Entsorgungskommission liefert nach einem Jahr nur halbe Arbeit

esk2Stellungnahme zur Langzeitrisikoanalyse ERAM

Die Entsorgungskommission (ESK) wurde nach dem Erörterungstermin vom Bundesumweltministerium beauftragt, zur Langzeitrisikoanalyse – von BfS, BMU und ESK auch Langzeitsicherheitsnachweis genannt – für das ERAM eine Stellungnahme abzugeben. Nach gut einem Jahr liegt jetzt das Ergebnis vor.

Nur die Hälfte der Arbeit gemacht

Nach Durchsicht der 50 Seiten muss man feststellen, dass die Entsorgungskommission und insbesondere der ESK-Ausschuss Endlagerung Radioaktiver Abfälle (EL) nur die Hälfte der Arbeit gemacht haben. Die Damen und Herren

  • Dipl.-Ing. Michael Sailer (Vorsitzender),
  • Prof. Dr. Meinert K. W. Rahn (stellv. Vorsitzender),
  • Dr. Detlef Appel,
  • Dr. Klaus Fischer-Appelt,
  • Dr. Bruno Baltes,
  • Dr. Klaus-Jürgen Brammer,
  • Prof. Dr. Thomas Fanghänel,
  • Prof. Dr. Horst Geckeis,
  • Dr.-Ing. Daniela Gutberlet,
  • Prof. Dr. Gerhard Jentzsch,
  • Dipl.-Geol. Jürgen Kreusch,
  • Univ. Prof. Dr. Karl-Heinz Lux,
  • Dr. Horst Pitterich,
  • Prof. Dr. Barbara Reichert und
  • Prof. Dr. Klaus-Jürgen Röhlig

haben sich durch die BfS-Formulierung Stilllegung des ERAM täuschen lassen. Hinter der berüchtigten Formulierung verbirgt sich nämlich nicht nur die Stilllegung des Endlagers, sondern auch der gesonderte Planfeststellungsantrag auf Endlagerung der im ERAM zwischengelagerten Abfälle. Dieser Teil des Gesamtvorhabens erfordert nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik aufgrund des § 6 Strahlenschutzverordnung eine vergleichende Standortsuche, die den wesentlichen Optimierungsteil der Langzeitrisikoanalyse darstellt.

Falsches Prüfungsraster entwickelt

Insofern entwickelt der Ausschuss EL in Tabelle 1 und 2 ein falsches Prüfungsraster. In Tabelle 1 wird ein Raster anhand der Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem Bergwerk vom 20.4.1983 , in Tabelle 2 anhand der Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle, Stand 30. September 2010 hergeleitet. Berücksichtigt wird dabei lediglich die Stilllegung eines genehmigten Endlagers. Für die zwischengelagerten Abfälle ist das ERAM kein genehmigtes Endlager, denn die Betriebsgenehmigung schließt die Endlagerung dieser Abfälle wegen Überschreitung der Aktivitätsgrenzen aus.

Standortanforderungen

So wird in Tabelle 1 unter Standortanforderungen formuliert:

Der Standort des ERAM ist gegeben, damit sind die Anforderungen nicht mehr anwendbar. Die durch den Standort gegebenen geologischen Rahmenbedingungen sind im Langzeitsicherheitsnachweis zu berücksichtigen.

Dies ist eindeutig falsch. Für den Planfeststellungsantrag auf Endlagerung der zwischengelagerten Abfälle ist der Standort ERAM keineswegs gegeben. Offensichtlich ist der Standort ERAM für diese Abfälle nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik nicht geeignet – dies schon  aufgrund der Nachnutzung eines alten Kali- und Salzbergwerks.

Sicherheitsnachweise

Die in Tabelle 2 unter Sicherheitsnachweise gemachten Einschränkungen

..wohingegen die Kapitel 7.6 und 7.7 für das ERAM nicht relevant sind..

sind falsch. Auch Punkt 7.6 ist relevant:

7.6 Für die Einhaltung dieser Endlagerungsbedingungen sind die Ablieferungspflichtigen verantwortlich. Für den Nachweis der Einhaltung der Endlagerungsbedingungen gelten folgende Regelungen:…

Ebenfalls Punkt 7.7:

7.7 Bei der Erkundung sind vom Antragsteller die für die Sicherheit des Endlagers wesentlichen Standortdaten in einem für die Sicherheitsnachweise ausreichendem Umfang zu ermitteln.

Endlagerauslegung

Unter Endlagerauslegung wird in Tabelle 2 behauptet:

..Da es sich beim ERAM um ein bereits bestehendes Endlager handelt, sind die Inhalte dieses Kapitels größtenteils nicht übertragbar;..

Dies ist falsch. Für die zwischengelagerten Abfälle ist das ERAM kein bestehendes Endlager. Speziell die Punkte 8.2 und 8.6 sind voll anzuwenden.

8.2 Die Durchörterung des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs mit Schächten, Auffahrungen oder Bohrungen ist zu minimieren. Bohrungen, Schächte und weitere Auffahrungen sind gebirgsschonend auszuführen und, falls sie nicht mehr gebraucht werden, vor dem Einlagerungsbetrieb so zu verschließen, dass die Barriereeigenschaften des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs und sonstiger sicherheitsrelevanter Barrieren erhalten bleiben.

8.6 Abfallbehälter müssen unter Berücksichtigung der darin verpackten Abfallprodukte und des sie umgebenden Versatzes folgende Sicherheitsfunktionen erfüllen:

• Für die wahrscheinlichen Entwicklungen muss eine Handhabbarkeit der Abfallbehälter bei einer eventuellen Bergung aus dem stillgelegten und verschlossenen Endlager für einen Zeitraum von 500 Jahren gegeben sein. Dabei ist die Vermeidung von Freisetzungen radioaktiver Aerosole zu beachten.

• In der Betriebsphase bis zum Verschluss der Schächte oder Rampen muss eine Rückholung der Abfallbehälter möglich sein.

Maßnahmen, die zur Sicherstellung der Möglichkeiten zur Rückholung oder Bergung getroffen werden, dürfen die passiven Sicherheitsbarrieren und damit die Langzeitsicherheit nicht beeinträchtigen.

Bei Berücksichtigung dieser Punkte kann eine Endlagerung der zwischengelagerten Abfälle eigentlich nicht genehmigt werden. Es sei denn, das BMU erteilt eine Weisung.

Alternative: Ablehnung der Planfeststellung

Die ESK muss also nochmals die Aufgabe in Angriff nehmen, um den zweiten Teil nachzuliefern. Die Alternative dazu ist allein die Ablehnung des Planfeststellungsantrags zumindest auf Endlagerung  der zwischengelagerten Abfälle im ERAM. Dies ist schon deshalb naheliegend, da selbst für die Langzeitrisikoanalyse der bisher endgelagerten Abfälle wesentliche Kritikpunkte aus der Erörterung aufgenommen wurden. Die vom BfS vorgelegte Langzeitrisikoanalyse genügt laut ESK nicht dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik.

4 Gedanken zu „Entsorgungskommission liefert nach einem Jahr nur halbe Arbeit

  1. Arglistige Täuschung durch das Bundesamt
    Die Bezeichnung des BfS Plan zur Stilllegung des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben erfüllt eigentlich die Kriterien der arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 BGB.

    § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
    (1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
    (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

    Verschwiegen wird die Endlagerung weiterer radioaktiver Abfälle. Dies wird erst im Kleingedruckten erwähnt.

  2. meine Frage zur Entsorgung ist sicher banal, trotzdem muss es ja funktionieren:
    Bekanntlich muss man ja die Fluchtgeschwindigkeit der Erdanziehung einmal überwinden und jeder Körper verschwindet in die Unendlichkeit, also 11,2 km/sec.
    und der Fall ist erledigt. Hat das noch keiner probiert? Oder ist das zu teuer oder wie?
    mfG. Wolfgang Schütz

    • Entsorgung in den Weltraum
      Da kann ich mich der Endlagerkommission mit Berufung auf die BGR (K-Drs. /AG3-75) anschließen:

      5.3.1 Entsorgung im Weltraum

      Die Option der Endlagerung radioaktiver Abfälle im Weltraum wurde besonders in den 1970er und 1980er Jahren untersucht. Federführend waren Wissenschaftler der National Aeronautics and Space Administration (NASA) und der Boeing Aerospace Corporation in den USA. Der Transport in den Weltraum wurde meistens als komplementäre Alternative zur Endlagerung auf der Erde betrachtet und sollte vornehmlich für kleinere Abfallmengen aus separierten langlebigen Nukliden angewendet werden. Für große Abfallmengen kommt die Verbringung in den Weltraum allein aus Kostengründen nicht in Frage.

      Die untersuchten Konzepte variieren von der Verbringung der Abfälle in die Sonne über den Transport aus dem Sonnensystem heraus bis hin zur Lagerung auf dem Mond oder in einem hohen Erdorbit. Die Umlaufbahnen im inneren Sonnensystem (Erde, Mond) wie auch die Verbrennung in der Sonne wurden schlechter bewertet als zum Beispiel die Verbringung in eine Sonnenumlaufbahn, auf die Mondoberfläche oder ganz aus dem Sonnensystem heraus. Die Verbrennung in der Sonne würde die gefährlichen Substanzen zwar sicher zerstören, wäre aber extrem kostspielig. Erd- und Mondumlaufbahnen wären für die Langzeitlagerung nicht stabil genug.

      Beim Transport in den Weltraum sind zentrale Probleme in Bezug auf die Sicherheit zu lösen. Rettungsfunktionen müssen vorgesehen werden, die bei Fehlstarts oder anderen Fehlfunktionen während der Versendung zum Einsatz kommen können. Eine Verteilung der radioaktiven Abfälle in der Atmosphäre oder am Boden in der Folge von Havarien muss vermieden werden. Die Abfallstoffe könnten in Form von Cermet, einem hitzebeständigen Material aus Keramik und gesintertem Metall, transportiert werden, um die Ausbreitung von Radionukliden im Fall eines Unfalls zu minimieren. Von Möglichkeiten einer „Fehlerkorrektur“ kann man hier wohl nicht sprechen.

      Die National Academy of Sciences der USA (NAS) hat festgestellt, dass die Option der Endlagerung im Weltraum nicht sicher und praktikabel sei und wohl auch nie sein werde. Sie gilt allgemein als Hochrisikotechnologie. Zusätzlich würden die Kosten um einen Faktor 10 über denen der geologischen Endlagerung liegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Raketenfehlstarts liegt im Bereich von 1 bis 10 Prozent. Es wäre auch zu berücksichtigen, dass die Separierung langlebiger Radionuklide ein aufwändiges und teures kerntechnisches Verfahren mit Gefährdungsrisiken für das eingesetzte Personal ist. Deutschland könnte aufgrund seiner ungünstigen geographischen Lage diese Abfälle nicht von eigenem Hoheitsgebiet aus in den Weltraum bringen. Für die Endlagerung im Weltraum wären Transporte der Abfälle zu einem Weltraumbahnhof in der Nähe des Äquators erforderlich.

      Ein völkerrechtlicher Hinderungsgrund ist schließlich Artikel IX des sogenannten Weltraumvertrages760, in dem sich die Unterzeichner verpflichten, dass bei Forschungsaktivitäten eine schädliche Kontamination des Weltraumes einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper vermieden werden soll. Dieses am 10.10.1967 in Kraft getretene Übereinkommen ist für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 10.02.1971 rechtsverbindlich.

      Fazit: Die Kommission ist zu der Auffassung gelangt, dass eine Entsorgung radioaktiver Abfälle im Weltraum mit einem inakzeptabel hohen Risiko massiver Radionuklidfreisetzung in der Biosphäre behaftet ist. Dies allein genügt, um eine Verfolgung dieser Option abzulehnen. Die ungelösten technischen und sicherheitlichen Fragen, die selbst im Erfolgsfall erwartbar immensen Kosten und völkerrechtliche Implikationen stützen und bestärken diese Ansicht.

      Abschlussbericht Seite 213 f.

      • Die Fehlerquote oft geflogener amerikanischer Raketen wie SCOUT und DELTA lag bei drei Prozent. Die Sojus ist mit einer Erfolgsquote von 98 Prozent die derzeit wohl zuverlässigste Rakete der Welt. Das klingt schon fast ganz gut – wäre für unsere Zwecke aber verheerend. Eine Sojus kann knapp 7t in 200 km Höhe befördern. Wir ignorieren jetzt mal, dass wir damit der Schwerkraft der Erde noch nicht entkommen wären. Allein für die insgesamt anfallenden mehr als 20.000 t Brennelemente aus Deutschland wären das ca. 3000 Raketen. Bei einer Erfolgsquote von 98% bedeutet das 60 gescheiterte Starts. Und die anderen radioaktiven Abfälle sind da noch gar nicht mit eingerechnet.
        Alles, was wir mit Atommüll machen, hat Vor,- und Nachteile. Aber es ist schwer möglich, etwas Dümmeres damit zu machen, als ein paar Tonnen hochradioaktiven Abfall zusammen mit einer beträchtlichen Menge Raketenbrennstoff explodieren zu lassen. Wir reden hier von nichts weniger als der Mutter aller schmutzigen Bomben. Verglichen damit ist jedes Endlager ein ungefährlicher Kinderspielplatz.
        Ein weiteres Problem sind die Kosten. Es kostet 10.000 Euro, ein Liter Wasser auf die internationale Raumstation ISS zu bringen (darum wird dort Trinkwasser auch aus Urin zurückgewonnen). Für die 22.000 t angebrannter Brennelemente aus Deutschland (ohne den ganzen anderen Atommüll) kommt man da auf stolze 220 Milliarden Euro. Das entspricht 2/3 des Bundeshaushaltes – und wir sind noch immer nicht aus dem Schwerefeld der Erde und haben immer noch keine Lösung für die anderen radioaktiven Abfälle (mehr als 1/2 Million Tonnen).
        Abfälle “auf den Mond zu schießen” ist viel zu unsicher um vertretbar zu sein und viel zu teuer um von irgendeiner Volkswirtschaft der Welt geleistet werden zu können.

        aus: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2015/09/18/rein-oder-nicht-rein-der-tanz-ums-endlager/

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