Schlechte Kopie der AkEnd-Empfehlungen zu erwarten
Die bisherige Arbeit der Endlagerkommission verspricht wenig Gutes. Wenn es optimal läuft, wird am Ende eine Kopie der Empfehlungen des AkEnd stehen. Zu befürchten ist, dass es sich um eine schlechte Kopie handeln wird. Auch wird man einem gesellschaftlichen Konsens nicht näher gekommen sein, denn in der Kommission ist weder Sachverstand im Bereich Transparenzherstellung und Öffentlichkeitsarbeit vorhanden noch standen rechtzeitig externer Sachverstand und Instrumente dafür zur Verfügung.
Politischer, gesellschaftlicher und fachlicher Konsens
Der AkEnd-Vorschlag scheiterte, da der angebliche fachliche Konsens in Form der Empfehlungen nicht auf politischen Konsens traf. Beim Standortauswahlgesetz wird immer wieder stolz auf den politischen Konsens hingewiesen. Bei näherer Betrachtung stellt sich dieser aber als Scheinkonsens heraus. Erinnert sei an die offen dargelegte Verlogenheit kurz nach der Verständigung am 09.04.2013 und die diversen Äußerungen aus den Bundesländern. Insofern ist das Herausstellen der Widerstände der Energieversorger in Form von Klagen als Ablenkungsmanöver zu sehen. Die eigentlichen Widersacher sitzen in den Bundesländern, was die ungelöste Zwischenlagerfrage der restlichen Castorbehälter aus Sellafield und La Hague bis heute exemplarisch zeigt.
Wissenschaftstheorie – Rollen von Wissenschaft und Politik
Wissenschaftstheoretisch hatte die AkEnd-Arbeit den Vorteil, dass hier versucht wurde, der Politik und den Wissenschaften getrennte Rollen zuzuweisen. Auf der Grundlage fest umrissener politischer Vorgaben wurde auf fachlicher Ebene ein Konzept inklusive Alternativen erarbeitet, die der Politik und der Gesellschaft zur Entscheidung und Umsetzung vorgelegt wurde. Die zurzeit arbeitende Endlagerkommission bewegt sich dagegen in einem Brei aus Partei-, Landes- und Verbandspolitik sowie Juristerei und Wissenschaft. Eine Strukturierung des Breis wird von keiner Seite versucht.
Bild der deterministischen Wissenschaften
Sowohl AkEnd als auch Endlagerkommission waren und sind dem Bild der deterministischen Wissenschaften verhaftet, was wissenschaftstheoretisch in vielen Bereichen nicht mehr als tragbar angesehen wird. Dies ist erst recht so bei der anstehenden Frage der Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle. Es geht hier um Prognosen über etwa 10 Millionen Jahre, die wohl bezüglich radioaktiven Zerfalls als gesichert angesehen werden können (siehe Konstanz der Feinstrukturkonstante: Claire Bowles 2004). Anders ist dies bei der Prognose des Rückhaltevermögens in einem Langzeitlager in tiefen geologischen Formationen und erst recht bei einer anderen Lagerform.
Unsicherheiten und Nichtwissen spielen eine entscheidende Rolle
Bei der Prognose geologischer Vorgänge über diesen Zeitraum spielen Unsicherheiten und Nichtwissen eine maßgebliche Rolle. Wissenschaftstheoretisch ist es folglich bei diesem Problem nicht angemessen, eine geologische Formation an einem einzigen Standort auszuwählen. Hier kann wohl geowissenschaftlich die Eintrittswahrscheinlichkeit verschiedener Prozesse grob abgeschätzt werden.
Subjektive und objektive Stochastik
Die hilft aber nicht wirklich weiter, da wir uns im Bereich der subjektiven Stochastik befinden (siehe De Finetti, B.(1990). Theory of Probability – A critical introductory treatment oder zum Einstieg Schurz, G.(2006). Einführung in die Wissenschaftstheorie, S. 99ff.). Insofern ist auch das übliche Vorgehen der Unterscheidung von wahrscheinlichen und weniger wahrscheinlichen Prozessen und der Ansatz unterschiedlicher Grenzwerte – wie in den Sicherheitsanforderungen Punkte 6.1 und 6.3 – nicht zielführend (siehe Niederschrift über den Erörterungstermin in dem Planfeststellungsverfahren zur Stilllegung des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben, S. 6-51 bis 6-60).
Um dies zu verändern, muss man der objektiven Stochastik eine Chance geben. Statt einen muss man mehrere Standorte suchen. Insofern ist § 19
(1) Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung schlägt auf Grundlage der durchgeführten Sicherheitsuntersuchungen nach § 18 Absatz 3, des Berichtes nach § 18 Absatz 4 und unter Abwägung sämtlicher privater und öffentlicher Belange sowie der Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung vor, an welchem Standort ein Endlager für insbesondere Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle errichtet werden soll (Standortvorschlag)….
zu ändern in
(1) Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung schlägt auf Grundlage der durchgeführten Sicherheitsuntersuchungen nach § 18 Absatz 3, des Berichtes nach § 18 Absatz 4 und unter Abwägung sämtlicher privater und öffentlicher Belange sowie der Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung vor, an welchen Standorten Endlager für insbesondere Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle errichtet werden sollen (Standortevorschlag)….
Vorschlag von Kromp und Lahodynsky
Einen ähnlichen Vorschlag haben bereits Wolfgang Kromp und Roman Lahodynsky im Jahr 2004 auf einem ITAS-Workshop in kritischer Würdingung der AkEnd-Empfehlungen vorgetragen (Die Suche nach dem Endlager – “Make Things Small”, in: P. Hocke und A. Grunwald (Hrsg.), Wohin mit dem radioaktiven Abfall? – Perspektiven für eine sozialwissenschaftliche Endlagerforschung, S. 63-81). Darin werden für die dezentrale Langzeitlagerung folgende fünf Gründe angegeben:
- Erreichung von Akzeptanz durch faire Verteilung des Risikos auf mehrere Standorte.
- Durch geringere Einlagerungsmenge verringert sich die Terrorismusgefahr.
- Das einzelne Lager könnte aufgrund der geringeren Abfallmenge im Falle des Unbrauchbarwerdens schneller geräumt werden.
- Durch die Mengenreduzierung könnte der extreme Freisetzungsfall einigermaßen verkraftbar und damit verantwortbar sein.
- Die kleinen Lager können von kleinen kommunalen Einheiten gehandhabt werden und setzen nicht die organisatorische Potenz großer Staatsgebilde voraus.
Zwei wichtige Statements von Kromp und Lahodynsky sind:
Die Räumung eines unbrauchbar gewordenen Lagers wäre machbarer, wenn beispielsweise jedes Bundesland mit einem Lager zur Dezentralisation der Schadstoffe beitragen würde.
Der hier propagierte Ansatz hat jedoch inhärente Vorteile. Dazu gehören die Risikoverteilung ebenso wie die Risikostreuung durch eine relativ hohe Zahl von Standorten mit begrenzten Einlagerungsmengen („Not all eggs in one basket“).
Abwendung vom Determinismus – Hinwendung zur Wissenschaftstheorie
Die Endlagerkommission sollte sich vom überholten Determinismus abwenden und ein wenig Wissenschaftstheorie verinnerlichen. Weiterhin sollten die wirklichen Verhinderer einer wissenschaftsbasierten Langzeitlagersuche direkt angesprochen werden, und dies sind nicht die Energieversorger.
Dezentrale Tagung der Kommission in den Bundesländern
Ein erster Ansatz wäre die Tagung der Kommission in den einzelnen Bundesländern, bei denen die Verstrickung des entsprechenden Bundeslandes in die Atommüllfrage geklärt wird: Welche Abfallmengen werden zurzeit auf dem Gebiet des Bundeslandes gelagert, welche Mengen werden noch dazukommen, welche Mengen sind durch Umgang mit radioaktiven Stoffen im Land erzeugt worden, welche Mengen gehen durch Stromverbrauch bis 1998 zwangsweise (Energiewirtschaftsgesetz) und nach 1998 freiwillig auf das Konto des Bundeslandes?
Vorhandene tiefengeologische Lager und Benennung der drei bestmöglichen Lagerstandorte
Weiterhin sollte unter Hinzuziehung der landesgeologischen Dienste aufgezeigt werden, welche geologischen Lager im Land für Erdöl, Erdgas, Druckluft, Abfälle und anderes betrieben, genehmigt und geplant sind. Schließlich sollte jedes Land die drei bestmöglichen tiefengeologischen Lagerstandorte im eigenen Land benennen. Dazu liegen den Ländern die originären geologischen Daten in den landesgeologischen Ämtern vor, und zu den Auswahlkriterien gibt es einschlägige wissenschaftliche Unterlagen, die auch eine gewisse Pluralität aufzeigen. Die Information, welche Kriterien bei der Auswahl der drei Standorte vom Land angewandt wurden, ist deshalb für die Endlagerkommission wichtiger als die Standorte selbst.
Breite Beteiligung an der Diskussion ist gesichert
Der Vorteil dieses Vorgehens liegt schon darin, dass aufgrund der Betroffenheit eine breite Beteiligung an den Diskussionen abgesichert ist. Weiterhin können hier praxistaugliche Mindest- und Vergleichskriterien herausgefiltert werden, denn in den landesgeologischen Ämtern ist eine pluralistische scientific community versammelt. Durch den breiten Ansatz wird auch klar werden, ob landespolitische Einflussnahme auf die geologischen Ämter ausgeübt wird.
Die 48 Standorte bieten tiefen Einblick in die geologische Struktur und in die Arbeitsweise der geologischen Landesämter
Die Benennung von Standorten ist richtigerweise nicht Aufgabe der Endlagerkommission. Schließlich wäre es wohl vermessen, Langzeitlager an 3 mal 16 Standorten zu planen. Aber diese 48 Standorte bilden eine interessante Ausgangsbasis, die einen tiefen Einblick in die geologische Struktur der Bundesrepublik und in die Arbeitsweise der landesgeologischen Ämter bieten kann. Ob diese mit der Sicht der BGR übereinstimmt, wäre eine interessante Erkenntnis.