In einem Essay in der Financial Times Deutschland über die Situation der Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland wird versucht, sich über verständliche Gedankenexperimente der Problematik zu nähern. Ein durchaus richtiger Ansatz, denn nur über Verständnis kommt man zu Verständigung, einer Voraussetzung zum Aufbau von Vertrauen. Auch wird nicht davor gescheut, Parallelen zu anderen Problemabfällen – wie den Abfällen mit krebserregenden Schwermetallen – zu ziehen. Neu ist das alles nicht, es wurde im Zusammenhang mit dem Endlagersymposium angesprochen. Seitens des BMU gab es damals keinerlei Bereitschaft, sich darüber auszutauschen. Ein Beispiel von politischer Voreingenommenheit, die nicht zielführend ist. Weitere Beispiele finden sich in der Zusammenstellung der Internetdiskussion zum Endlagersymposium.
Bei den Gedankenexperimenten ist aber auch zu prüfen, ob sie möglichst vollständig sind. So fehlt beim Szenario der verrottenden Zwischenlager im Jahr 2080 eine nicht auszuschließende Alternative: die Nutzung der Abfälle zum Aufbau einer neuen Generation von Kernkraftwerken unter dem Deckmantel der schadlosen Beseitigung durch Neutronenbestrahlung. Das Zauberwort dafür ist Transmutation, zu der mit EURATOM-Mitteln intensiv geforscht wird.
Von Bedeutung ist folgendes Statement:
Entscheidend ist, dass der wissenschaftliche Nachweis geführt werden kann, dass die Abfälle dort für mindestens eine Million Jahre sicher eingeschlossen bleiben.
Dies ist eine eher technikgeprägte Ansicht. Aus wissenschaftlicher Sicht sind Prognosen über eine Million Jahre – und dieser Zeitraum wird für die Wärme entwickelnde Abfälle nicht ausreichen – selbst bei Geologen mit großen Unsicherheiten und Nichtwissen behaftet. Einen sogenannten Sicherheitsnachweis wird es auf wissenschaftlicher Ebene nicht geben, eher eine Abwägung zwischen fünf Alternativen mit dem Ergebnis, dass eine die beste ist.
Zu der geologischen Situation in Deutschland wird bemerkt:
Deutschland ist in der glücklichen Lage, in einigen Regionen passende geologische Verhältnisse zu haben – einerseits Salzstöcke in der Norddeutschen Tiefebene, andererseits Tonsteinschichten in einigen Hundert Metern Tiefe in verschiedenen Zonen in Nord- und Süddeutschland.
Sicherlich sind die Ton- und Salzvorkommen wichtige Ansatzpunkte für die Endlagersuche. Jedoch sollten neben den Salzstöcken auch die flach lagernden Salze einbezogen werden und Kristallinvorkommen nicht ganz unter den Tisch fallen. Dabei ist auch an Kombinationen zu denken. So ist eine Salzformation unter einer geeigneten Tonlagerung geologisch in Deutschland durchaus vorstellbar. Ideal wäre dann noch ein Schutz vor Eiszeiten durch einen kristallinen Deckel, quasi als Grabplatte. Solch eine ideale Situation ist wohl eher unwahrscheinlich.
Der technikorientierte Ansatz wird auch auf das Endlager Konrad angewendet. Nach der 2007 eingetretenen Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses wurde mit einer Inbetriebnahme sechs Jahre später gerechnet. Jetzt wird als Termin nach 2019 genannt. Dazu:
Die Begründungen für die Verzögerung sind wenig nachvollziehbar, in anderen Industriesparten würde man in einer solchen Situation massive Fragen an das Projektmanagement stellen. Oder gibt es eine „Hidden Agenda“, die tatsächliche Inbetriebnahme so weit als möglich hinauszuzögern, obwohl die fachlichen Bedenken ausgeräumt sind?
Bei Projekten der Endlagerung von Abfällen wird es immer wieder Bedenken geben, auch fachliche. Dem kann nur entgegnet werden, indem dies eingeräumt wird. Man muss überzeugen, dass der eingeschlagene Weg der bessere von allen geprüften Alternativen ist. Aber wo sind die geprüften Alternativen zu Konrad, wo die Überzeugungsarbeit der Konrad-Entscheider?
Zum Standort Gorleben wir ausgeführt:
Fakt ist aber auch, dass bis heute keine fachliche Beurteilung des Standorts hinsichtlich seiner Geeignetheit beziehungsweise seine Ungeeignetheit vorliegt, die die internationalen Anforderungen an einen ausführlichen und transparent dokumentierten Langzeitsicherheitsnachweis erfüllt.
Hier kommt wieder die Illusion zum Ausdruck, dass die Sicherheit eines Endlagers nachgewiesen werden kann.
Das Essay endet mit den Sätzen:
Es ist richtig, wenn beim Thema Entsorgung immer wieder das Gleichnis vom fliegenden Flugzeug ohne Landebahn gebracht wird. Nur – was ist die Konsequenz: Zuzuschauen, wie es dann demnächst aufkracht? Oder dafür zu sorgen, dass endlich eine qualifizierte Landebahn gebaut wird? Ich bin für Letzteres.
Der Ansatz ist grundsätzlich zu unterstützen, jedoch bedarf es einiger Anmerkungen. So ist das Bild „aufkrachen“ irreführend, da bei der Problematik der Langfristlagerung von radioaktiven Abfällen solche markanten Ereignisse wie „aufkrachen“ nicht zu erwarten sind. Schleichende Katastrophen sind wahrscheinlicher. Sicherlich sollte eine Landebahn zur Verfügung gestellt werden, aber im Sinne einer Notlandebahn. Eine Landebahn ohne Wenn und Aber verleitet dazu, dass weitere Flugzeuge irgendwo gestartet werden oder womöglich die Landebahn – nach Änderung der Windrichtung – als Startbahn missbraucht wird.
Das Misstrauen ist zu Recht groß, denn schließlich reden wir jetzt über den zweiten Ausstieg. Und zwischen dem ersten und dem zweiten Ausstieg lag etwas Anderes(?), was gern verdrängt wird.