61. NBG-Sitzung mit Schwerpunkt Gutachterstellungnahmen
Am 12.04.2022 fand die 61. Sitzung des NBG statt. Schwerpunkt waren Stellungnahmen von Gutachtern im Auftrag des NBG zu den Vorschlägen der BGE zu der Methode der Sicherheitsuntersuchungen in Phase 1 des Standortauswahlverfahrens und zur Lage bei den Geologiedaten – siehe Youtube-Video 2:00:16 bis 4:14:10.
Blick in die 700-seitige Methodenbeschreibung lohnenswert
Ein wesentliches Ergebnis ist, dass es lohnenswert ist, in das gut 700 Seiten umfassende Papier der Methodenbeschreibung und nicht nur in das kurze Papier zum Methodenkonzept zu schauen. Darin ist wesentlich mehr enthalten als von der BGE bisher in der Öffentlichkeit vorgetragen wurde. Eine erste Hilfestellung zum Einstieg in das Langpapier wurde im Beitrag In vier Schritten durch die BGE-Papiere zum Methodenvorschlag versucht.
Fehlinformationen zum schwedischen Weg
Bei der Diskussion mit dem Bundestagsabgeordneten Klaus Wiener (CDU) vor diesem Tagesordnungspunkt war schon erstaunlich, welche Fehlinformationen immer noch kursieren. So wurde wieder das Beispiel Schweden angeführt mit der angeblichen Freiwilligkeit bei der Standortentscheidung. Es fehlte wieder der erste gescheiterte Versuch, einen Endlagerstandort zu finden. Erst im zweiten Anlauf nach Suche allein in den schwedischen nuclear communities (Maria Rosaria Di Nucci: NIMBY oder IMBY Akzeptanz, Freiwilligkeit und Kompensationen in der Standortsuche für die Endlagerung radioaktiver Abfälle, Seite 139) führte dann zum bekannten Ergebnis – nachzulesen in Sundqvist, G.(2002). The Bedrock of Opinion. Science, Technology and Society in the Siting of High-Level Nuclear Waste – siehe auch hier.
Rückholung und Bergbarkeit werden verwechselt
Erstaunlich ist auch, dass immer wieder die Rückholung während des Betriebs des Endlagers mit der Bergbarkeit über 500 Jahre verwechselt wird.
Paradigmenwechsel ist nicht der Übergang von Stratigraphie zu Lithologie
Offenbar wurde auch teilweise der von der BGE postulierte Paradigmenwechsel fehlinterpretiert. Es ist damit nicht der Übergang der vorwiegend stratigaphischen Sichtweise beim Zwischenbericht Teilgebiete zur lithologischen Sichtweise bei der Geosynthese gemeint, sondern der Wechsel von der konservativen Abschätzung pro Eignung zum best estimate-Ansatz – siehe Methodenbeschreibung S. 240, 2. und 3. Absatz.
Umgang mit den Gebieten mit nicht hinreichender Datenlage
Ein wesentlicher Kritikpunkt war die Definition und das vorgesehene Verfahren bei Gebieten ohne hinreichende Datenlage nach § 14 Abs. 2 Satz 2 StandAG. Offensichtlich reichen die Darlegungen in Kapitel 5.1.4 der Methodenbeschreibung und das darin enthaltene Beispiel 33 nicht aus. Erstaunlich ist, dass bei der Kategorisierung in A, B, C, und D diese Gebiete nicht erwähnt werden.
Diversität und Redundanz gehen munter durcheinander
Verwirrend war die Diskussion über mehrfache geologische Barrieren. Hier gingen die Begrifflichkeiten Diversität und Redundanz munter durcheinander. Weiterhin wurde eine direkte Überlagerung von unterschiedlichen Barrieregesteinen als relativ unrealistisch dargestellt, obwohl die zurzeit in Deutschland betriebenen Endlager für chemotoxische Abfälle alle eine Doppelbarriere aus Steinsalz und Tonstein besitzen. Ideal wäre nach Meinung von endlagerdialog.de noch – als Schutz vor Eiszeiten – eine Abdeckung aus hartem Kristallingestein, was aber aus geologischen Gründen nicht vorkommt.
Auslegungstemperatur – wer muss hier Klarheit schaffen?
Die Frage der Auslegungstemperatur wurde angesprochen, insbesondere auf der Grundlage der Fußnote 11 auf Seite 39 des Papiers zum Methodenkonzept:
11 Die BGE arbeitet an einem Vorschlag für eine Aktualisierung dieser Auslegungstemperatur.
Dies geht zurück auf die Festlegung in § 27 Abs. 4 StandAG:
Solange die maximalen physikalisch möglichen Temperaturen in den jeweiligen Wirtsgesteinen aufgrund ausstehender Forschungsarbeiten noch nicht festgelegt worden sind, wird aus Vorsorgegründen von einer Grenztemperatur von 100 Grad Celsius an der Außenfläche der Behälter ausgegangen.
Erörtert wurde dabei nicht, welcher Akteur für die Durchführung der wissenschaftlichen Erarbeitung dieser wichtigen Grundlage zuständig ist. Es sollte nicht der operator – also nicht die BGE – sein, denn sie würde damit die Regeln aufstellen, nach denen sie verfahren muss. Es ist im Wesentlichen die Aufgabe des regulators – des BaSE. Dieses Amt hatte zwar bereits im Jahr 2017 eine Studie dazu in Auftrag gegeben – Endbericht siehe hier, dies reicht aber nicht aus. Es muss ein wissenschaftlicher Arbeits- und Diskussionsprozess über mindestens zwei Jahre gestartet werden und zumindest zwei bis drei Tagungen durchgeführt werden. Das Ergebnis muss dann zusammengefasst werden und eine Entscheidung der Administration – also dem BMUV – vorgeschlagen werden.
Reichweite der Endlagerdiskussion
Bemängelt wurde die immer noch geringe Reichweite der Endlagerdiskussion in der Zivilgesellschaft. Auch hier ist das BaSE in der Rolle als Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig. Aber seit dem 5 Mio. EUR Auftrag an Scholz & Friends beobachtet man in dieser Sache kaum noch Aktivitäten des BaSE.
Mangelhafte Aufbereitung von Fachwissen durch das BaSE
Zwei NBG-Mitglieder äußerten sich über die mangelhafte Arbeit zur Öffentlichkeitsbeteiligung des BaSE. Vermisst wird die über die Informationsarbeit der BGE hinausgehende Vermittlung von verständlich aufbereitetem Fachwissen, die nicht Aufgabe der BGE sein kann. Das BaSE kann sich nicht nur auf das Forum Endlagersuche zurückziehen, das vom Planungsteam organisiert wird.
Informationen gegen hohe Gebühren?
Schließlich wurde von NBG-Mitgliedern noch der IFG-Antrag von endlagerdialog.de angesprochen (Video 5:20:40), wo Informationen nur gegen hohe Gebühren zur Verfügung gestellt werden sollen – siehe hier. Das BaSE konnte dazu nicht konkret Stellung nehmen. Zugesagt wurde, diesem Fall nachzugehen. Allgemein wurde mitgeteilt:
…weil für das BaSE natürlich wichtig ist, dass wir transparent agieren und dass auch alle Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wir wollen da auch gar nichts verbergen….
Die IFG-Verfahren, die endlagerdialog.de bisher gestartet hat, zeigen eine andere Realität.