FAZ.net zu Gorleben
In der FAZ.net vom 29.09.2020 stellt Jasper von Altenbockum unter der Überschrift Gorleben musste sterben Überlegungen zum Ausscheiden des Salzstocks Gorleben aus der Endlagerstandortsuche an.
Mit 4 Mrd. Jahre Vergangenheit 1 Mio. Jahre in die Zukunft
Darin wird richtig festgestellt, dass 1 Mio. Jahre für Geolog*innen ein Wimpernschlag ist, denn die Geologie hat einen Betrachtungszeitraum von gut 4 Mrd. Jahre. Aber die Aussage, diese 1 Mio. Jahre wäre aus der Luft gegriffen trifft nicht zu.
Begründung für 1 Mio. Jahre in AkEnd-Bericht und Nichtwissen
Der Blick in den AkEnd-Bericht von 2002 offenbart folgenden Grund (S. 28 f.):
Der AkEnd ist der Auffassung, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen praktisch vernünftige Prognosen über die geologische Standortentwicklung in günstigen Gebieten, wie sie auch in Deutschland existieren, über einen Zeitraum in der Größenordnung von einer Million Jahren erstellt werden können.
Also selbst der Rückblick auf 4 Mrd. Jahre erlaubt nur einen Prognosezeitraum von 1 Mio. Jahre. Da die radioaktiven Abfälle aber darüber hinaus schädlich sein können, ist jedes Langzeitlager mit Nichtwissen behaftet – Konsequenzen siehe Wehling, P.(2006). Im Schatten des Wissens? Perspektiven der Soziologie des Nichtwissens.
Erweiterung des Betrachtungszeitraums von 10.000 auf 1 Mio. Jahre
Es ist aber falsch, dass durch die Erweiterung des Betrachtungszeitraums von 10.000 Jahre (RSK/SSK-Stellungnahme zu den Sicherheitskriterien 1983) auf 1 Mio. Jahre der Salzstock Gorleben aufgrund des fehlenden Deckgebirges kritischer betrachtet wurde. Das Gegenteil ist der Fall. Von der BGR wurde in der Salzstudie 1995 dem Kriterium Deckgebirge sehr hohe Bedeutung zugemessen. Der Salzstock Gorleben wäre damit nicht in die nähere Auswahl gekommen. Deshalb durfte aufgrund politischer Vorgaben Gorleben in dieser Studie nicht erwähnt werden.
AkEnd formuliert kein Deckgebirgskriterium
Der AkEnd stellte für das Deckgebirge dann kein Kriterium mehr auf. Durch die Erweiterung des Betrachtungszeitraums von 10.000 auf 1 Mio. Jahre spiele ein Deckgebirge keine Rolle, da Eiszeiten ein solches beseitigen würden. Dass es durchaus Deckgebirge geben könnte, die aufgrund ihrer Tiefenlage und insbesondere hydromechanischer Eigenschaften auch Eiszeiten standhalten könnten, wurde nicht beachtet.
Deckgebirge in StandAG als geowissenschaftliches Abwägungskriterium und komparatives Verfahren
In das StandAG wurde das Kriterium Deckgebirge wieder aufgenommen, aber nicht in der Strenge der Salzstudie 1995, wo es als Ausschlusskriterium behandelt wurde. Es wurde lediglich als geowissenschaftliches Abwägungkriterium aufgenommen. Doch das jetzt angewendete komparative Auswahlverfahren, das wissenschaftlich die einzige passende Methode ist, führte zum Ausschluss des Salzstocks Gorleben.
Ein zutreffendes Fazit
Jasper von Altenbockum kommt schließlich zum Fazit:
Also doch: eine Sache des Augenmaßes und nicht nur der strengen Wissenschaft? Die Befürworter von Gorleben, darunter etliche Wissenschaftler, werden sich fragen, welche Daten denn nun im Einzelnen zugrunde gelegt wurden, um zu der BGE-Bewertung zu kommen.
Da hat er Recht: Ohne Augenmaß kommt Geologie nicht aus. Es ist eine beschreibende und keine exakte Wissenschaft. Und es gibt etliche gute Geowissenschaftler*innen, die mit Gorleben-Untersuchungen ihr Arbeitsleben verbracht haben. Leider wurden sie von der Politik auf das falsche Pferd gesetzt, da eine unpassende Wissenschaftsmethode zugrunde gelegt wurde. Damit war persönlicher Frust vorprogrammiert.
Wissenschaftjournalistischer Sachverstand fehlt selbst bei der FAZ
Leider bringt selbst die FAZ es nicht zuwege, mit wissenschaftjournalistischem Sachverstand in die Problematik der Standortauswahl einzusteigen. Leider programmiert die BGE dieses vor, wenn sie eine wissenschaftliche Studie – der Hierarchie entsprechend – allein von Nichtgeologen vorstellen lässt.
Eiszeiten-Erosion von Deckgebirge und Überdeckung
Wie im obigen Beitrag geschildert, wurde die BGR für den AkEnd offensichtlich politisch konditioniert, durch Erweiterung des Betrachtungszeitraums von 10.000 auf 1 Mio. auf Deckgebirgsanforderungen zu verzichten.
Welche Erosionsprozesse sind durch Eiszeiten möglich? Dazu gibt es im International Journal of Earth Sciences einen neuen Artikel mit dem Titel Differentiation of subglacial conditions on soft and hard bed settings and implications for ice sheet dynamics: a case study from north-central Poland.
Frage von endlagerdialog.de an die geologic scientific community: Was ist daraus für die Deckgebigs- und Überdeckungsdiskussion zu verwenden?
DBHD nimmt neue Eiszeitliche RinnenTiefen mit ca. 600 Meter an – daraus leitet sich für Nord-Ost-Deutschland ein Anspruch ab nur tiefe Endlager dort bauen zu können.