Standorte oberirdischer Zwischenlager
Oberirdische Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle wurden bundesweit dezentral an Kernkraftwerksstandorten und zentral bei Ahaus, Gorleben und Greifswald errichtet. Weiterhin lagern in Jülich die abgebrannten Brennelemente des AVR-Reaktors. Siehe Bericht zur Nuklearen Entsorgungskonvention.
- Kernkraftwerk Biblis (KWB), Hessen
- Kernkraftwerk Brokdorf (KBR), Schleswig-Holstein
- Kernkraftwerk Brunsbüttel (KKB), Schleswig-Holstein
- Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (KKG), Bayern
- Kernkraftwerk Grohnde (KWG), Niedersachsen
- Kernkraftwerk Gundremmingen (KRB), Bayern
- Kernkraftwerk Isar (KKI), Bayern
- Kernkraftwerk Krümmel (KKK), Schleswig-Holstein
- Kernkraftwerk Emsland (KKE), Niedersachsen
- Kernkraftwerk Neckarwestheim (GKN), Baden-Württemberg
- Kernkraftwerk Philippsburg (KKP), Baden-Württemberg
- Kernkraftwerk Unterweser (KKU), Niedersachsen
- Kernkraftwerk Obrigheim (KWO), Baden-Württemberg
- Ahaus, Nordrhein-Westfalen
- Gorleben, Niedersachsen
- Greifswald (ZLN), Mecklenburg-Vorpommern
- Jülich, Nordrhein-Westfalen
Mittelfristiges Risiko
Welches Risiko geht von diesen Zwischenlagern aus? Eine direkte Freisetzung radioaktiver Stoffe kann beim heutigen Zustand der Behälter ausgeschlossen werden. Aber Michael Sailer entwickelte in einem Essay folgendes Zukunftsszenario:
Schauen wir einmal ins Jahr 2080. In Deutschland gibt es 16 Zwischenlager [hier ist wohl Jülich nicht berücksichtigt] für abgebrannte Brennelemente und anderen wärmeentwickelnden radioaktiven Abfall. Außerdem gibt es um die drei Dutzend größere und große Zwischenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle. Die meisten stehen auf dem Gelände ehemaliger Kernkraftwerke oder Forschungsanlagen. Einige haben das 100-jährige Betriebsjubiläum bereits hinter sich, die anderen nähern sich dem mit großen Schritten. Der technische Zustand ist entsprechend: veraltete Technologie, Behälter schon jenseits der geplanten Lebensdauer mit Alterungsproblemen, unbekannter Zustand der Abfälle. Sieht so unsere reale nukleare Zukunft aus?
Um in dieser Lage eine Freisetzung auszuschließen, wird eine Infrastruktur in einer funktionsfähigen Gesellschaft benötigt. Und so fragt Michael Sailer weiter:
An welchem Standort auf der Welt hätte ein um das Jahr 1500 errichtetes Zwischenlager auch nur ein, zwei Jahrhunderte überlebt? Mit der glücklichen Erfahrung der nun gut 65 Jahre dauernden Friedensperiode und einer insgesamt stabilen, prosperierenden Ökonomie vergessen wir allzu leicht, dass dies in der bisherigen Geschichte Deutschlands (und anderer Regionen der Welt) keineswegs normal ist.
Das mittelfristige Risiko eines oberirdischen Zwischenlagers liegt also auf der Hand.
Gibt es ein kurzfristiges Risiko?
Das Risiko ist aber auch kurzfristig – abgesehen von Terrorangriffen – nicht einfach auf null zu setzen. Denn auch bei dichten Behältern und bei regelmäßigen Wartungsarbeiten wird indirekt Radioaktivität freigesetzt. In einem Artikel von Ralf Kusmierz mit dem Titel Weshalb Zwischenlager Radioaktivität freisetzen wird ausgeführt, wie durch von den Behältern ausgehender Neutronenstrahlung in der Luft radioaktive Stoffe – sogenannte Aktivierungsprodukte – entstehen können.
Diese – so wird von einigen Wissenschaftlern vermutet – können sogar bis zu einer Entfernung von 40 Kilometern zu strahleninduzierter Veränderung des Geschlechterverhältnisses Lebendgeborener führen – siehe in Artikel Heutige Lehren aus dem Reaktorunfall von Tschernobyl. Scherb, Voigt und Kusmierz haben dazu eine Reihe von Vorträgen gehalten und Papiere [1], [2], [3], [4], [5], [6] geschrieben, die auf wissenschaftlichen Arbeiten beruhen.
Es bestehen Entscheidungs- und Handlungsbedarf
Dies zeigt, dass man sich weder im Zeitraum von vierzig Jahren – dies ist die garantierte Lebensdauer der Behälterdichtung – noch darüber hinaus mit einer oberirdischen Lagerung von hochradioaktiven Abfällen auf der risikolosen und damit sicheren Seite befindet. Es bestehen Entscheidungs- und Handlungsbedarf, die aber zurzeit von der an Wahlkämpfen orientierten Politik blockiert werden.
Vermutlich niemand setzt die Risiken oberirdischer Zwischenlagerung auf Null. Die Einwände erscheinen zutreffend, müssen gesammelt werden, aber erreichen bislang nicht die Höhe, an der diese Option scheitern müsste, zumal sich in Anbetracht des erhöhten Handlungsbedarfs, z.B. Asse-Rückholaktion, die Frage nach dem kleineren Übel stellt, nicht nach dem Großen Wurf.
Abzuwägen gilt es den Aufwand in technischer und finanzieller Hinsicht, des Tempos der Realisierbarkeit und des Aufwands aus der einer „Zwischenlösung“ selbstredend fehlenden Nachhaltigkeit, also die Möglichkeiten und Kosten der Instandhaltung, des Umverpackens usw.
Das sind komplexe Szenarien, die durchgerechnet werden müssten, aber im Hochbau allemal zuverlässiger als alle Szenarien, die bislang zur vermeintlichen „Endlagerung“ auf den Tisch kamen.
Die oberirdische Zwischenlagerung ist tatsächlich in Bezug auf Terror- und Kriegsgefahren riskanter, aber die Risiken aus den Nuklearabfällen stehen den Risiken aus Angriffen auf den aktiven und „abklingenden“ Atomkraftwerkspark so sehr nach, dass sie kaum relevant wären.
Die aufgelisteten Zwischenlager dürften dennoch weit hinter den technischen Möglichkeiten geblieben sein, zumal die Betreiber auf die staatlich genehmigte „Endlagerung“ spekulieren. Da braucht es Verpflichtungen, während die Politik mit ihrer Endlagesuche noch immer suggeriert, sie könne vom Atommüll erlösen.
Den Glauben an eine erfolgreiche Endlagersuche sollte man schon aus Gründen des Wissenschaftsoptimismus niemandem nehmen wollen, aber spätestens mit dem Asse-Desaster ist auch der Politik klar geworden, dass Endlager-Entscheidungen nicht über das Knie gebrochen werden können.
Wenn demzufolge nun tatsächlich alle Suche einen Neuanfang haben soll, wird es dauern und für die Asse-Rückholaktion zu lange. Schon deshalb braucht es schnellstmöglich „oberirdische Zwischenlagerung“, damit es mit der Asse los gehen kann.