Der Begriff „Bestmögliche Sicherheit“
In der gemeinsamen Sitzung der AG 2 und AG 3 der Endlagerkommission am 13.04.2015, dokumentiert als Audiofile, stand der Begriff Bestmögliche Sicherheit zur Diskussion. In einem Papier der Geschäftsstelle, das leider den Weg ins Internet nicht gefunden hat, wird das Vorkommen dieser Begrifflichkeit im StandAG, in der Begründung des Gesetzes und in den Aussagen der ExpertInnen bei der Anhörung am 03.11.2014 zusammengestellt.
Im StandAG ist der Begriff zu finden im Paragraf 1:
(1) Ziel des Standortauswahlverfahrens ist, in einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren für die im Inland verursachten, insbesondere hoch radioaktiven Abfälle den Standort für eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Absatz 3 Satz 1 des Atomgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland zu finden, der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet.
Komparativ oder nicht?
In der oben genannten Anhörung vom 03.11.2014 wurde dieser Begriff von einigen Juristen auf den Sprachgebrauch des Bundesverfassungsgerichts reduziert und damit eine vergleichende, d. h. komparative Vorgehensweise abgelehnt. Es stellt sich für die Kommission die Frage, ob dem gefolgt werden soll oder eindeutig ein komparativer Ansatz zu fordern ist? Ist eine Definition dieses Begriffes im Gesetz oder in der Begründung notwendig und möglich? Und eine finanziell sehr wichtige Frage: Weshalb ist eine komparative Suche nach dem Stand von Wissenschaft und Technik notwendig?
„Bestmögliche Sicherheit“ und „Bestmöglicher Standort“
Teilweise wurden zwei Begriffe daraus gemacht: bestmögliche Sicherheit und bestmöglicher Standort und diese hierarchisch gesehen. Allein Herr Appel hatte wohl klare Vorstellungen der Vorgehensweise. Er orientierte sich dabei an den Fällen, die in seiner Praxis vorgekommen sind, z. B. AkEnd und Schweizer Auswahlverfahren. Zu erwähnen ist auch das USA-Verfahren Multiattribute Utility Analysis of Alternative Sites for the Disposal of Nuclear Waste. Danach ist ein komparatives Verfahren zugrunde zu legen, das sich an Mindest- und Abwägungskriterien orientiert, die durch Erkundung zugänglich sind. Davon ist abzutrennen das Genehmigungsverfahren, was in der Regel die Dosis betrachtet.
Multikriterielle Entscheidungen sind gang und gäbe
Erwähnt wurde nicht, dass es sich hierbei um eine ziemlich übliche multikriterielle Entscheidung handelt. In der Diskussion wurde immer nur von hoher Komplexität gesprochen, die suggerierte, die Endlagersuche wäre ein außerordentliches Problem. Vom wissenschaftsmethodischen Standpunkt ist dies nicht so.
Wissenschaftliche Methodendiskussion
Es gibt dazu eine weite Methodendiskussion und man unterscheidet theoretisch die vektorielle von der skalaren Vorgehensweise. Leider wurde nicht darüber gesprochen, ob im Falle der Endlagerung bei den zu berücksichtigenden geologischen und organisatorisch-instutionellen Dimensionen der mehrdimensionale Entscheidungsraum in der Praxis vektoriell und/oder skalar erschlossen werden kann. Hier ist die Wissenschaftlichkeit in der Kommission offensichtlich dünn gesät, obwohl der Begriff wissenschaftsbasiert an prominenter Stelle im Gesetz steht.
Philosophische Frage und durch Gorleben gestörte Grundmenge
Herr Sailer kam öfter zum Begriff der philosophischen Frage. Was er damit meinte, war dann aber doch eher unverständlich. Meinte er damit diese wissenschaftsmethodische Frage der Abwägungsprobleme bei multikriteriellen Entscheidungen? Er problematisierte in seinen diesbezüglichen Ausführungen aber das erste Mal auch die Grundmenge, aus der der bestmögliche Standort durch das komparative Verfahren ausgewählt werden soll. Er vermerkte aber nicht, dass durch die politische Vorgabe der Beteiligung von Gorleben der wissenschaftliche Ansatz gestört wird. Es stellt sich nämlich die Frage, wie diese störungstheoretisch aufgefangen werden könnte?
Verfahren mit Schwellenansatz wird wohl in der Schweiz nicht umgesetzt
Interessant war die Bemerkung von Herrn Appel, dass das ursprüngliche Verfahren in der Schweiz wohl nicht umgesetzt wird, bei dem nach einem sicherheitstechnischen Schwellenaxiom die Gleichrangigkeit von Standorten unter anderen Aspekten Wahlmöglichkeiten eröffnen sollte. Es setzt sich die Forderung nach dem Besten durch. Damit scheitert offensichtlich in der Schweizer Praxis das, was Herr Thomauske, der an der Sitzung am 13.04.2015 nicht teilnahm, an unterschiedlichen Stellen in die Endlagerkommission eingebracht hat.
SSK-Defizit
Herr Appel erläuterte, dass nach der multikriteriellen Abwägung eine monokriterielle Genehmigungsentscheidung folgt. Dieses Genehmigungskriterium ist in der Regel bisher die Dosis. Es stellt sich aber weiterhin die Frage, wie man diese Dosis bei einem Endlager abschätzt, mit der Menschen Millionen Jahre später belastet werden. Das hat das BMU 2009 aufgegriffen und einen entsprechenden Auftrag an die SSK gegeben, siehe auch Beitrag Dosisberechnung bei der Langzeitlagerung – seit Ankündigung Anfang 2009 nichts Neues. Wie der neuste SSK-Jahresbericht zeigt, wird darüber nicht einmal berichtet, geschweige denn dazu eine Empfehlung ausgesprochen.
ENTRIA-Werkstattgespräch
Auf dieses Defizit machte auch Dr. Rainer Gellermann bei einem ENTRIA-Werkstattgespräch aufmerksam, siehe Bericht. Ob Dosisgrenzwerte bei der Endlagerung wirklich weiterhelfen, darf bezweifelt werden. Da ist der Ausschuss für Gefahrstoffe mit dem Risikokonzept von 2005 schon ein paar Schritte weiter.
Berechnung effektiver Dosen bei Endlagerung – die Dritte
Da im Jahresbericht 2014 der SSK der Beratungsauftrag zur Berechnung effektiver Dosen bei der Endlagerung auch nicht unter den laufenden Beratungen genannt wird, ist heute folgende Anfrage über fragdenstaat.de an das BMUB gestellt worden.
Solange die Endlagertechnologie, das Endlagermedium sowie die Transportvorgänge darin (Grundwasser) unbekannt sind, kann keine Dosis berechnet oder prognostiziert werden. Vielleicht kommt man irgendwann zu einem „bestmöglichen“ Standort, der sich später aber als ungeeignet erweist, weil die Dosis zu hoch sein wird: siehe Asse.
Den Vergleich mit der Asse finde ich unglücklich. Das war ja nun mehr eine Standortfestlegung denn eine Standortauswahl. Als radiologisches Problem ist sie auch maßlos überbewertet. Das unsägliche Zitat vom „größten Umweltproblem Deutschlands“ gereicht dem BfS-Präsidenten nicht zur Ehre….
Die Crux ist in der Tat, dass ein zunächst „bester“ Standort in der Sicherheitsanalyse überraschend Schwächen zeigen kann. Es wäre wohl ratsam, für mindestens 2 Standorte eine vollständige (oder zumindest sehrt gute vorläufige) Sicherheitsanalyse durchzuführen – das erhöht die Bereitschaft, einen weniger gut geeigneten Standort auch wirklich aufzugeben.
Nun ist es ein Bürofehler
Die Anfrage an das BMUB über fragdenstaat.de wurde beantwortet. Der wesentliche Teil der Antwort lautet:
Die Auskunft zu den Jahresberichten bis 2013 lautete:
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