Schwerste Aufgabe der kommenden Jahre?
In einem Artikel mit dem Titel ENDLAGER-KOMMISSION – Die Mitglieder stehen vor einer der schwersten Aufgaben der kommenden Jahre in der Zeitschrift Parlament fasst Jeannette Goddar die beiden ersten Kommissionssitzungen zusammen. Wartet auf die Kommission wirklich die schwerste Aufgabe? Von außen betrachtet scheint sie schwer zu sein. Dies kommt aber nur dadurch zustande, dass die Kommission sich an die Politik kettet. Das steht so nicht im StandAG.
Beispiel Livestream
Schon allein die technische Anbindung an den Bundestag führt dazu, dass es Schwierigkeiten mit dem Livestream gibt, obwohl es auf dem Gebiet viele Internetservices und Dienstleistungsanbieter gibt. Die können an jedem beliebigen Ort in der Bundesrepublik so etwas organisieren. Siehe MORSLEBEN-KONGRESS des BUND, die Veranstaltungen des Koordinationskreises Asse II und der Fachdialog zu “Gas- und Kohlenwasserstoffvorkommen”.
Beispiel Wortprotokoll
Auch für die Erstellung von Wortprotokollen von den Sitzungen muss nicht der stenografische Dienst des Bundestages beauftragt werden. Bei fast jedem Erörterungstermin nach Bundesimmissionsschutzgesetz wird ein Wortprotokoll erstellt. Dazu gibt es Dienstleister am Markt, die dieses übernehmen. Es zeugt von wenig Erfahrung, wenn man meint, durch Videomitschnitt könne man eine Sitzung verlässlich dokumentieren. Dazu sind die Mikrofonschalter eben doch zu kompliziert zu bedienen. Manchmal versagt sogar eine Kamera oder ein Speichermedium. Und warum sollen die Sitzungen der Endlagerkommission nicht wenigstens so dokumentiert werden wie die Erörterung zu einem etwas größeren Hühnerstall? Sind die Kommissionssitzungen so unwichtig?
Beispiel Sommerpause
Die nächste Sitzung der Kommission ist für den 8. September 2014 angesetzt. Eine solch lange Sommerpause für ein Arbeitsgremium, das sich erst in der Anfangsphase befindet, ist wohl nur möglich, weil es die Gewohnheiten des Deutschen Bundestages blind übernimmt. Ein Wirtschaftsunternehmen mit solch langen Betriebsferien in dieser Situation wäre nicht existenzfähig.
Stimmrecht für die Politik
Warum muss die Übermacht der Politik in diesem Gremium in fast allen Dingen Stimmrecht erhalten? Reicht da nicht das Rederecht? Hat die Politik ein wichtiges Problem identifiziert, was zum Beispiel durch ein Gutachten betrachtet werden sollte, so kann sie doch die anwesenden WissenschaftlerInnen und/oder VertreterInnnen der gesellschaftlichen Gruppen überzeugen, dass dies geschehen solle.
Problem: Massive Einmischung der Politik und fehlender Mut der Wissenschaft
Das Endlagerproblem ist nicht leicht zu händeln, aber das gilt für fast alle Entscheidungen auf der Basis von Unsicherheiten und Nichtwissen. Die Endlagerfrage stellt sich deshalb als so schwierig dar, weil die Politik es immer wieder geschafft hat, sich massiv einzumischen, tiefer einzumischen, als es ihr zusteht. Und die WissenschaftlerInnen hatten und haben nur vereinzelt den Mut, sich dagegen zu wehren. Wo blieb die scientific community bei der Entwicklung des StandAG? Wo blieb das Memorandum der AkEnd-Mitglieder, das die Berücksichtigung ihrer Arbeitsergebnisse bei der Formulierung des StandAG anmahnte?
Von den politischen Fesseln befreien – Bevölkerung einbeziehen – Aktualisierung der AkEnd-Ergebnisse
Bei rationaler Betrachtung der Aufgabe der Endlagerkommission ist der wesentliche Schritt, sich von den politischen Fesseln zu befreien und das umzusetzen, was die Politik versäumt hat und damit Vertrauen systematisch zerstört hat: Öffentlichkeit herstellen und endlich die Bevölkerung einbeziehen. Als nächstes sind viele Regelungen des StandAG wieder zu streichen und auf der Basis der aktualisierten Ergebnisse des AkEnd ein auch wissenschaftlich vertrebares Vorgehen bei der Endlagersuche zu entwickeln.
Gorleben muss aus dem Gesetz gestrichen werden
Dazu gehört zum Beispiel, dass Gorleben aus dem Gesetzestext gestrichen wird. Es muss eine Grundgesamtheit definiert werden, die – wenn gewünscht – Gorleben gleichberechtigt berücksichtigt. Der Standort Gorleben darf also höchstens in der Gesetzesbegründung herangezogen werden.
Die bisherige Umsetzung der drei Aufgaben der Kommission
Mit dem Beschluss der Kommission auf der letzten Sitzung zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Öffentlichkeit und Bürgerbeteiligung“ unter der Leitung von Ralf Meister (Evangelische Kirche in Deutschland) hat sie eine wesentliche ihr übertragene Aufgabe in Angriff genommen. Jedoch zeigt die Diskussion um die der Kommission zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel wenig Verständnis für diese Aufgabe. Wenn über die fünf bis sechs Millionen Euro Jahresbudget gesprochen wird, geht es immer nur um in Auftrag zu gebende Gutachten. Müsste nicht ein erheblicher Teil des Jahresbudgets für die Herstellung der Öffentlichkeit und für Bürgerbeteiligung reserviert werden?
Eine zweite Aufgabe ist ebenfalls teilweise angekommen. Die Ergebnisse des AkEnd werden in diesem Gremium zunehmend positiv gewürdigt.
Allein die Befreiung von den Fesseln der Politik ist bisher vollständig misslungen. Wie in diesem Gremium ein wissenschaftsbasiertes Endlagersuchverfahren konzipiert werden kann, bleibt mehr als fraglich.
Öffentlichkeit, Bürgerbeteiligung, Transparenz, Vertrauen sind leere Worte. Solange im Endlager-Such-Gesetz und in der Endlager-Kommission die gesundheitlichen Risiken der ionisierenden Strahlung im Kontext der atomaren Abfälle nicht explizit behandelt sondern vielmehr tabuisiert werden, ist das Scheitern aller Bemühungen vorprogrammiert.
Bis zu den gesundheitlichen Risiken reicht der Horizont der Politik nicht.
Ansatzweise wird dieses Problem seit Jahren in der SSK beraten, siehe Beitrag Dosisberechnung bei der Langzeitlagerung.. Aber da weiß man nicht, was läuft, denn die SSK-Beratungen sind vertraulich.
Schließlich wird eine Empfehlung veröffentlicht werden und ohne Wenn und Aber vom BMUB als verbindlich übernommen. Eine wissenschaftliche Diskussion kann dann nicht mehr stattfinden. Paradebeispiel ist die SSK-Empfehlung zum ERAM aus dem Jahr 2010.
Als kritisch muss angesehen werden, dass nicht klar wird, ob die SSK mit ihren Empfehlungen Risikoabschätzung oder Risikomanagement betreibt. Man bekommt den Eindruck, dass sie doch eher handfestes Management betreibt, ohne wirklich Risiken valide abzuschätzen. Trotzdem wird sie gern als rein wissenschaftliches Gremium dargestellt.
Deshalb: Fangen wir doch mal auf endlagerdialog.de mit der Diskussion zum Strahlenschutz bei der Endlagerung im Sinne der Risikoabschätzung an!
Ich empfehle als Einstieg in die Problematik z.B. unser Material zum Thema „Genetische Effekte um Nuklearanlagen“:
1) http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/ICB/biostatistics_pdfs/scherb/HELENA_2014_2.pdf (engl.)
2) http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/ICB/biostatistics_pdfs/scherb/FachgespraechVerloreneMaedchenBerlin7.4.2014.pdf
3) http://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/ICB/biostatistics_pdfs/scherb/GeschlechtsverhaeltnisKernaussagenFachgespraechBundestag7.4.2014.pdf
Die Konsequenz aus unseren Beobachtungen ist im wesentlichen, dass der etablierte „Strahlenschutz“ keine bzw. eine falsche (Hiroshima/Nagasaki) empirische Basis hat. Es funktioniert nicht einmal die Handhabung der nuklearen Materialien im Hier und Jetzt. Wo und wie soll es in der (fernen) Zukunft funktionieren?