Bürgerbeteiligung bei der „Neuen Endlagersuche“ – Chance oder reine Akzeptanzbeschaffung?

buchBürgerbeteiligung und Mediation

Die Bücher über Bürgerbeteiligung und Mediation sprießen zurzeit wie die Pilze aus dem Boden. Die einen sehen darin gerade auf kommunaler Ebene ein zukünftiges gesellschaftliches Instrument, was durch Verstetigung gestärkt werden sollte, wie in Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene – Perspektiven für eine systematische und verstetigte Gestaltung (2013).

Andere wenden sich im Wesentlichen an Initiativen und geben Hinweise für gelingende Vermittlung in politischen Konflikten, Politische Mediation – Prinzipien und Bedingungen gelingender Vermittlung in öffentlichen Konflikten (2014).

Mitmachfalle?

Eine Vielzahl warnt aber vor der sogenannten Mitmachfalle und empfehlen, sich nicht in diese locken zu lassen. So das Buch Die Mitmachfalle – Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument (2013). Die grundlegende Argumentation lautet wie folgt (Seite 18):

Merkels „marktkonforme Demokratie“ läuft auf eine von den Bürgern mitgetragene Beteiligungsfassade hinaus. Partizipation wird in erster Linie als Akzeptanzmanagement verstanden, als der Versuch, politisch schwer kalkulierbare Konfrontationen zwischen aufmüpfigen Bürgern und der Staatsgewalt zu vermeiden…

Das breite Bedürfnis nach mehr direkter Demokratie wird in eine Bahn gelenkt, die manches zu verändern erlaubt, die grundsätzliche Verteilung von Macht und Eigentum aber nicht in Frage stellt.

Später geht der Autor auch auf die Endlagerung ein. Nachdem die Ereignisse der Verweigerung zum Forum Standortauswahlgesetz (31.05. – 02.06.2013) auf Seite 151 geschildert wurden, werden auf Seite 152 doch noch Voraussetzungen einer sinnvollen Beteiligung formuliert.

Inwiefern es dafür sinnvoll sein kann, sich auch innerhalb der von der Beteiligungsindustrie bereitgestellten Mitmachformen zu artikulieren, ist eine Frage, die nur in der Praxis, am konkreten Fall erörtert werden kann. Womöglich lassen sich in dem einen oder anderen Fall die zur Einbindung der Bürgerproteste gedachten Verfahren umdrehen und zum Zwecke der Aufklärung und Gegenmobilisierung nutzen. Dafür ist es jedoch notwendig, dass der Widerstand einen stabilen eigenen Organisationskern entwickelt hat, von dem aus er seine Ideen und Interventionen entwickeln kann.

Andere sprechen sich schon im Buchtitel wider eine Beteiligung aus, Strategische Einbindung – Von Mediationen, Schlichtungen, runden Tischen… und wie Protestbewegungen manipuliert werden. Beiträge wider die Beteiligung (2014)

Und vor zehn Jahren

Oft wird diese Diskussion als neu dargestellt. Geht man jedoch zehn Jahre zurück, so stößt  man zum Beispiel auf den Klassiker Die Kunst, sich nicht über den Runden Tisch ziehen zu lassen – Ein Leitfaden für BürgerInneninitiativen in Beteiligungsverfahren (2003) (verfügbar als PDF). Beim Lesen fallen folgende Stellen auf:

Seite 37f
Die folgende Liste mit Fairnessprinzipien kann unter Umständen dabei helfen, ein ungutes Gefühl zu klären, das man angesichts eines konkreten Beteiligungsangebotes empfindet….

Neutralität der Sitzungsleitung bzw. Moderation: Von wem wurde die Sitzungsleitung bzw. Moderation beauftragt? Ist die Sitzungsleitung genügend unabhängig von den EntscheidungsträgerInnen? Was ist über die ModeratorInnen bekannt?

Seite 72f
Der günstigste Fall ist, wenn allen Beteiligten des Verfahrens rechtzeitig die Möglichkeit gegeben wird, Vorschläge für die Sitzungsleitung einzureichen und sich dann gemeinsam auf eine moderierende Person zu einigen….

Ergibt die Recherche der BürgerInneninitiative zur entsprechenden moderierenden Person nun Anlass zur Vermutung, dass die Moderation nicht unparteilich sein könnte, ist es ratsam, diese Befürchtungen umgehend zu äußern, Stellungnahmen der Verwaltung und der Moderatorin oder des Moderators einzuholen und gegebenenfalls eine alternative Besetzung der Moderation einzufordern.

Um die Neutralität sicher zu stellen, können InitiatorInnen auf die Idee verfallen, ModeratorInnen-Teams einzusetzen, in denen unterschiedliche Konfliktpositionen repräsentiert sind. Das ist jedoch keine er folgversprechende Lösung. Solche Teams sind anfällig für Lähmung durch interne Differenzen und werden es schwer haben, die Moderationsaufgabe souverän zu erfüllen (vgl. das Verfahren um den Frankfurter Flughafenausbau). Am geeignetsten ist eine Person, die von dem Konflikt überhaupt nicht betroffen und mit keiner der Konfliktparteien finanziell, politisch oder persönlich verbunden ist.

Vorsitz Endlagerkommission

Das Letztere kommt einem doch bekannt vor! War das nicht genau die Argumentation bei der Doppelbesetzung des Vorsitzes der Endlagerkommission? Die in der Zeit der Entstehung des Endlagersuchgesetzes als Umweltstaatssekretärin tätige Frau Heinen-Esser sollte durch eine zweite Person – Herrn  Müller – neutralisiert werden.

Beteiligung am Standortsuchverfahren?

Der Leitfaden aus dem Jahr 2003 würde eine Beteiligung an solch einem Gremium nicht empfehlen. Hoffentlich ist das Vorgehen bei der Einsetzung der Endlagerkommission nicht ein Vorzeichen für die gesamte Beteiligung – Bürgerbeteiligung – am Standortsuchverfahren. Sollte dies der Fall sein, wäre vor einer Beteiligung zu warnen. Dann läge der Verdacht einer reinen Akzeptanzbeschaffung sehr nahe.

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