Regional- und Kommunalpolitik zur Endlagersuche
In der Mittelbayerischen Zeitung wurde am 08.04.2021 unter der Überschrift Politiker wollen kein Atommüll-Endlager von einer Arbeitstagung der Oberpfälzer Landräte mit den Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte und dem Regierungspräsidenten berichtet.
Aufschlussreich ist darin folgende Formulierung:
Der Amberg-Sulzbacher Landrat Richard Reisinger, zugleich Sprecher der Oberpfälzer Landräte, spürt beim Thema Endlagersuche in ganz Deutschland eine Stimmung pro Endlager in Bayern.
Bei bundesweiter Betrachtung nicht nachvollziehbar
Aus bayerischer regionalpolitischer Perspektive mag dieses Gefühl verständlich sein, ist aber bei der Gesamtbetrachtung nicht nachvollziehbar. Im Fokus stehen alle Teilgebiete bundesweit, die von der BGE in einem ersten kleinen Schritt bei der Standortauswahl für die Langzeitlagerung der hochradioaktiven Abfälle im tiefen geologischen Untergrund nicht ausgeschlossen wurden. Von den 90 Teilgebieten liegen Teile von gerade einmal 7 Teilgebieten in Bayern.
Landespolitik schlägt unlautere Wege ein
Andererseits bringt sich Bayern insbesondere durch die Landespolitik immer wieder ins kritische Gespräch. So versuchte Bayern über das CSU-geführte Innenministerium auf unlauterem Weg bei der Verabschiedung der Sicherheitsverordnungen das potenzielle Kristallingestein Granit aus dem Standortauswahlgesetz zu streichen – siehe Schreiben des BMU an das Kanzleramt vom 06.04.2020:
Das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat ist fachlich nicht betroffen, hat aber gleichwohl Änderungswünsche geäußert. Danach sollte die Verordnung die Standortsuche in Granit ausschließen. Dies widerspricht den Bestimmungen des Standortauswahlgesetzes und muss deshalb unbeachtlich bleiben.
Wer mit solchen Taschenspielertricks sich aus der Affäre ziehen will, wird selbstverständlich sehr kritisch beobachtet. Man weiß ja nicht, wie das nächste Hütchenspiel von Bayern eingefädelt wird.
Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt vertritt unzutreffende Positionen
Vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wird die unzutreffende Position vertreten, dass die Suche im kristallinen Grundgebirge aufgrund der Klüftung allein auf den Einsatz von Behältern hinausläuft, die den Einschluss der radioaktiven Stoffe gewährleisten sollen. Behälter dafür müssten erst entwickelt werden, denn die skandinavischen Behälter erfüllen nicht die in Deutschland angesetzten Zeithorizonte. Die Behälterlösung ist zugegeben sehr ambitioniert aber nicht die einzige Lösung für Lagerung im Kristallin.
Alternative: Abdichtende Schicht aus Ton oder Salz über Kristallin
Die risikoarme Langzeitlagerung im geklüfteten Kristallin ist auch anders vorstellbar, nämlich mit einer abdichtenden Schicht zum Beispiel aus Ton oder Salz über dem Kristallin (§ 23 Abs. 5 Pkt. 1, letzter Teilsatz StandAG) – siehe auch Geologische Potentiale zur Einlagerung von radioaktiven Abfallstoffen unterhalb von stratiformen Salzformationen – Konzeptstudie für ein alternatives Endlagermodell. Nach der Studie Reinhold, K.(2005). Tiefenlage der Kristallin-Oberfläche in Deutschland könnten solche Möglichkeiten südlich der Linie Baden-Baden – Nürnberg – Erbendorf gegeben sein.
Die Landesfachbehörde sollte es besser wissen
Selbstverständlich müssen die Regional- oder Kommunalpoliker*innen dieses Wissen nicht haben, wohl aber die dafür zuständige Landesfachbehörde. Enttäuschend ist es deshalb, in der Mittelbayerischen Zeitung folgender Absatz lesen zu müssen:
Wissenschaftlich gesehen, dürfte Bayern keine Rolle spielen, weil im Freistaat wohl nur zerklüfteter Granit vorkommt. Dieser ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht für ein Atommüll-Endlager geeignet, sagt der Leiter der Abteilung „Geologischer Dienst“ am LfU. Das Bundesgesetz erlaubt aber auch klüftigen Granit. Ein Vorgang, den Dr. Eichhorn nicht nachvollziehen kann.
Der Landesgeologische Dienst hat in seiner Stellungnahme zum Zwischenbericht Teilgebiete selbst solche Standorte im Raum nordöstlich von Neu-Ulm nahegelegt:
Eine Überlagerung des Kristallin durch Salz ist unter Umständen im Bereich Ostheim-Mellrichstadt zu finden. Was sagen die Bohrungen Ostheim 1 und Tiefbohrung Mellrichstadt dazu aus? Leider sind die Daten dieser Bohrungen in den Unterlagen immer noch geschwärzt.
Lagerung in Hartgestein zwingend erforderlich?
Eventuell haben solche Lösungen auch entscheidende Vorteile gegenüber der Langzeitlagerung in Steinsalz oder Ton. Vielleicht stellt sich heraus, dass die Gebirgsmechanik bei Berücksichtigung von Eiszeitauflasten sogar die Lagerung in Hartgestein zwingend erforderlich macht. Denn Berechnungen zeigen, dass Minimalspannungs- und Dilatanzkriterium während des Herannahens eines Gletschers zum Beispiel an einen Salzstock verletzt werden können – siehe GRS-309.
Übt die Landespolitik Druck auf die Fachbehörde aus?
Vom Landesgeologischen Dienst sollte man also eigentlich eine differenziertere Fachmeinung erwarten. Übt die Landespolitik hier Druck auf die Fachbehörde aus? Vielleicht kommt man hier bei der NBG-Veranstaltung Staatliche Geologische Dienste (SGD) im Gespräch mit der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) am 16.04.2021 weiter?
Endlagerbehälter für Wirtsgestein geklüftetes Kristallin
Im obigen Beitrag wir formuliert, dass die Behälterlösung im geklüfteten Kristallin sehr ambitioniert ist. Zur Behälterfrage in allen Wirtsgesteinen gab es auf den 2. Tagen der Standortauswahl einen Vortrag, nachzulesen im Tagungsband Seite 87-96.
Danach sind für das Kristallin drei Behälterkonzepte entwickelt worden, in Skandinavien, Tschechien und Kanada (Tab. 2, S. 93).
Zu Entwicklung von Endlagerbehälterkonzepten für die geologische Tiefenlagerung von hochradioaktiven Abfällen in kristallinem Wirtsgestein gab es eine Ausschreibung der BGE – siehe hier.
ESK zu kupferbeschichteten Behältern
Die ESK hat die Kontroverse zur Kupferkorrosion in Schweden in einem Diskussionspapier aufgegriffen. Sie kommt zu dem Schluss, dass im sauerstoff- und sulfidfreiem wässrigen Milieu der Kupferbehälter thermodynamisch stabil ist. Beim Vorliegen von Sulfid ist die Aussage nicht einfach zu treffen.
Neben dem Einsatz von Kupferbehältern im Kristallingestein wird auch der Einsatz im Tongestein angesprochen. Hier besteht gegenüber Kohlenstoffstahlbehältern der Vorteil, dass kein Wasserstoff gebildet wird und damit keine relevanten Gasdrücke entstehen. Verwiesen wird darauf, dass die NAGRA diese Alternative ebenfalls untersucht.
ENCON- und SiC-Behälter
Im Zuge des interdiszipliären Forschungsprogramms ENTRIA wurden generische Behältermodelle entwickelt – siehe Hassel, T., A. Köhler, et al.(2019). Das ENCON-Behälterkonzept – Generische Behältermodelle zur Einlagerung radioaktiver Reststoffe für den interdisziplinären Optionenvergleich – ENTRIA-Arbeitsbericht-16.
Weiterhin werden Behälter aus SiC-Keramik diskutiert – siehe Kerber, A. und J. Knorr (2013). „SiC encapsulation of high level waste for long-term immobilization.“ in: atw 58(1): 8-13.
Abschlussbericht zum FuE-Vorhaben KoBrA
Der Abschlussbericht des FuE-Vorhabens Anforderungen und Konzepte für Behälter zur Endlagerung von Wärme entwickelnden radioaktiven Abfällen und ausgedienten Brennelementen in Steinsalz, Tonstein und Kristallingestein ist jetzt hier verfügbar.