Wie das Radionuklidspektrum über die Planfeststellung hinaus erweitert wurde

Pressekonferenz am 21.05.2007

Bereits am 21.05.2007 verkündete der damalige Bundesumweltminister Gabriel auf einer Pressekonferenz, dass etwa 20 % der schwach wärmeentwickelnden Abfälle nach der Planfeststellung nicht in Konrad endgelagert werden könnten. Das BMU verlautbarte dann am 12.02.2009, dass die Endlagerungsbedingungen für Konrad bis März 2009 revidiert sein werden.
Dazu erschien – datiert mit 14.07.2009 – eine kurze Meldung im Internetauftritt des Betreibers des Endlagers Konrad. Die revidierte Fassung der Endlagerbedingungen ist seit 2011 auch im Internet verfügbar.

Genehmigungsbehörde hat nicht das Sagen

Befremdlich ist, dass nicht die Genehmigungsbehörde – das Umweltministerium Niedersachsen – , sondern die Endlagerüberwachung im BfS der Ergänzung der Endlagerungsbedingungen zustimmt und damit verbindlich macht. Schließlich hatte Herr Gabriel auf der oben genannten Pressekonferenz ein Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit zugesagt, „soweit dies irgendmöglich ist“.

BfS zeigt Lücken beim Basiswissen zum Strahlenschutz

Die Endlagerüberwachung hat zur Beurteilung des „Veränderungsantrags Nr. 002 vom 03.03.2009 – Ergänzung der Endlagerungsbedingungen Konrad (Radionuklide)“ den TÜV Nord einbezogen, der eine Stellungnahme abgegeben hat. Bemängelt wird eine erstaunliche Aussage des BfS auf Seite 43 des Grundlagenpapiers:

K-40 ist als natürlich vorkommendes Radionuklid auch im menschlichen Körper vorhanden. Seine Aktivität wird homöostatisch kontrolliert, d. h. eine erhöhte Ingestion von K-40 führt nicht zu einer Aktivitätserhöhung im menschlichen Körper. Dieser Sachverhalt relativiert die sicherheitstechnische Bedeutung von K-40 einschließlich der deklarierten Summenaktivität.

Dazu die Richtigstellung des TÜV (Stellungnahme S. 6/7):

Zu K-40 ist anzumerken, dass nicht K-40 im menschlichen Körper homöostatisch geregelt ist, sondern der gesamte Kaliumgehalt. Eine Zufuhr von K-40 bzw. von Kalium, das nicht der natürlichen Isotopenzusammensetzung entspricht, kann sehr wohl zu einer Erhöhung der Aktivität von K-40 im menschlichen Körper führen.

Da ist die Frage durchaus berechtigt, ob die für Strahlenschutz zuständige Bundesoberbehörde BfS Vertrauen verdient, wenn solche Grundzüge des Strahlenschutzes nicht parat sind?

Abschätzungen nur auf der Ebene der Aktivitäten

Ansonsten vermisst man sowohl in dem Grundlagenpapier Überprüfung des Radionuklidspektrums aus den Endlagerbedingungen Konrad (Teil 1, Teil 2, Teil 3) als auch in der Stellungnahme des TÜV Nord konkrete numerische Abschätzungen der potenziellen Wirkungen der zusätzlichen Radionuklide insbesondere im Hinblick auf die Betrachtung der Langzeitsicherheit. Es wird sich allein auf die Aktivität bezogen, weder Dosiskoeffizienten noch Dosiskonversionsfaktoren der Radionuklide werden betrachtet.

Abwägungen zumindest auf der Ebene der Radiotoxizität notwendig

Nimmt man alle zusätzlich erlaubten Radionuklide mit mehr als tausend Jahren Halbwertszeit und betrachtet die maximal auftretende Schädigung durch vollständige Freisetzung nach 300.000 Jahren, so erhält man die in der folgenden Tabelle aufgelistete maximale Anzahl strahlengeschädigter Personen (tödliche Krebsfälle, nicht tödliche Krebsfälle, gravierend Erbgutgeschädigte).

Radio-
nuklid
Halb-
werts-
zeit


[Jahre]
Strahler-
art
max. Aktivität
pro
10,88 m3-
Container
[Bq]
max. Ein-
lagerungs-
aktivität


[Bq]
Aktivität nach
300.000
Jahren

[Bq]
max.
Dosis-
koeffizient


[Sv/Bq]
max.
Radio-
toxizität


[Sv]
max. Anzahl
Strahlen-
geschädigter
(7,3 % pro Sv nach ICRP(1991))
AI-267,20E+05Beta/Gamma2,80E+097,80E+135,84E+133,40E-081,99E+061,45E+05
Bi-2083,70E+05Beta/Gamma2,80E+097,80E+134,45E+13
Bi-210m3,00E+06Alpha5,20E+071,45E+121,35E+122,10E-072,84E+052,07E+04
Cm-2501,10E+04Alpha5,20E+071,45E+128,93E+037,80E-056,97E-015,09E-02
Ho-166m1,20E+03Beta/Gamma2,80E+097,80E+134,31E-622,60E-081,12E-698,18E-71
K-401,30E+09Beta/Gamma2,80E+097,80E+137,80E+136,20E-084,83E+063,53E+05
Kr-812,10E+05Beta/Gamma2,80E+097,80E+132,90E+13
Mn-533,70E+06Beta/Gamma2,80E+097,80E+137,37E+134,10E-103,02E+042,21E+03
Nb-923,20E+07Beta/Gamma2,80E+097,80E+137,75E+13
Np-236m1,20E+05Beta/Gamma2,80E+097,80E+131,38E+13
Tc-974,00E+06Beta/Gamma2,80E+097,80E+137,40E+139,90E-107,33E+045,35E+03
Th-2297,90E+03Alpha5,20E+071,45E+125,36E+001,10E-055,90E-054,31E-06

Die Zahl bei K-40 ist mit Vorsicht zu betrachten. Hier ist nicht klar, ob K-40 wirklich in einem Isotopenverhältnis auftritt, das höher als das natürliche ist. Doch schon das Radionuklid Al-26 kann bei bis zu 145.000 Personen zu gravierenden Strahlenschäden führen. Es sollten also zumindest auf der Ebene Radiotoxizität Abwägungen durchgeführt werden.

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