Gorleben-Untersuchungsausschuss
Nach langer Zeit und nach Abschluss des Gorleben-Untersuchungsausschusses sind nun die Protokolle der öffentlichen Sitzungen digital abrufbar. Bisher standen lediglich Zusammenfassungen zur Verfügung. Weiterhin sind auch verwendete Dokumente im Netz. Leider sind nicht die in den Protokollen genannten MAT-Nummern erkennbar, denn die Dokumente sind nur von 1 bis 123 durchnummeriert. Eine Inhaltsaufstellung der Dokumente findet sich in der Beschlussempfehlung unter Ziffer VIII.2, hinter der Auflistung der Protokolle unter VIII.1.
Die Sitzung vom 10.02.2011
Eine interessante Sitzung fand am 10.02.2011 statt (33. Sitzung, Zusammenfassung 1, Zusammenfassung 2, Protokoll). Als Zeugen wurden vernommen Prof. Dr. Kurt Schetelig – damals Lahmeyer International GmbH, Frankfurt a. M. – und Dr. Thomas Diettrich – damals Geologe bei Lahmeyer International GmbH, Frankfurt a. M. Die Zeugenvernehmung ging offensichtlich zurück auf einen Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 20.05.2010 mit dem Titel Gorleben-Erkundung – Daten manipuliert. Herr Dr. Diettrich kommt zu folgender Aussage (Seite 50 im Protokoll):
Ich muss Ihnen sagen: Wir haben Großprojekte gemacht – Tunnelbau, Kavernen, Pumpspeicherwerke -, wo ein sehr, sehr aufwendiges Projektmanagement gemacht wurde, mit sogenannten strategischen Planungen, mit Managementinformationssystemen, mit Knowledge-Engineering. Das heißt, man suchte sich überhaupt erst mal alle Wissensgebiete zusammen und versuchte, erst mal richtig zu sortieren: Welches Wissen brauchen wir überhaupt, um eine Lösung finden zu können? Das alles wurde in Gorleben nie gemacht, und meine Interpretation ist: nicht wegen des bösen Willens, sondern das war alles ein bisschen dackelig. Hier hat eine Firma etwas an die andere gegeben, und der Auftragentgegennehmer, nämlich die Behörden, waren dankbar, dass jemand die Arbeit macht, und haben es auch mehr oder weniger aus Unkenntnis abgenickt. Da war eine Unbedarftheit da, die diesen hohen Standard nicht nachvollziehen konnte und ihn auch nicht haben wollte.
Sicherlich ist das lediglich eine Zeugenaussage und keine möglichst objektive Analyse der Erkundungen Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre. Jedoch gibt es einen tiefen Einblick in damaliges staatliches Handeln.
Und das Standortauswahlgesetz?
Bei der Verfolgung des Entstehungsweges des Standortauswahlgesetzes bekommt man einen ähnlichen Eindruck. Das Gesetz wurde durch Parteipolitiken festgezurrt, ohne auf fachliche Ressourcen zurückzugreifen.
Wo sind die wissenschaftstheoretischen Erwägungen, was kann Wissenschaft, was kann sie nicht? Wie werden die Ungewissheiten, wie kann das Nichtwissen berücksichtigt werden? Soll eine komparative Suche nach dem skalaren Nutzwert- oder nach dem vektoriellen Abwägungsansatz durchgeführt werden? Wie zuverlässig sind Prognosen von Geologen?
Nichts davon ist geklärt und die Bevölkerung blieb sowieso außen vor. Wiederholt sich hier die Geschichte? Dackeln wir die nächsten 30 Jahre durch die Bundesrepublik von Wahl zu Wahl und von Standort zu Standort und ergötzen uns an der Unbedarftheit der Behörden wie BfS und BfE?