In der 16. Ausgabe der ASSE EINBLICKE, einer Kundenzeitschrift des BfS, wird die Forderung aufgestellt, Solidarität mit der Asse zu üben. Auf die Frage
Wie gehen Sie damit um, dass die Menschen in der Region Wolfenbüttel die Rückholung herbeisehnen, es aber noch keinen Ort gibt, wo der Abfall hinkönnte?
wird geantwortet:
Es ist ein Grundproblem, dass die Risikowahrnehmung mit der Entfernung zum Ort des Geschehens schnell abnimmt. In direkter Nachbarschaft zu Braunschweig existiert mit der Asse ein großes Umweltproblem mit Auswirkungen, die in letzter Konsequenz auch Folgen für die Region haben könnten. Dennoch lehnt Braunschweig es ab, die Laugen aus der Asse dort behandeln zu lassen. Ähnliches erleben wir in Salzgitter, wo man den rückgeholten Abfall nicht im Endlager Konrad einlagern möchte. Unabhängig von berechtigten Fragen an das Entsorgungsunternehmen in Braunschweig geht es für mich um Solidarität. Und darum, klarzumachen, dass die Probleme mit der Asse nicht von den Menschen in Wolfenbüttel verursacht worden sind und dort allein nicht gelöst werden können. Wir müssen alle für eine bessere Situation sorgen. Dazu gehört es auch, ein Stück Verantwortung zu übernehmen für Probleme, die man nicht selbst verursacht hat.
Verpackt sind diese Inhalte in eine Interviewform, die aber wenig glaubhaft ist. Dazu kommen wir noch am Schluss dieses Artikels.
Was wird indirekt verlangt? Die Bereitschaft, die Erweiterungsaktivitäten des Entsorgungsunternehmens in Braunschweig und die Endlagerung von Asse-Abfällen im Endlager Konrad zu akzeptieren.
Die Eckert & Ziegler Gruppe hat an ihrem Sitz in Braunschweig mit Widerständen gegen die Erweiterung des Betriebsgeländes zu kämpfen. Es stellt sich die Frage, ob diese Firma aus der Sicht der betroffenen Nachbarschaft vertrauenswürdig ist. Aufschluss darüber gibt eine Veranstaltung vom 25.01.2012 (Video 3:51:52) in der Stadthalle Braunschweig.
Herr Eckert, Vorsitzender des Firmenvorstands, benutzt die Großaufnahme eines kranken Kindes (57:10 im Video) als Eyecatcher, um seine karitativen Absichten in den Vordergrund zu schieben.
Er zitiert Paracelsus (1:06:51 im Video)
Nur die Dosis macht das Gift.
, obwohl dieses bei ionisierender Strahlung im Gegensatz zur Chemotoxikologie nicht anwendbar ist.
Weiterhin stellt er unzutreffend fest (1:09:20 im Video):
Die Sonde auf dem Lessing-Gymnasium, die näher an der Stadt liegt, zeigt höhere Strahlenwerte als die Sonde, die näher am Industriegebiet liegt. Für Fachleute überhaupt nicht überraschend. Viele der Baumaterialien in der Stadt Braunschweig sind von Natur aus radioaktiv und die in der Stadt verbaute Masse macht sich bemerkbar.
Auch die Behörden sind der Situation nicht gewachsen. So wird das Verlangen der betroffenen Nachbarschaft, das gesamte genehmigte radioaktive Inventar zu erfahren, mit dem Hinweis auf den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen abgelehnt, ohne einen Vorschlag zur geeigneten Aufbereitung der Daten zu machen. Der vom Strahlenschutz her naheliegende Vorschlag wäre die Übermittlung der Radiotoxizität des genehmigten Inventars. So würde das Betriebsgeheimnis gewahrt und die Nachbarschaft erfährt das Gefährdungspotenzial, um dieses mit dem anderer Anlagen vergleichen zu können. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Nachbarn der Firma gut beraten sind, den Widerstand erst einmal nicht aufzugeben.
Der andere Punkt ist die Einforderung der Solidarität von Salzgitter als dem Standort des genehmigten Endlagers für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Verdient der Betreiber dieses Endlagers Vertrauen? Wenn immer wieder betont wird, eine bis zu 400 Meter dicke Tonschicht schütze die Biosphäre vor den radioaktiven Abfällen (siehe z. B. hier, S. 2, letzte Spalte, letzte Bildunterschrift), zeugt das nicht gerade von fachlicher Kompetenz des Betreibers. Denn bei einem Endlager – wie bei einem Eimer – ist nicht die größte „Wandstärke“, sondern die geringste ein Indikator für die Abdichtwirkung. Ein Wassereimer mit Loch kann durchaus eine maximale Wandstärke von zwei Millimetern besitzen. Trotzdem ist er undicht. Die zielführende Aussage zur Tonschicht über dem Endlager Konrad wäre, dass diese mindestens 170 Meter stark sei.
Wenn man weiterhin als Bürger von Salzgitter durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 2009 mitgeteilt bekommt, dass man die Vorsorge für zukünftige Generationen nach Artikel 20a des Grundgesetzes nicht einfordern könne, sondern diese dem Staat vorbehalten sei, erzeugt dies ebenfalls kein Vertrauen.
Es ist also sehr fragwürdig, hier auf Solidarität mit der näheren Asse-Region abzuheben. Es stellen sich eher folgende Fragen:
- Warum werden die Laugen nicht im Endlager selbst konditioniert, wie es im Endlager Morsleben geschieht, siehe hier S. 15, 2. Absatz?
- Warum wird nicht mit einem Änderungsplanfeststellungsverfahren zu Konrad begonnen, das die zusätzliche Endlagerung der Asse-Abfälle beinhaltet und das heutigen Sicherheitskriterien gerecht wird?
Oder soll auch hier wieder klammheimlich eine Erweiterung des Nuklidspektrums durchgeführt werden, wie es in einem undurchsichtigen Verfahren zwischen Endlagerbetreiber und Endlagerüberwachung, beide BfS, bereits schon einmal geschehen ist? Siehe Nachricht des BfS und Nachfrage nach Informationsfreiheitsgesetz.
Doch zum Schluss zurück zum journalistischen Format des Interviews: Jeder Journalistin, jedem Journalisten mit Grundkenntnissen zur Endlagerung sollten diese und ähnliche Fragen einfallen. Doch in diesem Interview ist davon nichts zu finden. Das ist verdächtig! Oder anders: Die ASSE EINBLICKE ist eine Kundenzeitschrift und kein journalistisches Produkt, bei dem die journalistischen Sorgfaltspflichten Anwendung finden.