Das GeoForschungsZentrum Potsdam macht sich bei der Endlagersuche stark

Schwerpunkt: Ohne Geowissenschaften keine Endlagerung

Die aktuelle Ausgabe des Journals des GeoForschungsZentrums (GFZ) hat den Schwerpunkt Endlagerung radioaktiver Abfälle. Neben sechs geowissenschaftlichen Beiträgen mit den Überschriften

ist ein Gespräch zwischen jungen Geowissenschaftler*innen und Mitstreiter*innen von Fridays for Future mit dem Titel

und fünf Informationsblöcke

im Heft (2/2021) auf insgesamt 45 Seiten zu finden.

Nadel im Heuhaufen

Im Beitrag Nadel im Heuhaufen wird aus geowissenschaftlichem Blick allgemein in die Endlagersuche und in die gesetzliche Grundlage eingeführt.

Standortsuche im Spannungsfeld

Im Beitrag Standortsuche im Spannungsfeld geht es nicht um das politisch-gesellschaftliche Spannungsfeld, sondern um mechanische Spannungen im geologischen Untergrund. Hier wird – wie schon auf den Tagen der Standortauswahl 2019 – ausgeführt, dass das Ausschlusskriterium seismische Aktivität im StandAG nicht zielführend ist und durch einen geophysikalischen Ansatz ersetzt werden muss – siehe hier ab Absatz Keine grundlegenden Einwände?. Die Betrachtung des Spannungsfeldes bringen die Ausschlusskriterien seismische Aktivität und aktive Störungszonen zusammen.

Licht ins Dunkel bringen

Im Aufsatz Licht ins Dunkel bringen werden hochauflösende seismische, über- und untertägige Untersuchungsmethoden geschildert, die zum Beispiel nicht nur die Reflexionen, sondern auch die Diffraktionen von Schallwellen ausnutzen.

Gesteinseigenschaften geben den Ton an

In Gesteinseigenschaften geben den Ton an wird speziell auf das Wirtsgestein Tonstein eingegangen. Dabei wird die oft vorliegende Heterogenität in Tonsteinvorkommen betont, die hohe Anforderungen an die Erkundung stellen. Selbst mikrobielle Faktoren sind dabei zu berücksichtigen.

Modelle simulieren die Zukunft

Um Prognosen zum Verhalten eines Endlagers über einen langen Zeitraum machen zu können, müssen Modelle erstellt und Simulationsrechnungen durchgeführt werden. Darüber wird zum Beispiel ausgeführt:

Zur Finalisierung des geologischen Modells bedarf es am Ende aber auch noch fachlicher Expertise und hinreichende Erfahrung. Fachliche Expertise ist hier essenziell, hat aber auch zur Folge, dass das Ergebnis von der bearbeitenden Person abhängt. Daher ist auch die umfangreiche und vollständige Dokumentation für eine bestmögliche Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit der geologischen Modelle unbedingt erforderlich.

Sich dies immer wieder zu vergegenwärtigen, ist wichtig. Das StandAG liefert also keinen eindeutigen Algorithmus für das Auffinden des bestmöglichen Endlagerstandorts, an vielen Stellen braucht es fachliche Expertise oder auch Pragmatismus.

Stabilität über eine Million Jahre

Erosionsprozesse und damit die Möglichkeit, dass selbst bei einem Tiefenlager die radioaktiven Abfälle freigelegt werden können, werden im Beitrag Stabilität über eine Million Jahre erläutert. Hier werden numerische Modelle der Landschaftsentwicklung entwickelt und angewendet. Eiszeiten und Verlagerung von Flussläufen sind dabei kritische Prozesse. Erwähnt wird zum Beispiel bei der Modellentwicklung die Verwendung von durch Höhenstrahlung an der Erdoberfläche gebildete Nuklide und deren Bestimmung in Flusssedimenten.

„Ich wünsche mir, dass sich junge Menschen in den Suchprozess einbringen“

Interessant am Gespräch zwischen jungen Geowissenschaftler*innen, die sich mit Endlagerproblemen befassen, und Vertreter*innen von Fridays for Future ist die Einschätzung von Endlagerung und Atomkraftnutzung vor dem Hintergrund der Klimaentwicklung mit den befürchteten Kipppunkten.

Dialogbereitschaft, Forschungslandschaft und weitere Informationen

Im Weiteren versichern Geowissenschaftler*innen des GFZ, aktiv in den Dialog mit Bürger*innen einzutreten, um sie über Forschungsfragen und ihre Antworten ebenso zu informieren wie über die Grenzen des Wissens. Bei der Schilderung der Forschungslandschaft zur Endlagerung werden noch drei zuständige Bundesministerien benannt, nämlich das Wirtschafts- (BMWK), das Umwelt-(BMUV) und das Forschungsministerium (BMBF). Das BMWK hat diese Rolle jedoch durch den Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 08.12.2021 verloren – siehe Ist der Pluralismus der Endlagerforschung in Gefahr? Wichtig ist der Hinweis auf den Forschungsverbund iCross, der vom BMBF und der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert wird. Schließlich wird noch das NBG vorgestellt und eine kurze Linkliste für weitere Informationen zur Endlagerung zur Verfügung gestellt.

Fazit

Insgesamt lohnt es sich, die knapp fünfzig Seiten an zwei/drei Abenden durchzulesen. Durch die wenigen Fachtermini sollte man sich nicht abschrecken lassen. Es fehlt jedoch eine Öffnung des Problemfeldes in der Weise, zu schildern, welche Bedeutung das Standortauswahlverfahren für die Entwicklung der Geowissenschaften haben könnte? Wird die beschleunigte Veröffentlichung von Geologiedaten durch das Suchverfahren gegenüber der INSPIRE Richtlinie die Geowissenschaften in Deutschland beflügeln? Welche Bedeutung hat die Aufstellung von Karten zum Spannungsfeld außerhalb der Endlagersuche? Und so weiter…

10 Gedanken zu „Das GeoForschungsZentrum Potsdam macht sich bei der Endlagersuche stark

  1. Wie soll denn sonst Vertrauen in die Wissenschaft wachsen?

    Zum Gespräch mit Fridays for Future ist noch ein wichtiger Punkt zu ergänzen. So wird gesagt:

    Und doch bleibt Kommunikation aus der Wissenschaft absolut wichtig. Schweigen in der öffentlichen Diskussion kann doch keine Option sein, sonst schweigen wir uns in die Katastrophe. Ich sehe da auch den Journalismus in der Pflicht. Wir brauchen Journalismus, der sich mit Wissenschaft auskennt.

    Und weiter:

    Aber Wissenschaft darf nicht einfach bei der Publikation einer Studie aufhören. Die Ergebnisse müssen verständlich gemacht werden, ich würde sogar sagen, mindestens auf zwei Arten – einmal für Wissenschaftsjournalist*innen und fachlich tiefer Interessierte, einmal so, dass es auch Kinder verstehen. Wie soll denn sonst Vertrauen in die Wissenschaft wachsen?

    Hier besteht noch weiter Handlungsbedarf bei BaSE- und BGE- Forschungsergebnissen.

  2. „Ohne Geowissenschaften keine Endlagerung“ sollte man offensichtlich ergänzen/erweitern durch „Ohne Strahlenschutz keine Endlagerung“. Ein inzwischen anhand vieler Expositionssituationen umfassend dokumentiertes, aber offiziell noch nicht anerkanntes strahlen-genetisches Problem wird hier exemplarisch dargestellt: https://www.ippnw.ch/2021/01/12/rueckgang-der-maedchengeburten-ab-2011-in-der-umgebung-des-kernkraftwerks-leibstadt/.
    „Und doch bleibt Kommunikation aus der Wissenschaft absolut wichtig. Schweigen in der öffentlichen Diskussion kann doch keine Option sein, sonst schweigen wir uns in die Katastrophe.“ Dem ist unbedingt zuzustimmen. Allerdings sollte man auch nicht übersehen, dass zum „Aussprechen“ ein gewisses Maß and Zivilcourage gehört. Doch wie das Beispiel „Corona“ zeigt, sind bereits die Notwendigkeit von und das Verlassen auf Zivilcourage Hinweise auf ein allgemeines gesellschaftliches Versagen vor einem inzwischen massiv anti-aufklärerischem Zeitgeist: https://tkp.at/2022/02/10/selbstzensur-der-geaengstigten-ein-einblick-in-meine-journalistische-praxis/.

    • Zivilcourage braucht jeder, der sich öffentlich zu politisch sensiblen Punkten seiner eigenen Arbeit äußert. Kein Endlagerexperte würde ohne weiteres öffentlich sagen, dass er bestimmte öffentlich diskutierte Sorgen für kompletten Mumpitz hält. Das Karriereende wäre vorprogrammiert. So gesehen haben Sie da einen validen Punkt. Ob ich dafür als Beispiel ausgerechnet einen Artikel von einer sehr tendenziösen Seite nehmen würde, die gerne zweifelhafte Aussagen zur Impfung verbreitet, weiß ich nicht. Oder anders gesagt: Hemmungen, sich öffentlich als Verfechter einer allgemein als wissenschaftlich nicht haltbar eingeschätzten Position zu exponieren, ist noch kein Indiz für anti-aufklärerischen Geist….

      • Das Corona-Beispiel habe ich zitiert, weil es aktuell und konkret Aktions- und Interaktionsprobleme sowie Mechanismen in der hier angesprochenen und geforderten Wissenschaftskommunikation beleuchtet. Den anti-aufklärerischen Zeitgeist können Sie aber auch an dem (nicht nur in der Endlagerdiskussion) unterbelichteten Thema der genetischen Strahleneffekte erkennen, auf das ich zuvor hingewiesen hatte. Warum ignorieren Sie diese strahlengenetischen Beobachtungen und Effekte. Lenken Sie sich hier selber – mit Bezug auf Corona – reflexartig davon ab? Zu behaupten, DIE Wissenschaft wäre sich klar über die mangelnde Relevanz der strahlengenetischen Effekte, hielte ich für oberflächlich und nicht Evidenz- oder Fakten-basiert. Mein Punkt ist: Der professionelle Umgang mit der Endlagerung müsste die strahlengenetischen Effekte aktiv bearbeiten und nicht kollektiv verdrängen. Dann bräuchte es nicht die Befürchtung des „Schweigens in die Katastrophe“ wegen (zufällig) fehlender Zivilcourage.

        • Das Coronabeispiel kam von Ihnen und nicht von mir. Ich bleibe dabei, dass das – vorsichtig gesagt – ausgesprochen unglücklich gewählt ist. Darauf bezog sich selbstverständlich auch mein letzter Satz. Fachliche Frage: Sehen sie eine realistische Möglichkeit, dass Effekte, die sie für die Zwischenlagerung postulieren, auf den Wasserpfad übertragbar sind?

          • Danke für die Frage. Zu den Expositionspfaden und den Wirkmechanismen können wir/kann ich nicht viel sagen. Wir haben bisher über Tritium (Wasserpfad) oder weiträumige Neutronen-Skyshine-Effekte (incl. Aktivierungen in Geweben) spekuliert. Das ist es, was ich u.a. mit anti-aufklärerisch meinte: Schließung von Strahlenbiologie- und Strahlengenetik-Instituten, welche es vor einigen 10 Jahren noch gab. Es ist vielleicht auch zu kurz gedacht, im Idealfall sei unter der Erde ein fast hermetischer Abschluss der Abfälle möglich, wenn man auf dem Weg dahin alles Mögliche (bildlich gesprochen) verschüttet und die Umwelt kontaminiert, was gemäß unseren Analysen bereits passiert – praktisch ohne, dass es jemand merkt bzw. anerkennt.

  3. Vielen Dank für die Antwort – das bringt mein Verständnis weiter. Für mein weiteres Verständnis und ohne provokativ sein zu wollen:
    Tritium im Grundwasser in der Nähe von Zwischenlagern bräuchte ja einen entsprechenden Austrittspfad. Da sehe ich gerade keine realistische Möglichkeit (oder gibt es da entsprechende Messungen?). Blieben die Neutronen-Skyshine-Effekte, welche ich persönlich nicht beurteilen kann. Diese sind aus einem Endlager heraus ja nun explizit nicht zu erwarten (oder doch?). Würde das dann aus Ihrer Sicht nicht bedeuten, dass die von Ihnen beschriebenen Effekte nicht für eine falsche Betrachtung des Strahlenschutzes bei der Endlagerung sprechen, sondern eher für eine möglichst schnelle Endlagerung? Ich gehe dabei natürlich voraus, dass ich bei einem ordentlich gebauten Endlager die Umwelt eben nicht kontaminiere…

  4. Der erste Link „Die aktuelle Ausgabe“ ist falsch, genauso auch die Links bei
    „Gesteinseigenschaften geben den Ton an“
    „Modelle simulieren die Zukunft“
    „Stabilität über eine Million Jahre“

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