„Kernproblem der Endlagersuche ….. : Was heißt „sicher“?“

bdwBild der Wissenschaften

In einer Textsammlung der Bild der Wissenschaft zum Problem Endlagerung radioaktiver Abfälle, die in einem interessanten Artikel des General-Anzeigers mehrfach zitiert wird, wird am Ende des ersten Absatzes eine grundlegende Feststellung getroffen:

Die Schacht-Konrad-Gegner fordern jedoch: Ein Endlager muss so beschaffen sein, dass es die Radioaktivität für alle Zeiten von allem Lebendigen fern hält. Nur dann sei es sicher. Und schon ist man beim Kernproblem der Endlagersuche angelangt: Was heißt „sicher“?

Sicherheit und Risiko

Leider wird diese Problemfrage im weiteren Verlauf der Texte nicht systematisch verfolgt. Insbesondere wird der Begriff der Sicherheit im Zusammenhang mit Endlager nicht als Euphemismus enttarnt. Es ist in diesem Fall – in Übereinstimmung mit Niklas Luhmann – nicht von Sicherheit, sondern grundsätzlich von Risiko zu sprechen.

Möglichst unveränderter Ursprungszustand

Verschiedentlich werden die Fazitaussagen nur beschränkt auf die Problematik in Deutschland angewendet:

Eine Konsequenz lautet: Ein gutes Endlager befindet sich in einer tief reichenden geologischen Struktur, deren Ursprungszustand möglichst wenig verändert wird. Ein Salzstock etwa, in dem über Jahre Salz abgebaut wurde, wäre daher von vornherein ungeeignet – so wie die Schachtanlage Asse in Niedersachsen. Der Salzstock in Gorleben dagegen ist bis auf das Erkundungsbergwerk unangetastet. Er käme also als Endlagerstandort infrage.

Hier fehlt die Diskussion des Zustands der Schachtanlage Konrad. Dies Anlage ist ein stillgelegtes Eisenerzbergwerk. Auch hier kann nicht von einem unangetasteten Ursprungszustand gesprochen werden. Und wie sieht es mit Morsleben aus, ist hier der Ursprungszustand wenig verändert?

Begriff der Wahrscheinlichkeit

Immer wird das Modell der wahrscheinlichen und weniger wahrscheinlichen Entwicklungen skizziert. Es wird aber nicht auf die hier verwendete Begrifflichkeit der Wahrscheinlichkeit eingegangen. Hier wird nämlich der Wahrscheinlichkeitsbegriff der subjektiven Stochastik bemüht, der grundsätzlich von dem der objektiven Stochastik abgegrenzt werden muss. Bei einem Endlager – insbesondere wenn man ein zentrales Endlager für hochradioaktive Abfälle plant – kann eben auch ein sehr unwahrscheinliches Szenario eintreten. Das Endlagerproblem ist also eindeutig der subjektiven Stochastik zuzuordnen.

Der Betrachtungszeitraum und Nichtwissenskultur

Zum Betrachtungszeitraum wird dargelegt:

Die Zahl eine Million ist mehr oder weniger willkürlich festgelegt. Sie passt aber gut, weil sie erstens geologische Zeiträume beschreibt und zweitens sicherstellt, dass der hochradioaktive Abfall nach dieser Zeit weitgehend zerstrahlt ist. Er stellt dann keine Gefahr mehr für die Umwelt dar – darin sind sich die meisten Experten einig.

Richtig wird hier die Willkürlichkeit der Festlegung auf eine Million Jahre festgestellt. Dies ist angeblich der Zeitraum, über den sich Geologen valide Zukunftsprognose vorstellen können. Belegt ist das nicht. Es ist eine reine sogenannte Expertenmeinung. Hier wäre der Ansatz zu einer grundlegenden Fragestellung zu Wissenschaft und deren Möglichkeiten und Unmöglichkeiten angebracht. Hier gehört die Kultur des unsicheren Wissens und des Nichtwissens her, die in anderen Bereichen wie zum Beispiel der Nanotechnologie eine nicht unwichtige Rolle spielt.

Eine für die Lösung der Standortfrage kontraproduktive Zuspitzung

Die oft widersprüchlichen Äußerungen der Experten erscheinen nicht überprüfbar. Renn erklärt: „Bewegungen brauchen einen Kulminierungspunkt, um Menschen zu mobilisieren. Dafür eignet sich die Endlagerproblematik ausgezeichnet.“ Doch für eine Lösung der Standortfrage ist die Zuspitzung kontraproduktiv.

Dem ist zu widersprechen. Es ist gut, dass die BürgerInnen in der Bundesrepublik mobilisiert wurden. Denn nur dadurch konnte sich die Energie-Wende von 1980 als Energiewende 2011 durchsetzen. Auch für die Endlagerfrage war es äußerst produktiv. Es wurde ein Endlager Gorleben verhindert, das auf einem wissenschaftmethodisch falschen Ansatz beruht hätte. Denn bei einem Endlager kann nicht entschieden werden, ob es sicher oder nicht sicher ist, sondern man kann im optimistischen Ansatz lediglich unterschiedliche Endlagerplanungen an unterschiedlichen Standorten als mehr oder weniger riskant einstufen. Nur eine vergleichende Standortsuche – eine komparative Methodik – kann zu einem halbwegs wissenschaftsmethodisch sauberen Ergebnis für ein Endlager führen. Alles andere ist Hokuspokus und hat nichts mit Wissenschaft zu tun.

Das Akzeptanzproblem

„Die Standortwahl wird von der Gesellschaft nur dann
akzeptiert, wenn sie durch die Kraft der Argumente und den Einbezug aller relevanten Werte und Interessen legitimiert ist“, ist Renn überzeugt.

Herr Renn hat damit Recht: Die BürgerInnen lassen sich nicht so leicht hinters Licht führen. Sie sind meist schlauer als die Wissenschaftler, die sich eher im Elfenbeinturm einrichten und gern von einem sicheren Endlager sprechen, ohne die Grenzen der eigenen Methode – der Absolutmethode – zu diskutieren.

Die Komparativmethode mit Einbeziehung des Standorts Gorleben

Bei der Endlagersuche muss endlich eindeutig von der Absolutmethode Abstand genommen werden. Da sind sowohl Wissenschaft als auch Politik gefordert.

Und wenn eine komparative Methode unbedingt den Standort Gorleben einbeziehen soll, dann muss an den Punkt zurückgegangen werden, an dem Gorleben als einziger Standort benannt wurde. Es müssen neben Gorleben alle anderen Standorte einbezogen werden, die die Gorleben-Auswahlkriterien erfüllen. Und das sind neben Gorleben – nach den Erkenntnissen der BGR bis zum Jahr 2007 – mindestens 170 weitere Standorte in der Bundesrepublik.

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