Endlagerkommission: Konsens bleibt reines Lippenbekenntnis

entw_standag„Konsens“ ist in Mode

Konsens hat sich nach dem Kernunfall Fukushima in der Politik zu einem Modewort entwickelt. Damit soll offensichtlich verdeckt werden, dass sich CDU und FDP nach dem 11.03.2011 gezwungen sahen, ihre jahrzehntelange Haltung zur Atomenergie – wegen Gefahr des Verlustes von Wählerstimmen und nicht aus inhaltlichen Gründen – rigoros zu ändern.

„Konsens“ bei der Endlagerung

Diese Konsensmode wurde dann auch auf Endlagerung radioaktiver Abfälle übertragen. Im Entwurf des StandAG vom 14.05.2013 steht in der Präambel:

Nachdem durch das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl. I S. 1704) ein nationaler Konsens über die Beendigung der friedlichen Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität in Deutschland erzielt wurde und ein festes Enddatum für diese Nutzung eingeführt wurde, soll auch die Suche nach einer Lösung für die sichere Entsorgung Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle im nationalen Konsens zwischen Bund und Ländern, Staat und Gesellschaft, Bürgerinnen und Bürgern erfolgen.

Im Gesetzentwurf selbst findet sich der Begriff Konsens in § 3 Bund-Länder-Kommission:

(5) Die Kommission beschließt bis zum 31. Dezember 2015 den Bericht zum Standortauswahlverfahren möglichst im Konsens, mindestens aber mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder. Sie ist berechtigt, diese Frist einmalig um sechs Kalendermonate zu verlängern. Diese Entscheidung bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Kommission.

Die gleiche Formulierung steht im verabschiedeten Gesetz mit dem Unterschied, dass die Kommission nicht mehr als Bund-Länder-Kommission bezeichnet wird und die Bundes- und Landespolitiker kein Stimmrecht bei der Verabschiedung des Berichts haben.

Mehrfach wiederholter Konsens

Die Entschließung 18/1068 zur Besetzung der Kommission stellt den Konsens immer wieder in den Vordergrund:

…Dazu bedarf es eines fairen Verfahrens, das bei allen Beteiligten eine dauerhafte Vertrauensbasis schafft. Das Ziel ist ein gesellschaftlicher Konsens, dazu wird die Kommission auch die Aufgabe haben, einen breiten gesellschaftlichen Diskurs zu organisieren…

…Gleichzeitig hat der Gesetzgeber anerkannt, dass die Suche nach einem Standort für ein Endlager für insbesondere hoch radioaktive Abfälle nur funktionieren kann, wenn bereits während des Suchprozesses und bei der Kriterienfindung für den Suchprozess ein breiter gesellschaftlicher Konsens angestrebt wird…

…Die Umweltverbände können einen wichtigen Beitrag leisten, in Fragen der möglichst sicheren Lagerung radioaktiver Abfälle die bestmögliche Lösung zu entwickeln und einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu erzielen…

…Deshalb bekräftigt der Deutsche Bundestag das mit der Einrichtung der Kommission und im StandAG formulierte Ziel,

• durch eine breite Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Gruppen in der Endlagerkommission die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, einen gesellschaftlichen Konsens bei der Endlagersuche zu erreichen,
• Vorschläge für eine Veränderung oder Erweiterung des Gesetzes auf Basis eines Evaluierungsprozesses zu unterbreiten sowie
• die Risiken der Lagerung hoch radioaktiven Abfalls zu minimieren und in einem breiten Konsens die Kriterien und das Verfahren abzustimmen und als Empfehlung an den Gesetzgeber zu geben…

…Zentral ist die Aussage im StandAG, Beschlüsse der Kommission möglichst im Konsens anzustreben (§ 3 Absatz 5 StandAG). Mit dieser Regelung kommt zum Ausdruck, dass jede Mehrheitsentscheidung, die wichtige Akteure in der Auseinandersetzung um die Nutzung und der Folgen der Kernenergie übergeht, die Gefahr neuer Widerstände in sich birgt. Ein konsensuales Vorgehen bietet demgegenüber die Chance, die größtmögliche Akzeptanz, die unverzichtbar für die Endlagerung ist, bei sich konkretisierender Planung zu erzielen. Nur ein breiter gesellschaftlicher Konsens bietet die Gewähr, dass ein Standort gefunden und generationenübergreifend weitestgehend akzeptiert wird…

…Der Deutsche Bundestag appelliert, durch prozessuale Regelungen das Konsensprinzip in der Kommission zu stärken. Das Konsensprinzip sollte gerade bei Geschäftsordnungsfragen, so z. B. bei der Frage der Anzahl und der Terminierung der Sitzungen eine wichtige Leitlinie sein…

„Konsens“ in der Geschäftsordnung der Kommission

Wie wird diese Maßgabe des Gesetzes und der Empfehlung des Deutschen Bundestages in der Geschäftsordnung der Kommission (Protokoll S. 16 – 21)  umgesetzt? Hier findet sich der Konsensgedanke eigentlich lediglich in § 3:

§ 3 Konsensprinzip
Die Kommission bemüht sich unbeschadet der Regelungen in § 3 Abs. 5 und Abs. 6 StandAG, zu allen Fragen eine einvernehmliche Lösung zu finden, da der Erfolg der Kommissionsarbeit letztlich davon abhängt, dass ein breiter Konsens zustande kommt.

Es ist dem Vertreter des BUND zu verdanken, dass die Nennung dieses Prinzips vom ursprünglich vorgesehenen § 9 bis hier vorgezogen wurde. Damit sollte es mehr Gewicht bekommen.

Prozessuale Regelungen zum Konsensprinzip?

Doch ist dies eine prozessuale Regelung? Nein, es ist lediglich die Wiederholung eines hehren Ziels. Die Praxis der ersten drei Sitzungen der Kommission zeigte, dass hier nicht Konsens im Mittelpunkt steht. Bei den Sitzungen wird eine Abstimmungsmaschinerie à la Bundestag in Gang gesetzt, die von Roger Willemsen in seinem Buch Das Hohe Haus – Ein Jahr im Parlament eingehend geschildert und kritisiert wird.

Wie könnte eine prozessuale Regelung aussehen?

Wie könnte aber eine prozessuale Regelung aussehen? Im Bundestag gibt es bei Abstimmungen quasi eine prozessuale Regelung  – den Fraktionszwang. Dabei wird aber kein Konsens erzeugt, sondern er wird eher behindert, da er die parlamentarische Auseinandersetzung verkürzt. Wenn aber in der Kommission geregelt wäre, dass vor jeder Abstimmung ein Meinungsbild erstellt wird und bei Nichtkonsens weiter diskutiert werden muss, wäre dass eine prozessuale Regelung, die dem Ziel Konsens ein Werkzeug in die Hand gibt. Eine prozessuale Regelung in der Geschäftsordnung könnte also wie folgt aussehen:

Vor jeder Abstimmung in der Kommission wird ein Meinungsbild erstellt. Zeigt dieses keinen Konsens, sind die Dissenspunkte unter Leitung des Vorsitzes herauszuarbeiten und Kompromisslinien zu entwickeln. Erst danach wird die Abstimmung durchgeführt. Den Zeitpunkt für diese Abstimmung bestimmt der Vorsitz. Bei wichtigen Entscheidungen kann der Vorsitz auch ein zweites Meinungsbild abfragen und eine weitere Diskussion durchführen lassen.

Mit der jetzigen Geschäftsordnung der Kommission und der geübten Praxis verkommt das Konsensprinzip zu einem reinen Lippenbekenntnis.

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