Endlagersuche: Der Dachverband Geowissenschaften mischt sich ein

Symposium des DVGeo

Bereits Anfang 2018 wurde – anknüpfend an die Beiträge in GMIT Heft 70 – im Artikel Die Endlagersuche erreicht die geologischen Berufsverbände von den Aktivitäten in der Geologenszene zur Endlagerproblematik berichtet. Am 12.10.2018 gab es jetzt dazu vom DVGeo eine Veranstaltung (Symposium „Endlagerung in Deutschland – Rahmenbedingungen und Forschungsbedarf“) mit großer Resonanz. Der Veranstaltungsraum war bis zum Rand besetzt, was in dem alten Gebäude bei weitgehend geschlossenen Fenstern – Verdunklung wegen Beamernutzung – und immer noch sommerlichen Temperaturen den TeilnehmerInnen einiges abverlangte.

Thesenpapier in Aussicht gestellt

Postuliertes Ziel war es, im Nachgang dieser Veranstaltung wesentliche Thesen auf einer Seite zusammenzufassen. Eingangs wurde nochmals betont, dass in der Gesellschaft geologisches Grundwissen weitgehend fehlt, da Geologie zum Beispiel in den Schulen nicht vermittelt wird – siehe auch Beitrag Geologisches Grundwissen statt Buchstabenwüsten. Ansonsten gab es in der ersten Hälfte der Veranstaltung wenig Neues, alte Fehler wurden im Wesentlichen wiederholt.

BGE als Bundesamt, Gelbe Fässer statt CASTOR-Behälter

So wurde die BGE als Bundesamt für Endlagerung deklariert. Dabei ist die BGE eine bundeseigene Gesellschaft, die nicht an öffentliche Haushalte gebunden ist. Weiterhin wurden als Symbolbild wieder die Gelben Fässer bemüht, obwohl es hier im Wesentlichen um hochaktiven Abfall geht. Es wird Zeit, dass das BfE oder die BGZ lizenzfreie Bilder von entsprechenden Transportbehältern zur Verfügung stellt.

Sicher statt risikoarm, Kristallin verkürzt auf Granit

Der Beitrag des BfE wurde umbenannt in Sichere Entsorgung hochradioaktiver Abfälle, obwohl nach StandAG ein komparatives Verfahren angewendet werden soll. Es geht also nicht um sichere Entsorgung, sondern um risikoarme Langfristlagerung. Wissenschaftsmethodisch ist das ein himmelweiter Unterschied -siehe auch Deutschland ist offensichtlich Analphabet in Wissenschaftstheorie. Im lernenden Verfahren nach § 1 Abs. 2 StandAG ist also noch einiges zu lernen. Ob dies autodidaktisch innerhalb der befassten Institutionen wie bisher ohne Rückgriff auf interdisziplinäre und transdisziplinäre Ressourcen gelingt, kann bezweifelt werden. Und wiederum wurde Kristallin auf Granit reduziert, was wegen der geologisch orientierten Zuhörerschaft nicht akzeptiert werden kann.

BMU als zentraler Akteur ohne Willen zur Transparenz

Weiterhin wurde bei der Aufzählung der wesentlichen Akteure wie BfE, BGE und NBG der zentrale Akteur BMU nicht weiter erläutert. Er wurde erst später genannt, ohne darauf hinzuweisen, was dieser Akteur alles massiv beeinflusst – zum Beispiel Stellenbeschreibungen und Personalauswahl bis in die dritte Hierarchieebene des BfE und darüber hinaus, Bundesweisung an Landesbehörden etc. Und dazu kommt noch, dass dieser zentrale Akteur keinerlei Transparenz an den Tag legt.

Absolut serielles Vorgehen bei der Standortauswahl?

Wiederum außen vor gelassen wurde die Frage, inwieweit von der von JuristInnen vorgegebenen absolut seriellen Anwendung der Ausschlusskriterien vor den Mindestanforderungen Abstand genommen werden sollte. Hier wird weiterhin zeitaufwendig rumgewurstelt, ohne den JuristInnen mit einem konkreten Novellierungsvorschlag für das StandAG, der sich an der wissenschaftlichen Realität orientiert, den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Kristallin unter Ton oder Salz

Immerhin wurden nicht nur Salz, Ton und  Kristallin als geologische interessante Strukturen benannt, sondern auch Strukturen wie Kristallin unter Ton oder Salz. Wieder ausgelassen wurde dabei der Gewinn an Diversität, offensichtlich wirken immer noch die Gorleben-Fehlentscheidung und die in diesem Zuge verordneten Sprachregelungen nach.

Unmöglicher Nachweis und spannender Umgang mit Abwägungskriterien

Die zweite Hälfte des Symposiums war interessanter. Hier wurde zum Beispiel von Erkenntnistheorie gesprochen, von dem unmöglichen Nachweis der Vollständigkeit von FEP-Katalogen und dem ungeklärten konkreten Umgang mit den Abwägungskriterien. Hier sind keine Wichtungen oder Prioritätensetzungen im Gesetz festgelegt, was durchaus ein Vorteil ist, da es damit der juristischen Auslegung nicht zugänglich ist und wissenschaftliche Ansätze größere Chancen haben.

Pluralismus notwendig für Robustheit

In der Diskussion ist sogar unwidersprochen geäußert worden, dass die Ergebnisse von Risikoabschätzungen von der eingesetzten  Modellsoftware weniger als von den Anwendern der Software abhängen. Hier ist also Pluralismus gefragt, wenn man zu robusten Entscheidungen kommen will. Aber genau dieses wurde real im Falle der Schließung des End- und Zwischenlagers Morsleben versucht zu verhindern. Die Bemühungen der Genehmigungsbehörde, eigene Modellrechnungen durchzuführen, wurden in der Vergangenheit behindert, indem nicht einmal das geologische Modell bearbeitet werden durfte. Hatte hier neben dem BfS auch das BMU die Finger im Spiel?

BfE entwickelt eigene Modellierungskompetenz

Deshalb war es angenehm zu erfahren, dass das BfE daran arbeitet, eigene Modellrechnungskompetenz aufzubauen. Bei ENTRIA wurden auf der Grundlage von ReSUS – nicht zu verwechseln mit dem Projekt RESUS der BGE –  sogar schon mit der Öffnung Richtung Laien experimentiert – siehe hier. Nicht unerwähnt möchte endlagerdialog.de lassen, dass es bereits 2005 Vorstellungen am BfS gab, solches durch Einsatz von MATHEMATICA umzusetzen, dies aber unterbunden wurde. Das BfE entwickelt zurzeit ein langfristiges Forschungsprogramm, auf das man gespannt sein kann. Dies soll robust konstruiert werden, sodass auch bei Rücksprüngen im Verfahren nicht wieder ganz von vorne begonnen werden muss.

Robustheit durch Partizipation

Die Robustheit stand auch im Mittelpunkt der interessantesten Ausführungen:  Sozialwissenschaftliche Endlagerforschung / Partizipation / Akzeptanz. Hier wurde unterschieden zwischen Verfahrensakzeptanz und Standortakzeptanz und der Beteiligung zwecks Vertrauensaufbaus und Beteiligung zwecks Verbesserung des Ergebnisses. Eine These lautete, dass durch Beteiligung der Öffentlichkeit mit auf den ersten Blick auch abstrusen Ideen die Robustheit des Ergebnisses zunimmt. Man kann nur hoffen, dass das der Grund für das BfE war, nicht nur gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsformate zu verfolgen – siehe auch Da wendet sich etwas zum Positiven.

Alternativen dürfen immer gedacht werden

In diesem Zusammenhang sind auch die Vorstellungen zu sehen, die auch auf der DVGeo-Veranstaltung angesprochen wurden und wohl immer wieder zutage kommen werden: Alternativen dürfen immer gedacht werden, so die schon auf Empfehlung der Endlagerkommission zu beobachtenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Endlagerung in tiefen Bohrlöchern  (Abschlussbericht, B-5.4.3, S. 196-200). Auch die Transmutation wurde angesprochen. Dazu wird im Rahmen der EURATOM und damit auch mit deutschen Steuergeldern geforscht. Hat sich gegenüber der Position der Endlagerkommission – siehe Abschlussbericht der Endlagerkommission Kapitel B 5.4.2, Seite 193ff – etwas verändert? Auch das ist eine berechtigte Frage.

Die im Publikum vertretenen Interessengruppen

Zur Strukturierung der Diskussion wurden die im Publikum vertretenen Interessengruppen wie Universitäten, Forschungsinstitute, Berufsverbände, Behörden, Umweltorganisationen, Industrie und Politik zu spontanen Kurzbeiträgen angesprochen. Von der Politik war niemand anwesend, was auch die etwas andere Stimmung in dieser Veranstaltung gegenüber der in den Herkömmlichen erklärt, was durchaus positiv wahrzunehmen war.

Diskontinuitäten in der Endlagerforschung

Das Publikum aus eher geologische orientierten und insbesondere an Forschungsfragen Interessierten bemängelten die Diskontinuität der Forschungsbemühungen. Die Herausbildung einer breiten scientific community ist mit auf zwei Jahre befristeten Forschungsaufträgen nicht zu erwarten. Solch eine community wird aber benötigt, um ein Jahrzehnte laufendes Verfahren wissenschaftlich robust abzusichern. Der erste zaghafte Ansatz zu einer pluralistischen Endlagerforschung wurde von niemandem erwähnt – nämlich ENTRIA.

Chance für die Geowissenschaften – Beispiel KTB

Die Endlagerfrage stellt auch eine Chance dar, die Sichtbarkeit der geologischen Wissenschaften in der Gesellschaft zu erhöhen. Weiterhin kann dies zur Motivation von jungen Menschen dienen, sich auf diesen Bereich beruflich zu orientieren. Ein ähnliches Beispiel aus der Vergangenheit war die Kontinentale Tiefbohrung (KTB) in den Jahren 1987 bis 1995.

Transparenz

Die Transparenz aus § 1 Abs. 2 StandAG wurde in zweierlei Hinsicht gefordert. Selbstverständlich sollten die wissenschaftlichen Studien öffentlich im Internet verfügbar sein. Weiterhin gehören dazu auch allgemein verständliche Zusammenfassungen, die von Testgruppen – wie von Schulklassen bei einigen BfS-Broschüren geschehen – abgesichert werden sollten. Hier sind Wissenschaftsjournalisten gefragt. Insgesamt sollten die Fachleute darauf achten, nicht ins Fachchinesische abzugleiten.

In eigener Sache

endlagerdialog.de möchte aus diesem Anlass gestehen, dass viele Beiträge in diesem Blog nicht mehr allgemein verständlich sind und sich mehr und mehr an die mit der Endlagerung befassten Institutionen wendet, da sich diese die Beiträge vermehrt ansehen. Wegen der langjährigen Arbeit mit Bürgerinitiativen im Zusammenhang mit Erörterungsverfahren, der Arbeit an diversen Universitäten in der Lehre und der Öffentlichkeitsarbeit am Bundesamt für Strahlenschutz kann endlagerdialog.de auch anders: Es gibt keine falschen Fragen, sondern nur unverständliche Antworten. Stellen Sie die Fragen!

BfE ist offen für Ideen von außen

Seitens des BfE wurde signalisiert, dass man durchaus offen ist für Anstöße von außen. Was hindert also die Interessierten daran, ihre Ideen zur Entwicklung von Forschungsprogrammen dem BfE in Form von formlosen Anträgen zu präsentieren. Vielleicht kann schon die 1. Statuskonferenz Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen am 8. und 9. November 2018 ein erster Schritt dazu sein. Zwar gab es dazu kein Call for Papers, aber im Programmentwurf vom 10.10.2018 sind Postersessions der zentralen Akteure und zu einzelnen Forschungsvorhaben vorgesehen. Ein Poster sollte auf jeden Fall eingereicht werden: DVGeo – Thesenpapier zum Forschungsbedarf zur Langfristlagerung radioaktiver Abfälle.

3 Gedanken zu „Endlagersuche: Der Dachverband Geowissenschaften mischt sich ein

  1. Poster angemeldet

    Nicht nur der DVGeo sollte zur 1. Statuskonferenz ein Poster anmelden, auch endlagerdialog.de möchte dabeisein. Deshalb folgender Antrag an den Veranstalter:

    …vielen Dank für die Übersendung des Programmentwurfs zur 1. Statuskonferenz. Dem Entwurf entnehme ich, dass Postersessions der zentralen Akteure und zu einzelnen Forschungsvorhaben vorgesehen sind.

    Eine Anmerkung dazu: Es gibt nur einen zentralen Akteur im Bereich der Endlagerung. Zentral bedeutet ja zumindest, dass Einflussnahmen über mehrere Wege seitens dieses Akteurs möglich sind. Dies trifft allein auf das BMU zu. Auf das Poster des BMU bin ich persönlich sehr gespannt, da sich die Einflussnahmen des BMU bisher vollkommen intransparent darstellen.

    Die Akteure wie BGE, BfE etc. sind bestenfalls wesentliche Akteure. Eine Zentralität muss diesen abgesprochen werden.

    In diesem Zuge stelle ich als endlagerdialog.de den Antrag, auch als nichtwesentlicher Akteur ein Poster präsentieren zu dürfen. Ich bitte um positive Entscheidung zu diesem Antrag. Bitte teilen Sie mir mit, welches Format für die Poster vorgesehen ist.

    Mit freunlichen Grüßen
    Dr. Michael Mehnert

    endlagerdialog.de

  2. Das Poster von endlagerdialog.de kommt

    Der Antrag auf Präsentation eines Posters von endlagerdialog.de ist positiv beschieden worden.

    …..vielen Dank für Ihr Interesse an der 1. Statuskonferenz Endlagerung am 08./09.11.2018 in Berlin. Ich bestätige hiermit Ihre Teilnahme.

    Gerne ermöglichen wir Ihnen, „Endlagerdialog.de“ im Veranstaltungsfoyer mit einem Poster (DIN A0) zu präsentieren. Eine entsprechende Stellwand werden wir für Sie bereitstellen. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung….

    Jetzt gilt es, Inhalte zu überlegen.

  3. Das Poster zur 1. Statuskonferenz ist fertig

    Das Poster von endlagerdialog.de ist fertig. Ich hoffe auf rege und interessante Diskussion am 08.11. ab 10 Uhr und am 09.11. ab 8:30 Uhr.

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