Der Plumsack geht um
Jetzt wird in Anlehnung eines über hundert Jahre alten Laufspiels für Kinder ein parteipolitisches Spielchen veranstaltet, bei dem das Vorwärtskommen in der drängenden Frage der Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle wieder einmal auf der Strecke bleiben kann.
Scheitern des Atomgesetzes?
Manch eine Pressemeldung macht daraus schon das Scheitern des Atomgesetzes. Das geht aber zu weit. Scheitern kann höchstens das Standortauswahlgesetz, und die Trauer hielte sich in engen Grenzen. Aber wie kam es zum Plumpsack geht um? Wer hat sich das Spiel gewünscht?
Gemeinsamen Vorschlag „Standortsuchgesetz“ vom 24.03.2013
Ausgangspunkt war die Kompromissformel im Gemeinsamen Vorschlag „Standortsuchgesetz“ vom 24.03.2013 als Ergebnis des Gesprächs von Herrn Altmaier mit dem Land Niedersachsen. Da lautet es im Punkt 1:
1. Mit der Verabschiedung des Standortsuchgesetzes werden die Transporte von Behältern mit abgebrannten Kernbrennstoffen in das Zwischenlager Gorleben eingestellt, noch geplante Transporte werden auf andere Zwischenlager verteilt1.
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1 Hierzu ist die Zustimmung der betroffenen Bundesländer erforderlich.
Schon die Formulierung abgebrannten Kernbrennstoffe gibt zu Denken. Bisher gab es lediglich abgebrannte Brennelemente. Es geht aber um fünf Behälter mit MAW-Glasprodukt und 21 Behältern mit HAW-Glaskokillen, also um Rückstände aus der Wiederaufarbeitung. Noch verwirrender ist die Fußnote. Bisher war für die Änderungsgenehmigung von Zwischenlagern nach § 6 Atomgesetz die Zustimmung der betroffenen Länder nicht notwendig. Das ist offensichtlich die gewollte Öffnung für das parteipolitische Spiel Der CASTOR geht um. Und voller Spieleifer wurde offensichtlich nicht zügig mit denen verhandelt, die als Betroffene das Spielfeld zur Verfügung stellen müssen. Das sind die Betreiber der Zwischenlager.
Standort* | Betreiber | Bundesland* | Behälterstellplätze | ||
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genehmigt* | benötigt (geschätzt)* | nicht benötigt (geschätzt) | |||
Biblis | RWE Power AG | Hessen | 135 | 102 | 33 |
Brokdorf | E.ON Kernkraft GmbH | Schleswig-Holstein | 100 | 76 | 24 |
Brunsbüttel | Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co. oHG (Vattenfall) | Schleswig-Holstein | 80 | 19 | 61 |
Grafenrheinfeld | E.ON Kernkraft GmbH | Bayern | 88 | 55 | 33 |
Grohnde | E.ON Kernkraft GmbH | Niedersachsen | 100 | 74 | 26 |
Gundremmingen | Kernkraftwerk Gundremmingen GmbH (RWE 75%, E.ON 25%) | Bayern | 192 | 184 | 8 |
Isar | E.ON Kernkraft GmbH | Bayern | 152 | 119 | 33 |
Krümmel | Kernkraftwerk Krümmel GmbH & Co. oHG (Vattenfall) | Schleswig-Holstein | 80 | 41 | 39 |
Lingen | Kernkraftwerk Lingen GmbH (RWE) | Niedersachsen | 125 | 87 | 38 |
Neckarwestheim | EnBW Kernkraft GmbH | Baden-Württemberg | 151 | 113 | 38 |
Philippsburg | EnBW Kernkraft GmbH | Baden-Württemberg | 152 | 101 | 51 |
Unterweser | E.ON Kernkraft GmbH | Niedersachsen | 80 | 38 | 42 |
Obrigheim | EnBW Kernkraft GmbH | Baden-Württemberg | beantragt 15 | ||
Summe | 426 |
Spitzengespräche mit den Betroffenen
Wenn man den Presseberichten glauben darf, fanden erste Spitzengespräche mit den Betroffenen erst im April statt. Eigentlich kann man von seriöser Politik nur sprechen, wenn schon vor dieser weitreichenden Festlegung entsprechende Gespräche geführt worden wären. Und die Lösungsansätze werden noch irrationaler, wenn jetzt auf einmal die Länge von Transportwegen eine Rolle spielen soll. Dies wurde im Fall des Transportbehälterlagers Gorleben nie betrachtet.
Es ist ja nur ein Spiel
Und weil es ja nur ein Spiel ist, kann jeder mal etwas dazu sagen. So nach der Frankfurter Rundschau Herr Kretschmann:
„Wir suchen ein Endlager für Hunderttausende Jahre. Das darf nicht an der Frage scheitern, wo wir den atomaren Müll für die nächsten zwei bis drei Jahre lagern.“
Da hat es ja schon ganz Recht, aber in den Zeitdimensionen hat er sich vertan. Es geht bei der Endlagerung nicht um Hunderttausende Jahre, sondern um mehrere Millionen von Jahren, bei der Zwischenlagerung nicht um zwei bis drei Jahre, sondern um gut zwei bis drei Jahrzehnte.
Und wer bezahlt das Spiel?
Noch kurioser wird die Diskussion um die Kostentragung der Kompromissformel vom 24.03.2013. Dazu die Frankfurter Rundschau:
Nun muss Altmaier die Quadratur des Kreises versuchen: Zum einen muss er die Energiekonzerne, die gültige Genehmigungen für die Lagerung der Castoren in Gorleben haben, davon überzeugen, auf ihren Rechtsanspruch zu verzichten und Umbaukosten in Millionenhöhe für die Unterbringung an anderen Standorten zu übernehmen.
Mit der Vorstellung einer solchen Kostentragung wird man wohl die betroffenen Betreiber der Zwischenlager nicht ködern können. Da muss man schon andere Argumentationslinien verfolgen.
„Notwendiger Aufwand“ i. S. d. § 21b Abs. 1 S. 1 AtG
Wie kann dies als ein beitragsfähiger „Notwendiger Aufwand“ i. S. d. § 21b Abs. 1 S. 1 AtG bezeichnet werden? Ist dieser Aufwand notwendig, um die Blockade bei der Suche nach einem Langzeitlager zu beseitigen? Da heißt es schon im Gutachten für die Energieversorger zur Standortsuche ganz lapidar:
Beitragsfähiger „Notwendiger Aufwand“ i.S.d. § 21b Abs. 1 S. 1 AtG ist vorerst nur der Aufwand, der erforderlich ist, um abschließend über die Eignung des Standortes Gorleben entscheiden zu können.
Die Formulierung des Standortauswahlgesetzes vermag nicht einmal diesen Anspruch zu relativieren, obwohl es durchaus Möglichkeiten gegeben hätte, siehe Gorleben: Warum verhält sich die Politik so dumm?
Verweigerung des Standorts Unterweser
Notwendig ist bei einer solch waghalsigen Kompromissformel eine frühzeitige Einbindung der betroffenen Energieversorger. Nur diese können Strategien entwickeln, diejenigen Zwischenlager ausfindig zu machen, sodass ein Minimum von Zusatzkosten anfällt. Denn es ist unter den gegebenen Umständen äußerst wahrscheinlich, dass die SteuerzahlerInnen diese zu tragen haben. Da macht auch der Vorstoß von Herrn Weil in der Nordwest Zeitung keinen Sinn, den Standort Unterweser zu verweigern. Schließlich hat er den Kompromiss am 24.03.2013 mitgetragen.
Das Spiel wird bis 2014 verlängert
Der Plumpsack wird bis Januar 2014 im Kreis laufen. Bis dahin haben die MitspielerInnen, Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder, das Spiel verlängert.
Das ist eine ganz neue Art, Politik zu machen. Und sie macht offensichtlich Spaß. So gestaltet man Bundes- und Landtagswahlen und lenkt von politisch zu lösenden Problemen ab. Die Wahl der Zwischenlagerstandorte für die CASTOR-Behälter wurde ja künstlich zum politischen Problem gemacht.
Was sagen eigentlich die Betroffenen, die Betreiber der Zwischenlager, zu diesem Spielchen? Lachen die sich schon ins Fäustchen?