Erstmals deutschlandweit?
In unterschiedlichen Medien wurde anlässlich der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes durch den Bundesrat am 05.07.2013 berichtet, es sei das erste Mal, dass die Endlagersuche bundesweit stattfinde. So textet die tagesschau (9:33):
Zum ersten Mal soll jetzt deutschlandweit nach einem Endlager für Atommüll gesucht werden. Nach dem Bundestag hat heute auch der Bundesrat das sogenannte Standortauswahlgesetz gebilligt. Danach soll bis 2031 feststehen, wo das Lager für den strahlenden Abfall gebaut werden soll.
In der Welt wird formuliert:
Nach über 35 Jahren Konzentration auf den Salzstock Gorleben wird erstmals deutschlandweit nach einem Atommüll-Endlager gesucht. Der Bundesrat machte am Freitag einstimmig den Weg frei für ein Standortauswahlgesetz, mit dem Alternativen zu Gorleben geprüft werden sollen.
Das ist falsch!
Dieser Sachverhalt ist falsch. Bereit 1974 wurde bei der Suche nach dem Standort für eine Wiederaufarbeitungsanlage inklusive Endlager bundesweit vorgegangen. Wer den Gorleben-Untersuchungsauschuss aufmerksam verfolgt hat, dem wird das nicht entgangen sein. Die Methode und die Ergebnisse dieser bundesweiten Suche sind nachzulesen in:
Ermittlung mehrerer alternativer Standorte in der Bundesrepublik Deutschland für eine industrielle Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungsanlage – Entwicklungsvorhaben gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (1974). Frankfurt/ M-Höchst, KEWA Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-GmbH.
Von der BGR wurden immer wieder Studien zur Suche nach Endlagerstandorten erstellt, die sich prinzipiell auf das gesamte Bundesgebiet erstreckten. Zu nennen sind:
Bender, F., F. Kockel, et al.(1977). Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle – Katalog geeigneter geologischer Formationen in der Bundesrepublik Deutschland – Bericht zum Studienvertrag 025-76-9-WASD der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Best, G., O. Bornemann, et al.(1982). Bewertung von Salzformationen außerhalb Niedersachsens für die Errichtung von Endlagern.
Jaritz, W. und Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).(1983). Eignung von Salzstöcken in Niedersachsen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle.
Kockel, F., P. Krull, et al.(1995). Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen Deutschlands – Untersuchung und Bewertung von Salzformationen, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Bräuer, V., M. Reh, et al.(1994). Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen Deutschlands – Untersuchung und Bewertung von Regionen in nichtsalinaren Formationen, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.
Hoth, P., H. Wirth, et al.(2007). Endlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen Deutschlands Untersuchung – Bewertung von Tongesteinsformationen.
Die Entscheidung Niedersachsen vom Februar 1977
Die Fixierung allein auf Gorleben ist auf die Entscheidung Niedersachsen vom Februar 1977 zurückzuführen. Damals wurde politisch und entgegen jeder Wissenschaftlichkeit und Rationalität allein der Standort Gorleben zur Eignungsuntersuchung ausgewählt. Die Widerstände in der Wissenschaft waren zwar vorhanden – siehe Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 25.07.1985 -, hielten sich aber leider in engen Grenzen. So war es die Aufgabe der WendländerInnen, dieses unwissenschaftliche Vorgehen in 36-jähriger zäher Arbeit zu stoppen.
Das Standortauswahlgesetz beendet den im Jahr 1977 eingeschlagenen Irrweg
Das Standortauswahlgesetz setzt methodisch im Jahr 1977 an, als die komparative Suche aus politischen Gründen verlassen wurde. 36 Jahre lang wurde versucht, Eignungsaussagen zu einem einzelnen Standort zu erstellen. Dies ist aus wissenschaftlicher und logischer Sicht unsinnig, wenn man bedenkt, dass die notwendigen Prognosen über einige Millionen Jahre von großen Unsicherheiten und von Nichtwissen geprägt sind.
Von den Strahlenschutzgrundsätzen bleibt allein die komparative Optimierung
Im Strahlenschutz gibt es drei Grundsätze: Die Rechtfertigung, die Dosisbegrenzung und die Optimierung. Bei der Langzeitlagerung vorhandener radioaktiver Abfälle entfällt das Prinzip der Rechtfertigung. Bei den notwendigen Prognosezeiträumen von zehn Millionen Jahren und den damit verbundenen Unsicherheiten und des Nichtwissens entfällt seriöserweise auch die Dosisbegrenzung. Allein übrig bleibt die Optimierung, und zwar die Optimierung des wesentlichen Bestandteils eines tiefengeologischen Langzeitlagers, sprich der Standortgeologie.
Insofern ist aus wissenschaftlicher Sicht eine komparative Standortsuche unentbehrlich.