BürgerInnen wurden zu ExpertInnen
Im Nachgang zum Besuch von Bundesumweltminister Altmaier am 21. Januar 2013 im Wendland haben wesentliche AkteurInnen ihre Ansichten zusammengetragen und in einer Broschüre veröffentlicht. Der Titel lautet „Der fünfte Schritt vor dem ersten? – Warum dieses „Endlagersuchgesetz“ der falsche Weg ist“ (No.12 der Lesereihe “Zur Sache” kann bei der BI Lüchow-Dannenberg gegen eine Spende von 3 Euro angefordert werden: Tel. 05841 4684 oder per Mail buero@bi-luechow-dannenberg.de).
Die betroffenen BürgerInnen, die schon seit 36 Jahren mit der Materie vertraut sind, äußern Positionen, die sich nicht mit NIMBY abtun lassen.
Die Broschüre kommt nicht zu der kategorischen Forderung, Gorleben fallen zu lassen. Die in den Beiträgen entwickelten Argumentationslinien zeigen, dass die jahrzehntelange Konfrontation mit dem Endlagerproblem aus den BürgerInnen ExpertInnen gemacht hat. Da steckt bei genauerem Hinsehen viel fachlicher Strahlenschutz dahinter.
Grundsätze des Strahlenschutzes
Es lohnt sich, dies aufzugreifen und im Lichte des Strahlenschutzes zu diskutieren, siehe auch Ethical Issues in Radiation Protection. Dabei stellt sich die Frage, warum bisher bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle wesentliche Grundsätze des Strahlenschutzes wie Rechtfertigung und Optimierung nur sehr eingeschränkt gelten sollten?
Im Folgenden werden einige Punkte herausgestellt.
Martin Donat – Vorsitzender der BI Lüchow-Dannenberg
Hier wird die Forderung nach einem Vorlauf vor einer gesetzlichen Regelung entwickelt:
Erst als Ergebnis der Vorarbeit eines solchen Zukunftsrates von vielleicht zwei oder drei Jahren macht ein Endlagergesetz überhaupt Sinn.
Stephan Wichert – von Holten – Propst in Lüchow
Eingegangen wird auf Nichtwissen und offene Fragen.
Wir werden also Lösungen verabreden müssen, die ethisch gesehen schon gar keine Lösungen mehr sind, da sie hinter dem Schleier des nichts Nichtswissens fast gänzlich verborgen sein werden…
- Was weiß ich?
- Was weiß ich nicht und wie gehe ich damit um?
- Was ist es, das ich mir zumuten kann?
- Was ist es, das ich anderen zumuten darf?
Mathias Edler – Atomexperte Greenpeace
Die Grenzen der Demokratie und Gorleben.
Der Bundestag ist das Gremium mit der höchsten demokratischen Legitimation in Deutschland. Aber die 35 Jahre alte Hypothek mit Namen Gorleben ist auch heute noch in der Lage, die Demokratie an ihre Grenzen zu bringen. Keine Frage: Ein Endlager für Jahrtausende ist die vielleicht schwierigste Entscheidung, vor der Ihre Politikergeneration steht.
Elke Mundhenk – Bürgermeisterin der Stadt Dannenberg
Wie kann man verlorenes Vertrauen wiederherstellen?
Schaffen Sie Vertrauen, in dem Sie die Castortransporte nach Gorleben sofort stoppen!
Rebecca Harms – Bündnis 90 / die Grünen MdEP
Vorab sind viele Fragen von einer Kommission zu bearbeiten.
Ich habe wiederholt den Vorschlag gemacht, dass eine nicht politikfreie, aber unabhängige Kommission berufen werden soll, um eine Verständigung vorzubereiten. Manche diskutieren über eine Ethikkommission, manche sprechen von einem Zukunftsrat. Die Kommission, die ich im Sinne habe, müsste alle Fragen bearbeiten, die vor Beginn einer Standortauswahl geklärt sein müssen.
- Was für ein Endlager für welche Abfälle soll gesucht werden?
- Wie soll die Auswahl nach welchen Kriterien verlaufen? Wie funktioniert die Abwägung zwischen Geologien und Standorten?
- Wie hält man das Vorgehen offen für neue Entwicklung in Wissenschaft und Technik, wie macht man es fehlerfreundlich und korrigierbar?
- Wie sind die Rechte und Regeln der Bürgerbeteiligung?
- Wer ja sagen soll, muss auch nein sagen dürfen, heißt die schwedische Maxime gegenüber den Standortgemeinden. Wie kann das in Deutschland funktionieren?
Wolfgang Ehmke – Pressesprecher der BI Lüchow-Dannenberg
Hingewiesen wird auf die trickreiche Terminwahl. Taktik vom Feinsten, die aber nicht ganz aufgegangen ist.
Wahrscheinlich hatten Sie, Herr Altmaier, geglaubt, dass Sie am Tag nach der Niedersachsen-Wahl mit einem kleinen triumphalen Lächeln ins Wendland anreisen könnten. Wenn es wieder Schwarz-Gelb in Hannover gegeben hätte, hätten Sie leise auftrumpfen können und mit dem von Ihnen angestrebten „Endlager- Konsens“ locken können: als „last way out“.
Wolfgang Wiegreffe – Bürgermeister der Gemeinde Trebel
Das Realszenario von Herrn Edler wird aufgegriffen.
Dieser Parteienkonsens, wie er uns jetzt vorliegt, wird aber gerade und ausschließlich von Parteipolitikern gestrickt, die immer auch das Wohl ihrer Heimatregion und ihrer Parteien im Auge haben. Darin liegt schon der Geburtsfehler…
Sie sagten, dass sie nur mitmachen, wenn Gorleben auf die Liste der potentiellen Standorte kommt. Dort steht der Gorlebener Salzstock jetzt als Einziger. Kein anderer Standort, keine andere Region, weder in Baden-Württemberg noch in Bayern noch sonst wo. Nur Gorleben!
Kerstin Rudek – Die Linken
Aus der Vergangenheit sollte gelernt werden.
Die Ergebnisse des PUA Asse im Niedersächsischen Landtag und des PUA Gorleben im Deutschen Bundestag müssen ausgewertet und vor allem berücksichtigt werden.
Jochen Stay – .ausgestrahlt
Es werden Punkte wiederholt, die für den Aufbau von Vertrauen notwendig sind.
- Bevor in einem Gesetz das Verfahren festgelegt wird, muss in einer ausführlichen, aber ergebnisorientierten gesellschaftlichen Debatte Einigung über die wesentlichen Bestandteile dieses Verfahrens erzielt werden.
- Der vorgeschaltete gesellschaftliche Prozess und das Verfahren selbst müssen von Akteuren organisiert und moderiert werden, die auf allen Seiten Vertrauen genießen.
- Den Betroffenen gegenüber braucht es die klare Aussage: „Ja, Ihr geht ein Risiko für Euch und Eure Nachkommen ein. Das Ganze ist nicht hundertprozentig sicher.“
- Es braucht eine weitgehende Garantie dafür, dass mit Fortschritten bei der Endlagersuche keine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken begründet wird.
- Die Fehler der Vergangenheit müssen eingestanden und aufgearbeitet werden.
- Die Standortregionen müssen mitbestimmen können.
Wenig Neues, aber alles noch nicht diskutiert
All diese Punkte sind schon mehrfach vorgebracht worden, wurden aber bisher nirgends diskutiert geschweige denn berücksichtigt. Ein erster Ansatz könnte sich jetzt aus dem Kompromiss vom 14.03.2013 zum Endlagersuchgesetz und zu einer Enquete-Kommission ergeben.