Fachkonferenz Teilgebiete: Irrungen und Wirrungen

aus Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle – Was Landkreise, Städte und Gemeinden jetzt wissen müssen

Aus drei mach vier

In § 9 Abs. 2 StandAG wird ausgeführt:

Die Fachkonferenz Teilgebiete erörtert den Zwischenbericht des Vorhabenträgers nach § 13 Absatz 2 in höchstens drei Terminen innerhalb von sechs Monaten. Hierzu erläutert der Vorhabenträger den Teilnehmern der Fachkonferenz Teilgebiete die Inhalte des Zwischenberichts.

Das BaSE macht aus den drei Terminen vier Termine. Grundlage dafür ist die teleologische Auslegung des Gesetzestextes in einem Juristischen Kurzgutachten von Jörg Kuhbier zur Auslegung des §9 StandAG im Auftrag des BASE. Das NBG-Mitglied Beckstein, ehemaliger Ministerpräsident Bayerns und Jurist, äußerte sich dazu in der 41. NBG-Sitzung passend mit folgenden Worten (Video auf YouTube 1:04:10):

Das Gutachten ist völlig indiskutabel!

Das BaSE weigert sich aber standhaft, die Veranstaltung am 17./18.10.2020 als Informationsveranstaltung außerhalb des Beteiligungsformats Fachkonferenz zu bezeichnen.

Online-Veranstaltung ohne Entscheidungsprozesse

Jedoch wurden alle Entscheidungsprozesse – wie den über eine Geschäftsordnung – vom BaSE aus dem ursprünglichen Konzept herausgenommen. Selbst das Format wurde im Wesentlichen – wie in der 7. Sitzung der Beratungsgruppe Fachkonferenz von Frau Schreurs (NBG) und Herrn Warode (BUND e. V.) vorgeschlagen – auf eine Online-Veranstaltung reduziert.

Ausreichende Lesezeit

Eine weitere Forderung des NBG, des BUND e. V. und der BI Lüchow-Dannenberg war eine ausreichende Lesezeit des Zwischenberichts Teilgebiete und dem Beginn der Fachkonferenz. Das BaSE hat durch die erste Arbeitssitzung der Fachkonferenz am 4. bis 7. Februar 2021 diesem entsprochen. Ganz merkwürdig ist der BaSE-Beitrag Fachliche Stellungnahme des BASE zum Start der Fachkonferenz vom 26.08.2020, in dem nach der Verschiebung des Beginns der Arbeitsphase durch BaSE auf die Äußerung aus Richtung der BI vom 22.07.2020 reagiert wird, ohne darauf hinzuweisen, dass man den Bedenken der BI gefolgt ist. Bei einer Einzelperson würde man hier von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sprechen. Im Fall einer Behörde mit inneren (Doppelrolle Regulierung/Öffentlichkeitsbeteiligung) und äußeren Zwängen (BMU) ist die Diagnose wohl komplizierter. In der Kategorisierung nach Sträter – siehe hier – ist von einer pathologischen Institution auszugehen.

Teilweise Entschuldigung

Zur teilweisen Entschuldigung soll erwähnt werden, dass es sich im Einladungsschreiben zur Fachkonferenz an die Umweltverbände schon anders anhört:

Mit der Auftaktveranstaltung hat das BASE eine Forderung berücksichtigt, die einigen Bürgerinitiativen und Verbänden aus Ihrem Kreis und dem Nationalen Begleitgremium besonders wichtig war: Wie das BASE bereits seit Mai diesen Jahres kommuniziert hat, dient die Auftaktveranstaltung damit maßgeblich der Schaffung einer Grundlage für die weitere Arbeitsphase der Fachkonferenz – dabei berücksichtigend, dass bis zur Arbeitsphase genügend Zeit zur Einarbeitung besteht, um sich auf die Beratung der Fachkonferenz gemäß § 9 StandAG vorbereiten zu können.

Die Forderung nach einem Moratorium

Das geforderte Moratorium im Suchverfahren wurde verständlicherweise abgelehnt, da zum Beispiel die Mitarbeiter*innen, die sich bei der BGE mit der Standortauswahl beschäftigen, einen Leerlauf hätten. Damit bleibt aber ein Problem, auf das der Partizipationsbeauftragte zu Recht hingewiesen hat – siehe hier:

Ein Grundprinzip des Verfahrens ist die Gleichzeitigkeit von wissenschaftlicher Arbeit und öffentlicher Kontrolle.

Zur Lösung dieses Problems hat weder das BaSE noch die BGE bisher Vorschläge vorgelegt.

Diskussion auf gleicher Augenhöhe

Eine weitere Forderung nach Zurverfügungstellung von finanziellen Ressourcen zur kritischen Überprüfung des Zwischenberichts und damit Diskussion auf nahezu gleicher Augenhöhe blieb bisher unbeantwortet. Angemerkt sei, dass es selbst bei ausreichenden Finanzmitteln schwierig sein wird, fachliche Expertise zu finden. Ein Großteil der fachlichen Ressourcen ist schon im Auswahlverfahren gebunden, zum Beispiel auch Hochschulen (IFG 193482) wie

  • Technische Universität Bergakademie Freiberg,
  • Technischen Universität Clausthal,
  • Universität Stuttgart,
  • Leibniz Universität Hannover und
  • Technischen Universität Darmstadt.

Hohe Anforderungen durch komparatives Verfahren

An die eventuellen Expert*innen werden hohe Anforderungen gestellt, denn es gilt, die Teilgebiete vergleichend zu beurteilen. Es hilft nichts, zu behaupten, das Teilgebiet x sei nicht geeignet, sondern das Teilgebiet x sei weniger geeignet als die Teilgebiete a, b, c…, weil…..Erinnert sei an die Vorstellung der Endlagerkommission, dass die Fachkonferenz Teilgebiete wie die Fachkonferenz Rat der Regionen am Gemeinwohl orientiert sein soll (Abschlussbericht B 7.4.4):

Die Vertreter der Regionen sollen sich mit den Prozessen und im weiteren Verlauf auch mit den Entscheidungsvorschlägen für die Identifikation des Standorts mit der bestmöglichen Sicherheit gemeinsam auseinandersetzen. Dabei soll insbesondere darauf abgezielt werden, widerstreitende und gegenläufige Interessen der Regionen ausgleichen zu helfen.

Format nach Planungssicherstellungsgesetz vollkommen unzureichend

Die wirkliche Herausforderung stellt sich mit dem Beginn der Arbeitsphase der Fachkonferenz im Februar 2021, wenn – wie zu vermuten ist – weiterhin Pandemieverhältnisse herrschen werden. Die vom Gesetzgeber in ähnlichen Verfahren im Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) vorgeschriebenen Regeln sind vollkommen unzureichend. Da dieses Gesetz die Verfahren nach StandAG nicht einbezieht, sind bessere Formate zu entwickeln. Nach § 5 Abs. 4 PlanSiG wird die mündliche Erörterung in der Regel durch eine Online-Konsultation ersetzt. Was das bedeutet, wurde vom BMU in der sogenannten Öffentlichkeitsbeteiligung zu den Sicherheitsverordnungen nach §§ 26 und 27 StandAG vorgemacht. Die Gegenargumente wurden kommentarlos eingesammelt und Monate später das Ergebnis mitgeteilt. Der freie Disput mit Argument und Gegenargument wird abgeschafft und durch eine quasi zweite Einwendungsphase ersetzt.

Zumindest Videokonferenz in weiterentwickelter Form

Zu fordern ist zumindest das Format einer Videokonferenz, wie es nach § 5 Abs. 5 PlanSiG optional zugelassen ist. Diese sind aber technisch so zu gestalten, dass alle sich angemeldeten Teilnehmer*innen zuverlässig angebunden sind. Die Verbindung zwischen Host und allen Clients ist kontinuierlich zum Beispiel durch ping-Algorithmen bidirektional zu überwachen. Bei unzureichendem Kontakt ist die Konferenz zu unterbrechen. Für Bürger*innen ohne zuverlässige Internetanbindung, ohne Client-Endgerät oder ohne ausreichende Erfahrungen mit der Technik müssen dezentrale Versammlungen mit entsprechender Technik und Knowhow angeboten werden. Dieses Format sollte erprobt und weiterentwickelt werden – zum Beispiel bei der Auftaktveranstaltung Mitte Oktober 2020. Davon ist in den bisherigen Veranstaltungskonzepten des BaSE und der BGE nichts zu lesen.

Erst nach erfolgreichen Tests Beginn der Arbeitsphase der Fachkonferenz

Erst wenn solche Tests nach Meinung der Bürger*innen erfolgreich verlaufen sind, sollte die Arbeitsphase der Fachkonferenz Teilgebiete begonnen werden.

5 Gedanken zu „Fachkonferenz Teilgebiete: Irrungen und Wirrungen

  1. Zwei Versionen ohne Mitteilung der Veränderungen

    Zum Veranstaltungskonzept des BaSE gibt es inzwischen zwei Versionen, eine vom 20.08.2020 und eine vom 21.08.2020, ohne dass über den Unterschied aufgeklärt wird wie es zum Beispiel beim BGE-Konzept durch Angabe einer Versionsnummer und eines Revisionsblatts geschieht.

    Offensichtlich wurde an zwei Stellen nur das Veröffentlichungsdatum von 30. auf 28.09.2020 korrigiert. Weitere Änderungen sind nicht aufgefallen.

  2. ping-Algorithmen

    Bei dem Begriff ping-Algorithmen ist wohl eine Klarstellung notwendig. Gemeint ist damit nicht, dass die ping-Prozedur der Algorithmus an sich ist.

    Die Algorithmen sollten auf der Grundlage der ping-Prozedur erstellen werden und prüfen, ob Bild und Ton von Host und allen Clients jederzeit in einer schmalen Abweichungsbandbreite synchron verlaufen. Vielleicht gibt es aber auch bessere Prozeduren als ping, auf die man aufsetzen kann, um dieses Prüfziel zu erreichen.

    Das Problem ist wohl nicht trivial, da bei knapp einhundert Teilgebieten und mindestens 15 Teilnehmer*innen pro Teilgebiet und weiteren Interessent*innen mit weit über 1500 Clients zu rechnen ist. Die kontinuierlich laufenden Prüfalgorithmen sind dann möglichst ressourcensparend zu programmieren, damit sich der zusätzliche Prüftraffic in Grenzen hält.

    Diese Aufgabe hat die Geschäftsstelle zu lösen, denn sie ist zuständig für die Bereitstellung von Diensten, die eine Online-Teilnahme an der Fachkonferenz ermöglichen – siehe hier.

  3. Keine BaSE-Unterstützung für dezentrale Versammlungen

    Bei der Web-Veranstaltung des BaSE am 17.09.2020 wurden vom BaSE dezentrale Versammlungen im Format des Public-Viewings zum Beispiel in kommunaler Verantwortung vorgeschlagen. Eine Unterstützung durch die Geschäftsstelle, die beim BaSE eingerichtet ist, wurde abgelehnt.

    Gehört dies nicht zur originären Aufgabe der Geschäftsstelle, wenn unter Corona-Bedingungen die Fachkonferenz nach § 9 StandAG einberufen wird? Ansonsten würden sich alle Bürger*innen ohne die notwendige technische Infrastruktur und Knowhow nicht an der Debatte beteiligen können.

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