Anmerkungen zu „Salzstock Gorleben bleibt erste Wahl“ (Merkel 1995)

Zwei Studien der BGR von 1994/95

Die Pressemitteilung vom 28.08.1995 kann schon als legendär bezeichnet werden. Die damalige Bundesumweltministerin stellte Studien zu untersuchungswürdigen Standorten für Atommüll-Endlagerung in Salz und Kristallingestein vor. Dazu heißt es in der Pressemitteilung:

In der Koalitionsvereinbarung zur 12. Legislaturperiode wurde zwischen CDU/CSU und FDP eine Erkundung möglicher weiterer Standorte für hochaktive, stark wärmeentwickelnde Abfälle vorgesehen.

Der Maulkorb von 1985

Zehn Jahre früher wurde der damals zuständigen Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt nach Meldung der Frankfurter Rundschau vom 25.07.1985 ein Maulkorb verhängt.

HANNOVER, 24. Juli. Die Bundesregierung hat der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) untersagt, Überlegungen anzustellen, ob als Alternative zum Gorlebener Salzstock auch andere mögliche Endlagerstätten für Atommüll erkundet werden sollten. Professor Helmut Röthemeyer von der PTB bestätigte am Mittwoch die Existenz dieser Weisung und bezeichnete sie als eine „unangenehme Sache“.

Die unterdrückten Informationen

Die Studien von 1995 waren also eine Möglichkeit, die unterdrückten Informationen nun endlich loszuwerden. Dies ist von der BGR auch sehr offensiv genutzt worden, denn sogar in der veröffentlichten Version der Salzstudie ist auf Seite 18 zu lesen:

Große Aufmerksamkeit wurde – in Abweichung von den zitierten Studien aus den 80er Jahren – der Barriere-Funktion des Deckgebirges gewidmet. Eine flächenhafte Überdeckung des Caprock einer Salzstruktur mit wasserhemmenden Unterkreidetonen und einer ungestörten Decke aus Sedimenten der Oberkreide und des Alttertiärs (z. B. Rupel-Tone) würde ein optimales geologisches Barriere-System darstellen. Dies ist aufgrund der für das Bergwerkskonzept geforderten geringen Tiefenlage des Caprock im allgemeinen nicht gegeben. Jedoch erscheint auch eine unverritzte und möglichst ungestörte Überdeckung allein durch die Tone des Alttertiär (Eozän, Rupel) akzeptabel.

Verschiedentlich durchschneiden jedoch quartäre Rinnen, die sich in Ausnahmefällen über 500 m in die quartären und präquartären, insbesondere die tertiären Sedimente eintiefen können, die Dachregion der Diapire und verletzen diese geologischen Barrieren.

Hier wird offensichtlich der Standort Gorleben mit seiner durchlöcherten Tonschicht und der Gorlebener Rinne aufs Korn genommen. Direkt erwähnt wird Gorleben in der Studie jedoch nicht. Und trotzdem wird in der Pressemitteilung zitiert:

„Die Untersuchungsergebnisse der BGR zeigen für mich, daß es keinen Grund gibt nach Ersatzstandorten zu suchen. Gorleben bleibt erste Wahl,“ erklärte Ministerin Merkel.

Die Wichtigkeit einer Tonschicht über dem Salz

Wie wichtig eine Tonschicht über dem Salz ist, geht auch aus PR-Schriften zu Untertagedeponien hervor. So wird zur Untertagedeponie Herfa-Neurode ausgeführt:

Das Zechstein-Salinar ist vor 250 Millionen Jahren entstanden. In dieser Zeit verdunstete salzhaltiges Meerwasser durch starke Sonneneinstrahlung. So entwickelten sich Salzschichten, die zunächst durch eine insgesamt rund 100 Meter mächtige Schichtenfolge aus wasserundurchlässigem Ton und anschließend von Buntsandstein überlagert wurden. Durch die Tonüberdeckung ist die Salzlagerstätte gegen die wasserführenden überlagernden Schichten abgeschlossen und daher seit 250 Millionen Jahren im wesentlichen unverändert geblieben. Diese besonders vorteilhaften geologischen Voraussetzungen waren der Grund, die Untertage-Deponie an dieser Stelle einzurichten. Vor etwa 20 Millionen Jahren wurde die Lagerstätte an vielen Stellen von Basaltgängen und -schloten durchschlagen. In dieser Zeit entstanden auch die Basaltkuppen der benachbarten Rhön. Trotz der gewaltigen thermischen und tektonischen Beanspruchungen blieben die Salzschichten praktisch unverändert, nur in Nähe der Basaltgänge drang Kohlendioxidgas (CO2) in das Salz ein.

Zur geologischen Situation bei der Untertagedeponie Zielitz heißt es:

Die Lagerstätte des Kaliwerkes Zielitz befindet sich auf der „Scholle von Calvörde”. Sie entstand, wie alle Salzvorkommen der Zechsteinzeit, vor ca. 250 Millionen Jahren durch die Verdunstungsablagerungen eines weiträumigen Binnenmeeres. Die dabei abgesetzten Salzschichten erreichen Mächtigkeiten bis zu 500 Metern und sind von starken wasserundurchlässigen Tonschichten gegen die darüberliegenden Grundwasser-Horizonte abgedichtet. Diese natürlichen Barrieren sind seit Jahrmillionen ein zuverlässiger Schutz gegen Auslaugung. Sie sind gleichzeitig eine entscheidende Voraussetzung für einen langzeitsicheren Deponiebetrieb.

Von den Sondermüll-Untertagedeponien lernen


Sicherlich ist es interessant, sich die Standorte der fünf genehmigten Sondermüll-Untertagedeponien in Deutschland kritisch anzusehen.

Untertagedeponien in Deutschland [hier Seite 49]

UntertagedeponieBundeslandFormationUnternehmen
Herfa-Neurode Hessen Kalisalz K+S
Zielitz Sachsen-Anhalt
Kalisalz K+S
Heilbronn
Baden-Wuerttemberg Steinsalz SWS
Sondershausen Thueringen
Kalisalz GSES GmbH
Niederrhein Nordrhein-Westfalen Steinsalz K+S

Vielleicht kann ja etwas für die Endlagerung radioaktiver Abfälle gelernt werden. Auch das Lernen aus der Atommülldiskussion für die Sondermüllendlagerung ist dabei erlaubt, siehe auch Artikel Funktionierende Endlagerung.

2 Gedanken zu „Anmerkungen zu „Salzstock Gorleben bleibt erste Wahl“ (Merkel 1995)

  1. Frau Merkel hat die BGR-Studien 1995 öffentlich in missverständlicher Weise mit Gorleben in Verbindung gebracht. Sie bezeichnete das heute vor dem Untersuchungsauschuss als “Zusammenziehung”. Auf die Nachfrage von Frau Vogt, SPD, warum sie dies heute so klar darstellen könne, kam die Antwort: “Weil ich damals noch nicht so perfekt war wie heute” und die Ergänzung “Sprachlich versuche ich mich weiterzuentwickeln.”
    Es bleibt die Frage: War es damals eine versehentliche sprachliche Unkorrektheit, oder stand dahinter die Absicht, die Öffentlichkeit durch Falschaussagen zu beruhigen?

    Hätte sie die Salzstudie bis Seite 18 gelesen, hätte sie erkannt, dass die Wissenschaftler der BGR sich indirekt gegen Gorleben ausgesprochen hatten.

    Es wird Zeit, dass Wissenschaftler den Mut finden, auch in kontroversen politischen Feldern klar ihre fachlichen Position zu formulieren.
    Siehe http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1877883/

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