Endlich Inhaltliches nach einem halben Jahr
Bei der 5. Sitzung der Endlagerkommission war das erste Mal seit Bestehen der Kommission – seit fast einem halben Jahr – Inhaltliches auf der Tagesordnung. Mit TOP 3 war eine Anhörung zur Evaluierung des Standortauswahlgesetzes angesetzt. Schon die Liste der eingeladenen Personen enttäuschte. Die JuristInnen waren beherrschend, von den 16 Angehörten waren 14 aus dieser Berufsgruppe. Drei Vertreter von Initiativen hatten aus verständlichen Gründen ihre Teilnahme abgesagt (Liste, Seite 2-6).
Keine WissenschaftlerIn auf der Einladungsliste
Nicht eine einzige WissenschaftlerIn stand auf der Liste. Das ist schon erstaunlich, denn das Gesetz soll ja nach § 1 Abs. 1 ein wissenschaftsbasiertes und transparentes Verfahren regeln. In der Anhörung spiegelte sich die Fehlkonstruktion des gesamten Gesetzgebungsverfahrens wider.
Gesetz ohne wissenschaftliche Grundlage
Das Gesetz wurde von JuristInnen ohne wissenschaftliche Grundlage entwickelt, durch Bund-Länder-Kompromisse weiter verwässert und schließlich durch Bundestagskompromisse noch einmal verschlimmbessert. Und nicht einmal bei der Evaluierung werden WissenschaftlerInnen gefragt, was sie dazu zu sagen haben.
Hennenhöfer: Statt Gesetz politische Vereinbarung
Da hilft es auch nichts, wenn Herr Hennenhöfer nicht das erste Mal betonte, dass es wohl angeratener gewesen wäre, statt des Gesetzes eine politische Vereinbarung zu treffen.
Aber JuristInnen können auch über ein Gesetz zu einem angeblich wissenschaftsbasierten Verfahren ohne erkenntliche wissenschaftliche Methodik trefflich streiten, was sie in der Anhörung stundenlang taten.
JuristInnen reichen Vermutungen über Methodik aus
Es reicht ihnen aus, Vermutungen über die zugrundeliegende Methodik anzustellen – zum Beispiel ob es ein komparatives oder ein absolutes Verfahren ist. Welches Verfahren aus sachlicher Sicht, zum Beispiel aus der Sicht des Strahlenschutzes vor dem Hintergrund der geologischen Wissenschaft, notwendig ist, spielte bei der Anhörung keinerlei Rolle. Und das haben sich auch die fünf Wissenschaftler unter den Vertretern der Wissenschaft bieten lassen. Ein erstaunlicher Vorgang!
Komparatives Abwägungsproblem im multikriteriellen Entscheidungsraum
Es handelt sich bei der Auswahl eines Standorts eines Tiefenlagers für radioaktive Stoffe, und dafür sollte das Gesetz – unter Offenhaltung anderer Optionen – im Wesentlichen gestrickt sein, um ein komparatives Abwägungsproblem in einem multikriteriellen Entscheidungsraum. Das ergibt sich aus der Präferierung der natürlichen geologischen Barrieren, der Geologie Deutschlands und des Optimierungsgrundsatzes des Strahlenschutzes.
Verfahren ist in der Regionalplanung tägliches Brot
Dieses Verfahren ist nicht einmalig, sondern zum Beispiel in der Regionalplanung das tägliche Brot. Dafür sind Methoden entwickelt worden, die auf das Problem des atomaren Tiefenlagers abzubilden sind. Dabei stellt sich als erste Frage, ob man die komparative Suche nach dem skalaren Nutzwert- oder nach dem vektoriellen Abwägungsansatz durchführen will und/oder kann?
Politische Nebenbedingung Gorleben
Weiterhin wird als politische Nebenbedingung – ob berechtigt oder unberechtigt, spielt dabei erst einmal keine Rolle – die Teilnahme des Standorts Gorleben gefordert. Damit ergibt sich wissenschaftsmethodisch automatisch die Grundgesamtheit aller zu untersuchenden Standorte.
Ranking auf der durch Gorleben bedingten Grundgesamtheit
Diese Grundgesamtheit besteht aus allen Standorten in der Bundesrepublik, die mindestens die Kriterien erfüllen, die zur Auswahl von Gorleben geführt haben (8/3082, Seite 6). Das Ranking in dieser Grundgesamtheit ist nun, aus Effizienzgründen sinnvollerweise stufenweise, mit Hilfe von Vergleichskriterien entweder skalar oder vektoriell zu ermitteln. Das ist das schwierige Kernstück des gesamten Verfahrens.
Die politische Entscheidung mit Beteiligung der Bürger
Nach wissenschaftlicher Gegenüberstellung der Methodenvarianten haben die Politik und im Sinne der im Strahlenschutz notwendigen Risikokommunikation auch die Bürger sich für eine Variante zu entscheiden.
Die JuristInnen als Handwerker
Erst nach dieser Methodenentscheidung kann das Problem den JuristInnen übergeben werden, die handwerklich dafür zu sorgen haben, die Methodik in ein Gesetz zu fassen, was mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie Verfassung und Europarecht konform ist und die Gewähr bietet, über längere Zeit – möglichst bis Ende des Suchverfahrens – Bestand zu haben.
Multikriterielles Auswahlverfahren von KEWA und AkEnd
Ein solches multikriterielles Auswahlverfahren im Bereich radioaktiver Abfälle wurde bis 1977 von der KEWA durchgeführt. Weiterhin war der AkEnd auf dem gleichen Weg, wobei aber noch gewisse Punkte der Methode – absichtlich oder unabsichtlich – offengelassen wurden. Dem heutigen StandAG liegt keinerlei wissenschaftliche Methodik zugrunde. Deshalb ist die an verschiedenen Stellen vorgebrachte Kritik der Abfallverursacher, dass das Verfahren nach StandAG methodisch mangelhaft sei, durchaus berechtigt.