Standortsuche der KEWA für ein nukleares Entsorgungszentrum mit Endlager, die diversen bundesweiten Studien der BGR zu Salz-, Kristallin- und Tonstandorten nach den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kriterien und dem AkEnd-Konzept, dessen Durchführung durch massiven politischen Druck verhindert wurde. Nun soll die schlechte Kopie dieses letzten Konzeptes aus dem Jahr 2002 ein Neustart im Jahr 2019 sein?

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Endlagerung – Mehrgenerationenaufgabe?

Altersdurchschnitt 60+

Am 10.04.2019 startete die Veranstaltungsreihe Der Atomkonflikt in Deutschland – bis in alle Ewigkeit? im Rahmen des Offenen Hörsaals an der FU Berlin. Der Veranstaltungsraum war bis auf den letzten Platz besetzt, es mussten weitere Sitzgelegenheit aus dem Nachbarraum geholt werden. Insgesamt waren es gut 100 ZuhörerInnen. Erstaunlich war nicht nur die Anzahl der Interessenten, sondern auch das Alter: Der Altersdurchschnitt lag bei 60+. Man kann also nicht von einem Mehrgenerationeninteresse sprechen, wohl aber wegen der Dauer des Endlagerprozesses von einer Mehrgenerationenaufgabe.

Mehr Vorträge als Diskussion

Angekündigt war eine Diskussionsveranstaltung, schließlich dominierten doch die Vorträge. Die Vortragenden waren Frau Schwarzelühr-Sutter, BMU-Staatssekretärin, Herr Güldner, Deutsches Atomforum, und Herr Fachtan, Nationales Begleitgremium. Moderiert wurde die Veranstaltung von Herrn Brunnengräber, Forschungszentrum für Umweltpolitik. Frau Schwarzelühr-Sutter betonte immer wieder den gesellschaftlichen Konsens, obwohl es maximal ein Konsens der im Bundestag vertretenen Parteien war.

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Die geowissenschaftliche Community ist erwacht

Aktuelle Geowissenschaftliche Mitteilungen

Im Dezemberheft der Geowissenschaftlichen Mitteilungen (GMIT, Heft in ca. drei Monaten auch online verfügbar), findet man fast auf jeder Seite das Stichwort Endlagerung. GMIT ist das gemeinsame Nachrichtenmedium von acht geowissenschaftlichen Verbänden in Kooperation mit dem Dachverband der Geowissenschaften (DVGeo).

Bericht vom Endlagersymposium am 12.10.2018

Auf Seite 19ff. ist ein Bericht vom Endlagersymposium am 12.10.2018 zu lesen, der bereits auf der DVGeo-Internetsite steht – siehe auch Der Dachverband Geowissenschaften mischt sich ein. Ein wesentlicher Punkt:

Das Problem der allgemein fehlenden geowissenschaftlichen Grundkenntnisse wurde angesprochen. In der Öffentlichkeit wird intensiv über geowissenschaftliche Themen diskutiert, doch werden in den Schulen die dafür notwendigen Kenntnisse nicht oder nur unzureichend vermittelt.

Im Berichtsteil des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler e. V. (BDG) wird auf Seite 25 ebenfalls auf diese Veranstaltung hingewiesen.

Geowissenschaften in die Schulen

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Geotechnische Umweltbauwerke – Eine andere Sicht auf die Langzeitlagerung

Gewichtiges Buch mit anderer Sichtweise

Mit gut vierhundert Seiten kommt ein Buch beim Springer-Verlag als schwergewichtiger Beitrag zur Endlagerdiskussion daher, der eine Sichtweise auf das Problem eröffnet, die nicht den gängigen Mustern folgt.

Das Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung (10 Seiten)
  2. Radioaktivität in Abfällen und Rückständen (23 Seiten)
  3. Grundlagen der Endlagerung radioaktiver Abfälle und Rückstände (45 Seiten)
  4. Entsorgung von Abfällen mit sehr geringer Radioaktivität (VLLW) (16 Seiten)
  5. Überwachungsbedürftige radioaktive Rückstände des Uranerzbergbaus (71 Seiten)
  6. Entsorgung von radioaktiven Abfällen geringer und mittlerer Radioaktivität (69 Seiten)
  7. Entsorgung von radioaktiven Abfällen mit hoher Radioaktivität (70 Seiten)
  8. Langzeitsicherheit Geotechnischer Umweltbauwerke (83 Seiten)
  9. Umwelt-Monitoring (26 Seiten)
  10. Zusammenfassung (9 Seiten)

gibt unter Kapitel 5 den entscheidenden Hinweis: Der Autor, Michael Lersow, war von 2005 bis 2009 in der Wismut GmbH für die Sanierung bei langzeitlicher Sicherung der Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus in verantwortlicher Position tätig – siehe Wikipedia und Über den Autor sowie Homepage.

WISMUT-Tailing Ponds als Ausgangspunkt

Im Kapitel über Rückstände des Uranerzbergbaus geht es im Wesentlichen um die Rückstände aus den zentralen Aufbereitungsanlagen der Wismut (tailing ponds), welche die langwierigsten Aufgaben der Wismuthinterlassenschaften darstellen – siehe auch Lersow, M. (2010). Safe closure of uranium mill tailings ponds – on basis of long-term stability-proofs linked with an extensive environmental monitoring. Bei den Tailing ponds der Wismut wurde auf eine Basisabdichtung verzichtet. International ist die fehlende Basisabdichtung bei Tailing ponds nicht untypisch. Wo es zu bedeutsamen Austritten von radioaktiv verunreinigten Wässern kommt, bleibt meist nur die Umlagerung, so beim Uran-tailing pond Moab, wo Austritte in den Colorado River festgestellt wurden. Weiterlesen