Exportverbot für radioaktive Abfälle gehört ins Grundgesetz

richtlAtommüllexport nach EURATOM

Für viel Wirbel sorgte der – laut Tagesspiegel 39-seitige – Entwurf eines 14. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes zur Umsetzung der EURATOM-Richtlinie vom 19. Juli 2011. In § 3a des Atomgesetzes soll der entsprechende Richtlinienteil zum Atommüllexport und -import 1:1 umgesetzt werden:

Artikel 4
Allgemeine Grundsätze
..
(4) Radioaktive Abfälle werden in dem Mitgliedstaat endgelagert, in dem sie entstanden sind, es sei denn, zum Zeitpunkt der Verbringung war — unter Berücksichtigung der von der Kommission in Einklang mit Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 2006/117/Euratom festgelegten Kriterien — ein Abkommen zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat in Kraft, nach dem eine Anlage zur Endlagerung in einem dieser Staaten genutzt wird.

Vor der Verbringung in ein Drittland unterrichtet der Ausfuhrmitgliedstaat die Kommission über den Inhalt jedweden solchen Abkommens und ergreift angemessene Maßnahmen, um sich von Folgendem zu überzeugen:

a) Das Bestimmungsland hat ein Abkommen über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle mit der Gemeinschaft geschlossen oder ist Vertragspartei des Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle (im Folgenden „Gemeinsames Übereinkommen“).

b) Das Bestimmungsland verfügt über Programme für die Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Abfälle, deren Ziele ein hohes Sicherheitsniveau bedeuten und denjenigen dieser Richtlinie gleichwertig sind.

c) Die Anlage zur Endlagerung im Bestimmungsland verfügt über eine Genehmigung für den zu verbringenden radioaktiven Abfall, ist vor der Verbringung in Betrieb und wird gemäß den Anforderungen des Programms für die Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Abfälle dieses Bestimmungslands betrieben.

Damals: Verabschiedung der Richtlinie

Die entsprechende Pressemitteilung des BMU zur Verabschiedung der Richtlinie enthält zum Atommüllexport folgende Passage:

Für das ursprünglich von der Kommission vorgesehene Exportverbot für radioaktive Abfälle und bestrahlte Kernelemente in außereuropäische Drittländer fand sich keine Mehrheit im Rat. Die jetzt gefundene Kompromisslösung knüpft die Genehmigung möglicher Exporte zum Zwecke der Endlagerung außerhalb der Europäischen Union allerdings an die Voraussetzungen der vorliegenden Entsorgungsrichtlinie und gewährleistet damit den entsprechenden höchsten Sicherheitsstandard.

Hintergrundpapier von Bund und Ländern zum Atommüll

Wenig später, am 15.12.2011, wird vom BMU ein Hintergrundpapier veröffentlicht, in dem es heißt:

Es entspricht der nationalen Verantwortung, dass die in kerntechnischen Anlagen in Deutschland angefallenen radioaktiven Abfälle auch in Deutschland entsorgt werden.

Nach den Erläuterungen auf der Pressekonferenz am 15.12.2011 ist dieses Papier ein Ergebnis der beiden Bund-Länder-Plenums-Sitzungen zum Standortsuchgesetz am 11.11. und 15.12.2011 und zweier Bund-8-Länder-Sitzungen dazwischen – siehe auch Artikel Endlich etwas Konkretes zum Endlagersuchgesetz.

Altmaiers 10-Punkte-Programm

Doch dem hehren Anspruch auf die nationale Verantwortung für die radioaktiven Abfälle folgte nichts. Nur im 10-Punkte-Programm des Bundesumweltministers Altmaier taucht die EURATOM-Richtlinie auf – siehe auch hier:

Hierzu strebe ich an:
….
• Umsetzung der EU-Richtlinie „Nukleare Entsorgung“ in einem gesonderten Gesetz bis zur Sommerpause 2013.

Dies soll jetzt offensichtlich mit dem 39-seitigen Entwurf eines 14. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes in die Tat umgesetzt werden. Die Rahmenbedingungen, die am 15.12.2011 verkündet wurden, hat man unter den Tisch fallen lassen.

§ 9a Atomgesetz auf der Bundespressekonferenz

Nach einem Bericht des Journalisten Arnd Henze ging das BMU auf der Bundespressekonferenz davon aus, dass im § 9a Atomgesetz ein Exportverbot von Atommüll festgelegt ist.

Dann blickte er [Sprecher des Umweltministeriums Ingo Strube] konzentriert auf seine Unterlagen und zitierte den Paragrafen 9a des Atomgesetzes: „Im Inland entstandene Abfälle sind grundsätzlich an ein vom Bund zu errichtendes Endlager abzuliefern.“ Dieser Grundsatz gelte auch weiterhin.

Der wahre § 9a des Atomgesetzes bietet durchaus Öffnungen bezüglich Atommüllexport:

(2) Wer radioaktive Abfälle besitzt, hat diese an eine Anlage nach Absatz 3 abzuliefern. Dies gilt nicht, soweit Abweichendes nach Satz 3 oder durch eine auf Grund dieses Gesetzes erlassene Rechtsverordnung bestimmt oder auf Grund dieses Gesetzes oder einer solchen Rechtsverordnung angeordnet oder genehmigt worden ist…..

(3) Die Länder haben Landessammelstellen für die Zwischenlagerung der in ihrem Gebiet angefallenen radioaktiven Abfälle, der Bund hat Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten…..

Zum Zitat nach Ingo Strube liest man Folgendes:

Das angebliche Zitat steht tatsächlich nicht im Atomgesetz. Dafür bietet der Sprecher eine schriftliche Erläuterung der Hausjuristen an, die er aber nur „unter Drei“ weiter mailt – aus der also nicht zitiert werden darf. Nur so viel: Aus verschiedenen Sätzen in unterschiedlichen Absätzen ergebe sich sinngemäß der Grundsatz der Inlands-Endlagerung. Nun enthält der gleiche Paragraf freilich auch Sätze, die mit einer Formulierung wie „Das gilt nicht, wenn…“ beginnen – also mögliche Ausnahmen von der Regel offen lassen.

Exportverbot für radioaktive Abfälle gehört ins Grundgesetz

Um zu verhindern, dass durch einfache Mehrheit eine Rechtsverordnung nach Atomgesetz verabschiedet wird, die den Export erlaubt, oder dies schon nach der Atomrechtlichen Verbringungsverordnung formal genehmigungsfähig ist, sollte man bei dieser angeblich eindeutigen Ablehnung eine Regelung ins Grundgesetz aufnehmen. Hier gehört ein eindeutiges Verbot des Exports von radioaktiven Abfällen hinein. Denn die Verlockung zur Verschiebung der Abfälle ist groß, bereits angesprochen im Artikel Erst wird der Termin verschoben! – Dann der Abfall?

Irgendwann wird man irgendwo im Osten die radioaktiven Abfälle lagern

Wird also nach dem Termin zum nächsten Treffen zum Endlagersuchgesetz schließlich auch der radioaktive Abfall verschoben, wie es nach Angabe von Herrn Hennenhöfer von der Energiewirtschaft in den 1990er Jahren zu hören war?

…irgendwann wird man irgendwo im Osten die radioaktiven Abfälle lagern….

Dem gilt es, eindeutig durch Ergänzung des Grundgesetzes vorzubeugen.

Und der Import?

Und wie sieht es mit einem Import aus? Hier haben wir die Sicherheits- und weitere Importkriterien in der Hand. Ein absolutes Importverbot ist nicht gerechtfertigt. Wie sieht es zum Beispiel mit Dänemark aus? Ist hier folgender Kommentar gerechtfertigt?

Eigentlich ist es abstrus, für 10.000 Kubikmeter schwach- und mittelaktiven radioaktiven Abfall ein Endlager errichten zu wollen. Auch wenn die Maxime der Entsorgung in eigener nationaler Verantwortung es immer wieder hochzuhalten gilt, in diesem Fall bietet sich doch eine binationale Kooperation an. Dies ist auch damit zu rechtfertigen, dass keine weiteren wesentlichen Mengen produziert werden, da Dänemark konsequent auf die Atomenergienutzung verzichtet hat.

Gegenleistung von Dänemark könnte sein, dass sich die dänische Scientific Community an der deutschen Endlagerdiskussion beteiligt und so den deutschen Tunnelblick aufweitet. Pluralismus zahlt sich in der Regel aus.

Transparenz und Trennung Management/Überwachung

Doch zurück zum 39-seitigen Entwurf eines 14. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes. Nach der EURATOM-Richtlinie sind ja auch andere Punkte umzusetzen. Dies wurde hier unter dem Stichwort EURATOM-Richtlinie schon verschiedentlich aufgegriffen. Wie sieht es mit der Transparenz und der Trennung von Endlagermanagement  und Endlagerüberwachung aus? Denn was in Gorleben, Morsleben, Asse und Konrad getrieben wird, entspricht nicht den Transparenzanforderungen. Und Management sowie Überwachung liegen noch immer zusammen beim BfS. Oder schließt man sich der Meinung von Frau Keienburg an, die auf dem sogenannten Endlager-Symposium die folgende Rechtsauffassung vertrat?

Schließlich ist es nach der Rechtsprechung des BVerwG „sogar“ zulässig, wenn Vorhabenträger und Zulassungsbehörde identisch sind. [36] Eine Identität von Vorhabenträger und Aufsicht ist im Falle einer behördlichen Aufgabenwahrnehmung nicht nur zulässig, sondern üblich. Unabhängig davon ist die erforderliche organisatorische Trennung auch bereits derzeit gewährleistet.

Das behauptet auch das BfS, der Transparenz und dem Vertrauen ist dies jedoch keinesfalls dienlich.

Der 39-seitigen Entwurf sollte also schnellstmöglich – selbstverständlich für private Zwecke – zur Verfügung gestellt werden.

Ein Gedanke zu „Exportverbot für radioaktive Abfälle gehört ins Grundgesetz

  1. Stellungnahme der Deutschen Umwelthilfe
    Wie aus einer Stellungnahme der Deutschen Umwelthilfe hervorgeht, hat das Bundesumweltministerium (BMU) am 14. Dezember 2012 einen Entwurf für ein „Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes“ vorgelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 4. Januar 2013 gewährt.

    Leider behandelt die Stellungnahme der DUH vom 28.12.2012 ausschließlich die Verbringung von radioaktiven Abfällen, nicht aber die weiteren Punkte zur Umsetzungen der EURATOM-Richtlinie. Dies ist umso bedauerlicher, da offensichtlich der Umwelthilfe der Gesamttext des 14. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes seit einiger Zeit vorliegt.

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