Geowissenschaftliche Kriterien in der Kommission
Nun ist es offiziell als Pressemeldung angekündigt: Am 13.05.2016 werden das erste Mal die geowissenschaftlichen Kriterien zur Endlagerstandortsuche in der Gesamtkommission behandelt. Zur Erinnerung: Schon bei der Sitzung am 18.04. stand dieses Thema unter TOP 5 mit Verweis auf K-Drs. 209 auf der Tagesordnung, konnte aber insbesondere wegen der Auseinandersetzung über einen Text zum Standort Gorleben nicht behandelt werden.
Das Herzstück des Kommissionsberichts
Die geowissenschaftlichen Kriterien bilden das Herzstück des Berichts der Endlagerkommission, denn diese sind im StandAG noch offengelassen. Die anfänglichen Ansätze im Entwurf vom 17.10.2012 (siehe insbesondere auch Begründung zu § 10 des Gesetzes) finden sich im verabschiedeten Gesetz nicht mehr.
Umgang mit den Online-Kommentaren
Das Papier zu den geowissenschaftlichen Kriterien wurde noch einmal als K-Drs. / AG3-91e in der AG3-Sitzung vom 04.05. durchgegangen. Erstaunlicherweise wurden diesmal die Online-Kommentare, niedergelegt in K-Drs. / AG3-90, in der Sitzung nicht erwähnt. So sind ID 1101, 1102, 1109, 1110, 1111, 1106, 1113, 1107, 1108 unter den Tisch gefallen.
Beteiligung lernen?
Da das Abwägungskriterium Temperaturverträglichkeit nicht endgültig behandelt wurde, wurden auch die dazugehörigen gut zehn Onlinekommentare (ID 1151, 1154, 1167,….) nicht zur Sprache gebracht. Die Vorlage an die Kommission in der Form der K-Drs. 209 b enthält keinerlei Onlinekommentare mehr. So ist auch ID 1001 aus der Vorbemerkung der Vorsitzenden diskussionslos verschwunden. Sieht so Beteiligung lernen aus?
Diversität gleich Deckgebirge?
Schon der Umgang mit ID 1085, worin mit Bezug auf den Beitrag von Herrn Schilling beim Kriterienworkshop die Diversität der geologischen Barriere gefordert wurde, spricht Bände (Audiofile ab 1:38:47). Das schmunzelnde Verlesen einer längeren Email von Herrn Schilling und der Verweis auf die ungelöste Frage des Deckgebirges deuten auch in der AG 3 auf pathologische Züge im Sinne von Herrn Sträter hin.
Diversität und Redundanz werden ignoriert
Es wurde nicht die Rolle der Diversität und Redundanz im Strahlenschutz im Hinblick auf die kerntechnische Sicherheit klargestellt. Es wurde nicht die Frage erörtert, ob diese Grundsätze der kerntechnischen Sicherheit auch auf die geologische Barriere bei einem Endlager anzuwenden seien? Die Deckgebirgsdiskussion, wie sie von der BGR 1995 in die Endlagerbetrachtung eingebracht wurde, hatte andere Ausgangspunkte, nämlich allein den Schutz der Salzbarriere.
Diversität durch mehrere Endlagerstandorte abgebügelt
Die Forderung nach Diversität durch Verteilung auf mehrere Endlagerstandorte wurde bei der Konsultationsveranstaltung am 30.04.2016 von Herrn Fischer mit Verweis auf die Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Sicherheitsmaßnahmen abgebügelt, ohne auch die Vorteile zu benennen und den Abwägungsprozess zu verdeutlichen. Die AG 3 hat sich einfach nicht mit Strahlenschutz, den Grundsätzen des Strahlenschutzes und den Grundprinzipien der kerntechnischen Sicherheit auseinandergesetzt. Und das trotz starker Besetzung mit sogenannten Wissenschaftlern.
Nachhaltigkeit und Zukunftsethik als Ablenkungsmanöver
Als Ablenkungsmanöver kann das Hochschreiben von Nachhaltigkeit und Zukunftsethik im Endbericht gesehen werden. Diese können beliebig unkonkret formuliert werden. Die Strahlenschutzgrundsätze, die Sicherheitsphilosophie bei kerntechnischen Anlagen und die ethischen Begründungen dazu sind weit konkreter und würden zu einschneidenden Forderungen führen.
BUND e.V. und Strahlenschutz
Man kann auf die kommende Kommissionssitzung gespannt sein, insbesondere wenn man sich die Forderungen des BUND e.V. in der Zwischenbilanz der Kommissionsarbeit zu den Kriterien ansieht:
- Grundlage der Auswahl von besonders geeigneten Regionen müssen flächendeckend gleichwertige Daten sein. Soweit sie nicht vorliegen, müssen sie im Rahmen der Phase I erhoben werden.
- Die Kriterien müssen eine zweite, unabhängige und eigenständig wirksame, geologische Komponente vorschreiben.
- Der Strahlenschutz muss durchgehend als oberstes Ziel formuliert werden.
Sicherlich muss man bei der flächendeckenden Herangehensweise Abstriche machen, wenn man die Zeitdimension mit berücksichtigen will. Eine Forderung nach einer zweiten Komponente der Barriere ist sinnlos, wenn sich herausstellen sollte, dass der geologische Untergrund in Deutschland so etwas nicht hergibt. Beim Strahlenschutz wäre eine Konkretisierung durchaus hilfreich, wie sieht es mit der Rechtfertigung aus?
Geowissenschaftliche Kriterien wieder nicht beraten
Die für heute vorgesehene Beratung des Herzstücks des Berichts der Endlagerkommission ist wieder nicht beraten worden. Die geowissenschaflichen Kriterien warten weiterhin auf die erste Lesung in der Gesamtkommission.
Wird es in der nächsten Sitzung am 23.05.2016 dazu kommen?
BUND e.V. wird etwas konkreter
Der BUND e. V. hat jetzt kurz vor der 28. Kommissionssitzung seine Vorstellungen zu den geologischen Kriterien mit K-Drs. 236 etwas konkretisiert. Endlich finden sich die in der kerntechnischen Sicherheit fundamentalen Begrifflichkeiten wie Redundanz und Diversität in den Kommissionspapieren wieder.
Nach Nachhaltigkeitsdiskussion und Formulierungsakrobatik zur Zukunftsethik werden endlich grundlegende Aspekte des Strahlenschutzes und der kerntechnischen Sicherheit in die Kommission eingebracht, die sich über gut 100 Jahre ethische Diskussion um ionisierende Strahlung – trotz aller kommerzieller Interessen – herausgebildet haben. Warum dies nicht längst von den im täglichen Geschäft damit befassten Vertretern der Kernkraftwirtschaft, Herrn Jäger und Herrn Fischer, in die Diskussion eingebracht wurde, bietet diversen Verschwörungstheoretikern viel Basismaterial.
Leider wird es auch vom BUND e. V. versäumt, systematisch die drei hierarchisch geordneten Grundsätze des internationalen Strahlenschutzes wie justification, optimisation and dose-limitation (siehe Lars-Erik Holm in Ethical Issues, Seite 11) an dem Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle abzuhandeln.
Die Kommission zeigt allgemein eine Schwäche in der sytematischen und damit wissenschaftlichen Herangehensweise an die Problematik der Endlagerung. Ihr liegt eher die rein politische Auseinandersetzung in den verschiedensten Ausprägungen wie Parteipolitik, Konzernpolitik, Verbandspolitik oder Stiftungspolitik.