Belastung des Verfahrens?
In einem Interview von Herrn Bauchmüller, Süddeutsche Zeitung (SZ), mit Herrn König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) vom 15.10.2020 kommt auf die Frage, wieso König das frühe Ausscheiden des Salzstocks Gorleben für problematisch halte, die Antwort:
Weil es in der Öffentlichkeit grundsätzliche Fragen aufwirft, dass zwar 54 Prozent der Fläche Deutschlands im weiteren Verfahren betrachtet werden, aber Gorleben nach Auffassung der BGE herausfallen musste. Wie passt dieses Ergebnis mit dem über Jahrzehnte erweckten Eindruck zusammen, dass der Salzstock als Endlager schon geeignet sei? Meine Sorge ist, dass diese Entscheidung das weitere Verfahren nicht erleichtert, sondern belastet.
Diese politische Einschätzung des BaSE-Präsidenten gab Anlass zu einer politischen Debatte – siehe auch hier. Das ging von (SZ) mit Grünen-Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl:
Ich hoffe nicht, dass der Präsident des BASE das Verfahren nicht verstanden hat, für das er die Aufsicht trägt. Die Endlagersuche folgt wissenschaftlichen Kriterien und nicht der Leitlinie „Was belastet und was entlastet das Verfahren“
bis (FAZ) mit:
Die FDP-Bundesabgeordnete Judith Skudelny sagte, König habe Recht. „Auch die FDP verwundert, dass Gorleben als der am besten erkundete Standort für ein Endlager schon in der ersten Prüfphase rausfliegt.“ Diese Entscheidung müsse genauer er- und geklärt werden.
Auch König kommt im oben genannten Interview zu der Einschätzung:
In der jetzt beginnenden förmlichen Beteiligung wird die BGE auf die Fragen zu Gorleben überzeugende Antworten liefern müssen.
Nach intensivem Studium der BGE-Unterlagen Fragen im Februar 2021
Die förmliche Beteiligung wird am 04.02.2021 beginnen. Bis dahin sollten sich Skudelny und König die BGE-Unterlagen durchsehen, wie aus den 139 Salzstöcken nach der derzeitigen Datenlage durch Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien 60 Salzstöcken als geologisch günstig ausgewählt wurden. Bei intensivem Studium werden dann kaum noch Fragen übrig bleiben. Politische Einschätzungen haben da nichts zu suchen.
Politische Debatte angestoßen, obwohl diese erst wieder bei der Standortregionenentscheidung ansteht
König hat mit seinem Interview wohl gewollt eine politische Debatte angestoßen. Herrn Bauchmüller hat das ermöglicht. Er kann als Hausberichterstatter des BfS, BfE und jetzt des BaSE bezeichnet werden – siehe zum Beispiel SZ-Artikel Der Bund entmachtet eine Behörde – doch die wehrt sich (15.02.2012), der auf ein internes Schreiben des BfS an das BMU beruhte, das der Süddeutschen Zeitung vorlag. Als Präsident einer wissenschaftlich-technischen Bundesoberbehörde hätte er sich bei diesem Schritt des Auswahlverfahrens nicht politisch äußern sollen. Die Politik hat zu warten bis zur Bundestagsentscheidung über die übertägig zu erkundenden Standortregionen.
König eifert Söder nach
König eifert offensichtlich Herrn Söder nach, der die Standortauswahl mit aller Macht ins Politische ziehen will und damit das wissenschaftsbasierte Verfahren erheblich belastet. Herr Söder beruft sich dabei auf wissenschaftliche Expertise seines Landesgeologischen Dienstes, diese ist aber nicht zugänglich – siehe hier.
Wissenschaftliche Entscheidung ohne Prüfung des BaSE – Angst vor Kontrollverlust
Herr König betont, dass die wissenschaftliche Entscheidung zum Salzstock Gorleben ohne Überprüfung gefallen sei. Das ist gesetzeskonform. Wäre die Entscheidung später – zum Beispiel beim Vorschlag für die zu erkundenden Standortregionen – gefallen, hätte das BaSE dieses überprüfen können. Offensichtlich schimmert hier wieder die Angst vor Kontrollverlust durch, die immer wieder beim BaSE zu spüren ist. Bei einer Einzelperson würde man hier von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sprechen. Im Fall einer Behörde mit inneren (Doppelrolle Regulierung/ Öffentlichkeitsbeteiligung) und äußeren Zwängen (BMU) ist die Diagnose wohl komplizierter.
Neben diesem Fehlgriff ins Politische auch Positives zu vermelden
Neben diesem Fehlgriff ins Politische ist auch Positives aus dem BaSE zu vermelden. So hat das BaSE mit einem Schreiben vom 09.10.2020 an die BGE darauf hingewiesen, dass der Zwischenbericht Teilgebiete Nachbesserungsbedarf für die Diskussion in der Fachkonferenz aufweist. Angesprochen werden Benutzerfreundlichkeit, Dokumentenstruktur, Veröffentlichung noch ausstehender Daten und Darstellung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung.
endlagerdialog.de erklärt sich bereit
Ähnliches hat endlagerdialog.de in den Online-Veranstaltungen von .ausgestrahlt am 01.10.2020 und des BUND e. V. am 05.10.2020 angeregt. Notwendig ist eine didaktisch aufbereitete Fassung mit gleichem Inhalt, deren Eignung schließlich in einer Testgruppe geprüft werden sollte. Diese Arbeit war von der BGE vor Veröffentlichung des Zwischenberichts nicht zu erwarten, da dies zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte. Jetzt sollte dies in Angriff genommen werden, um bis Anfang 2021 eine allgemein verständliche Grundlage für die Erörterung in der Fachkonferenz Teilgebiete vorliegen zu haben. endlagerdialog.de erklärt sich bereit, in einem Redaktionsteam mitzuarbeiten und die Erfahrung aus 20 Jahren Tätigkeit in diesem Bereich einzubringen.
Es wird nicht deutlich, warum BGE ein Persilschein ausgestellt wird, auf alle Fälle rein wissenschaftliche Kriterien angewendet zu haben. Gerade hier, wo das politische Interesse der BGE, sich des Stolpersteins Gorleben ein für allemal zu entledigen, klar auf der Hand liegt! Es ist keine unzulässige politische Einflußnahme zu fordern, daß insbesondere dort, wo politische Interessen vermutet werden können, wissenschaftliche Entscheidungen einem kritischen Nachfragen standhalten müssen. Nicht nur hypothetisch, sondern einem tatsächlichen Nachfragen. Der Hinweis von Herrn König, daß ein solches Nachfragen / Überprüfen nicht stattgefunden hat, ist deshalb in diesem Zusammenhang sehr relevant. Das mit „Angst vor Kontrollverlust“ zu erklären, greift zu kurz. Denn auch bei intensivem Studium der BGE-Unterlagen bleiben sehr wohl noch Fragen offen. Aber kein Wissenschaftler traut sich, diese Fragen öffentlich zu stellen. In Bezug auf Gorleben wird ein Klima der Angst geschürt nach dem Motto: Wer das Ausscheiden Gorlebens als nicht schlüssig begründet ansieht und kritisch nachfragt, muß ein reaktionärer Betonkopf sein, der BGE-Unterlagen nicht lesen kann, das „wissenschaftsbasierte Verfahren“ nicht versteht, und doch bitte seinen Mund halten soll. Der Wissenschaftsbasiertheit ist damit nicht gedient.
Ich erinnere daran, daß der Ober-Schon-Immer-Experte heuer unmittelbar der BGE-Geschäftsführung zur Hand geht. An seiner Kompetenz, ein gewollten Ausscheiden von Gorleben durch geschicktes Ziehen und Drücken der wissenschaftlichen Argumentation herbeizuführen, besteht kein Zweifel. Und seine Fähigkeit, Problemfelder auf dem Weg zum klassischen Endlagerbergwerk beiseite zu räumen, hat er bereits mit der Aufgleisung der Sicherheitsanforderungen unter Beweis gestellt, die nach seiner roten Karte von seinen Mitstreitern am 14.10. noch über die Zeit gebracht wurden. Alles gesetzeskonform. Ein Gesetz bringt jedoch keine Wissenschaftsbasiertheit. Kritisches Nachfragen und die inhaltliche Auseinandersetzung mit Argumenten schon.
Guter Artikel von Klausel,
Geologen sprechen über Geologie. – Die Teufe von Endlagern bestimmt die Technik – Ihr Artikel hat mir gut gefallen.
Anmerkung Redaktion: Firmenwerbung wurde entfernt
Persilschein für die BGE?
Vielen Dank für diese kritische Anmerkung. Vielleicht bin ich da in der Formulierung etwas zu weit gegangen.
Sie haben recht: Wenn man wissenschaftsbasiert und nicht nur wissenschaftsverbrämt arbeiten will, muss man jede wissenschaftliche Entscheidung auch hinterfragen lassen. Popper hat uns schon gesagt, dass der Kern von Wissenschaft in der Falsifizierung steckt (empirisches Falsifikationsprinzip).
Ich spreche mich ja nicht dafür aus, auf eine Nachprüfung im Fall Salzstock Gorleben zu verzichten. Ich spreche mich dafür aus, nicht Gorleben herauszupicken und das allein auf den Prüfstand zu stellen, sondern im Sinne des komparativen Verfahrens alle identifizierten steilen Salzlagerungen und den entsprechenden Abwägungsprozess zu betrachten. Dabei gehe ich nicht von der Ideologie des StandAG aus, dass eine wirklich fundierte Komparation über alle Gestein möglich ist, sondern würde mich hier auf die steilen Salzlagerungen beschränken.
Und wenn ich schreibe
, dann sind diese wenigen Fragen auch zu stellen. Dies wird ab Februar 2021 hoffentlich geschehen. Dazu sind alle Bürger*innen aufgerufen, insbesondere auch die Wissenschaftler*innen.
Ich hoffe, Sie stellen dann auch ihre Fragen – wenn es sein muss, anonym über endlagerdialog.de!