Atomkraft Forever? und Mehr Atomkraftwerke?
Auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm vom 26. Oktober bis 1. November 2020 wurde der Film Atomkraft Forever von Carsten Rau gezeigt. Sowohl der Titel als auch der Inhalt erinnern ein wenig an Mehr Atomkraftwerke von Per Mannstaedt aus dem Jahr 1976. Beide haben das Fragezeichen im Titel verdient.
Lediglich Statements der Akteur*innen mit auch historische Filmsequenzen
Carsten Rau hält sich mit eigenem Text sehr weit zurück. Zu Wort kommen im Wesentlichen die Akteur*innen selbst. In recht kurzen Statements nehmen sie Stellung zu ihrer Arbeit und geben ihre Meinung kund. Neben neuen Aufnahmen werden auch historische Sequenzen eingespielt.
Reise von Greifswald nach Gundremmigen und zum Übertragungsnetzbetreiber
Im Film geht es auf eine Reise durch Deutschland und Frankreich beginnend am ehemaliges Kernkraftwerk Greifswald. Hier geht es um die Stilllegung. Die nächste Station ist Gundremmigen mit Bau, Betrieb und Abschaltung des Kraftwerks. Es wird die Frage gestellt, was habe Fukushima mit Gundremmigen zu tun? Der Atomausstieg wäre aus wahltaktischen Gründen notwendig gewesen. Nächste Station ist der Übertragungsnetzbetreiber Amprion, wo es um das Problem des Atomausstiegs und dem Abschalten von Kohlekraftwerken für die Versorgungssicherheit geht.
Kernforschungszentrum in Cardarache, Frankreich
Die nächste Station ist das Kernforschungszentrum Cadarache, wo abgebrannten Brennelemente untersucht werden und die Weiterentwicklung von Kernbrennstäben geht. Deutlich wird die Proatomeinstellung in Frankreich.
Zurück nach Greifswald und über Gorleben zur Bundesgesellschaft für Endlagerung
Weiter geht die Reise zurück nach Greifswald, dann nach Gorleben mit dem Blick auf die Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle um bei der Suche nach einem Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) in Peine zu landen. Hier geht es um eine Million Jahre Lagerzeit, um zehn zukünftige Eiszeiten und den Schutz des Endlagers davor.
Zwischenstopp bei .ausgestrahlt
Kurz geht es nach Hamburg zur atomkritischen Initiative .ausgestrahlt, wo der Anspruch des neu gestarteten Suchverfahrens auf maximale Transparenz und Beteiligung der Betroffenen als bisher nicht eingelöst kritisiert wird.
Tage der Standortauswahl und die Kontroverse über Bürgerbeteiligung
Gestreift wird nochmals Peine als der Sitz der kurz vor der Veranstaltung Tage der Standortauswahl in Braunschweig, auf der zum Beispiel das Problem der Diskussion auf gleicher Augenhöhe und Bürgerbeteiligung zur Sprache kommt. Aufgestellt wird die wohl nicht unberechtigte These, dass bei einem fehlenden Vetorecht die Bevölkerung sich dieses Recht durch massive Proteste nehmen wird. Aus Gorleben wäre nichts gelernt worden!
Kehrtwende zu AREVA in Frankreich und Klimawandel
In einer Kehrtwende geht es zu AREVA nach Frankreich, wo vor jungen Wissenschaftler*innen, die vor dem Berufseinstieg in die Kernkraftindustrie sind, über den lächerlichen Atomausstieg Deutschlands referiert wird. Diese jungen Menschen stehen zur Kernkraftnutzung, gerade auch im Zeitalter des Klimawandels.
Ende der Reise in Greifswald und Resümee
Der Film endet dort, wo er angefangen hat. In Greifswald kommt der Ingenieur, der die Stilllegung von Greifswald erlebt hat, zu dem Schluss, es sei richtig gewesen, wegen Fukushima aus dieser Technologie auszusteigen.
Der Film hat eine Länge von stolzen 94 min, bringt dafür aber alles Relevante zu diesem Thema in unaufdringlicher Art. Nichts ist vergessen worden! Das Ende ist ergebnisoffen, niemand wird indoktriniert, jeder muss selber denken und entscheiden.
„Nichts ist vergessen worden!“ …. auch das generationenübergreifende (genetische) Strahlenrisiko im Zusammenhang mit Betrieb, Rückbau, Freimessung, Endlagerung usw. nicht?
Okay, mit solchen Absolutklauseln sollte ich vorsichtiger sein!
Der Strahlenschutz kommt in dem Film nicht zur Sprache und damit auch nicht das generationenübergreifende (genetische) Strahlenrisiko. Dazu bedarf es einen eigenen Film.
Ratlose Geolog*innen, gescheiterte Endlager und fragwürdige Zukunftspläne
Der Dokumentarfilm Atomkraft Forever läuft jetzt in den Kinos. In der Zeitung graswurzel revolution ist dazu ein interessantes Interview mit dem Regisseur Carsten Rau erschienen – siehe hier.