Der strahlende Kompromiss
Noch am 09.04.2013 wurde in einer Pressemitteilung verkündet:
Bund, Länder und Parteien haben sich heute darauf verständigt, dass so schnell wie möglich ein Entwurf für ein Standortauswahlgesetz für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in den Bundestag eingebracht und noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden soll….
2. Zentrale Regelungen
– Durchführung einer neuen Standortsuche nach dem Prinzip der „weißen Landkarte“
– Keine Vorfestlegungen durch Ausschluss einzelner Standorte (wie z. B. Gorleben)
Das ist das Ergebnis der knapp 17 monatigen Bund-Länder-Verhandlungen, die am 11.11.2011 starteten.
Die Ernüchterung
Am 13.04.2013 veröffentlicht das Magazin FOCUS eine Umfrage bei allen 16 Staatskanzleien der Länder. Danach sind nur die Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz bereit, ein Endlager zu errichten, wenn sich in ihrem Land ein geeigneter Standort findet. Die Länder Bayern, Sachsen, Saarland, Hamburg, Bremen und Berlin halten einen geeigneten Standort in ihrem Land nicht für möglich. Sachsen-Anhalt hat sich nicht an der Umfrage beteiligt. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen bekräftigten nur die Einigung auf das Verfahren.
Zwei brennende Fragen
Umgehend stellen sich folgende zwei Fragen:
1. Haben die Staatskanzleien von Bayern, Sachsen, das Saarland, Hamburg, Bremen und Berlin zur Erstellung ihrer Antwort die zuständigen Fachbehörden eingeschaltet? Diese sind:
- Geologischer Dienst des Bayerischen Landesamtes für Umwelt,
- Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Abteilung Boden und Angewandte Geologie, Abteilung Geologische Landesaufnahme und Archive,
- Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes, Abteilung Geologie,
- Geologisches Landesamt Hamburg,
- Geologischer Dienst für Bremen (GDfB) sowie
- Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Abt. II – Integrativer Umweltschutz, Fachbereich II E 3 Geologie.
2. Haben die Ministerpräsidenten der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen eigentlich begriffen, was der Ausdruck weiße Landkarte bedeutet? Offensichtlich nicht, da sie sonst die gestellte Frage mit einem deutlichen Ja beantworten hätten.
Und Sachsen-Anhalt?
Bleibt noch der Fall Sachsen-Anhalt. Hier wurden von der BGR folgende untersuchungswürdige Standorte benannt:
- Salzstock Waddekath (Salzstudie 1995, blau),
- diverse Tonstandorte (Tonstudie 2007, grün) und
- zwei Kristallinstandorte (Kristallinstudie 1994, rot)
Diese teilweise knapp zwei Jahrzehnte alten Erkenntnisse können mit Sicherheit vom Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt aktualisiert werden.
Die Verlogenheit wird bestätigt
Die Einigung des Bundes und der Länder existiert zusammengefasst also lediglich in Form der Pressemitteilung, also nur als Fassade Richtung Öffentlichkeit. Diese Verlogenheit wird auch beim zweiten Teil des Kompromisses deutlich. Bei der Suche nach Zwischenlagerstandorten für die 21 CASTOR-Behälter aus Sellafield und die fünf Behälter aus La Hague haben sich nur Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein zur Aufnahme bereit erklärt.
Abgesehen von der skandalös ablehnenden Haltung der Länder stellt sich die Frage, warum die Länder dazu gefragt werden? Schließlich handelt es sich dabei um Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 6 Atomgesetz. Antragsteller sind die Betreiber der Zwischenlager – in der Regel die Kernkraftwerksbetreiber – und Genehmigungsbehörde ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Die Länder sind nicht gefragt. Sie sind lediglich Genehmigungsbehörden bei kerntechnischen Anlagen, die nach § 7 Atomgesetz zu genehmigen sind. Bundesumweltminister Altmaier hat es offensichtlich versäumt, vor seinem Kompromissgespräch am 09.04.2013 mit den wesentlichen Akteuren bei dieser Frage – den AKW-Betreibern – zu sprechen.
Politikorientierte Endlagersuche ist zum Scheitern verurteilt
Um die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle sieht es also schlecht aus, insbesondere wenn man der Politik eine wesentliche Rolle einräumt. Auch die Besetzung der vorgesehenen Enquete-Kommission ist politikorientiert. Schließlich soll die Hälfte der Mitglieder aus der Politik kommen, sechs aus dem Bundestag und sechs aus den Landesregierungen. Da stehen die vier vorgesehenen WissenschaftlerInnen auf verlorenem Posten (siehe § 3 StandAG).