ESK-Papier noch rechtzeitig zur Diskussion in AG 3
Noch gerade rechtzeitig zur ersten zusammenfassenden Beratung der geologischen Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien in der AG 3 der Endlagerkommission hat die Entsorgungskommission ein Diskussionspapier mit dem Titel Evaluation der Rand- und Rahmenbedingungen, Bewertungsgrundsätze sowie der Kriterien des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) veröffentlicht.
Die ESK spielt beim politischen Theater mit
Betont wird, dass nach dem Nationalen Entsorgungsprogramm mit Stand August 2015 am nach StandAG zu suchenden Endlagerstandort auch die gegebenenfalls nicht im Endlager Konrad einlagerbaren Abfälle (radioaktive Abfälle, die aufgrund ihres Nuklidinventars und/oder ihrer chemischen Zusammensetzung oder dem Zeitpunkts ihres Anfalls nicht für eine Einlagerung in das Endlager Konrad geeignet sind), die radioaktiven Abfälle, die aus der Schachtanlage Asse II zurückgeholt werden sollen, sowie angefallenes und anfallendes abgereichertes Uran aus der Urananreicherung (Urantails) endgelagert werden sollen. Es wird nicht darauf hingewiesen, dass der Begriff insbesondere hoch radioaktive Abfälle bereits in der Gesetzesbegründung vom 14. 05. 2013 erläutert wird:
Darüber hinaus sollen in das Endlager radioaktive Abfälle eingelagert werden, die aufgrund der Annahmebedingungen im Planfeststellungsbeschluss für das Endlager Konrad (radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung) dort nicht eingelagert werden können (z. B. graphithaltige Abfälle oder Abfälle mit hohen Gehalten an natürlichen Radionukliden (Uran, Thorium)).
Der Begriff insbesondere war also schon immer als Öffnungsklausel gesetzt und auch so von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Das Erstaunen in der Endlagerkommission über das Nationale Entsorgungsprogramm ist als rein politisches Theater zu werten, bei dem jetzt auch die ESK mitspielt.
Kristallin – ewG wird zu ewB
Wegen der Schwierigkeiten, in kristallinem Gestein in Deutschland das Modell des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs (ewG) umzusetzen, wird dieses umdefiniert und mit einschlusswirksamer Bereich (ewB) bezeichnet.
Isolationszeitraum wird Einschlusszeitraum
Beim Isolationszeitraum wird nicht differenziert zwischen notwendigem Isolationszeitraum und möglichem Nachweiszeitraum, wohl aber wird eine nichtssagende Passage aus der Studie Radioactive Waste. Technical and Normative Aspects of its Disposal (siehe Beitrag dazu) zitiert. Die 1 Million Jahre sei ein Kompromiss zwischen Langzeitverantwortung und Grenzen der praktischen Vernunft. Der notwendige Isolationszeitraum wird dann noch mit dem Satz
Außerdem erreicht nach einer Million Jahre zerfallsbedingt die Radiotoxizität Werte, die einem Uranerz nahe kommen.
abgetan, ohne dazu numerische Abschätzungen auf der Grundlage des Inventars nach Nationalem Entsorgungsprogramm anzubieten. Schließlich empfiehlt die ESK aber auch hier ein anderes Wording: Der Begriff Isolationszeitraum solle durch den Begriff Einschlusszeitraum ersetzt werden.
Der Umgang mit Expertenmeinungen
Aufgegriffen wird, dass bei der Kriterienwahl und dem weiteren Vorgehen bei der Endlagersuche subjektive Expertenmeinungen notwendig sind. Ein streng wissenschaftliches Vorgehen ist nicht möglich. Die ESK kommt zu folgendem interessanten Statement:
Bei besonders wichtigen Entscheiden ist aus Sicht der ESK frühzeitig vorzusehen, dass für solche Entscheide gegebenenfalls mehrere Expertenmeinungen einzuholen sind, dass Experten auch in Gruppen gebündelt werden können (die Experten müssen gemeinsam zu einer Lösung kommen) oder mehrere Expertengruppen eingesetzt und die Variation unter den Meinungen dieser Gruppen als Ergebnis des „expert judgements“ herangezogen werden können. Die Argumente sollten dabei öffentlich zugänglich sein.
Ein Testbeispiel aus der Praxis: Die divergierenden Meinungen von Herrn Keller, BGR, und Herrn Stackebrandt, Landesamt für Geowissenschaften Brandenburg, zu den elstereiszeitlichen Rinnen sollten exemplarisch mal in dieser Weise aufgearbeitet werden.
Sicherheitsuntersuchungen und Dosisrechnungen
Die ESK betont das gegenüber AkEnd neue Instrument der Sicherheitsuntersuchung, kommt aber nicht zu einer konkreteren inhaltlichen Füllung dieses Begriffs. Sie weist aber darauf hin, dass bei eventuell angestellten Dosisrechnungen der indikative Charakter dieser Größe zu berücksichtigen ist. Diese Rechnungen können einen Hinweis geben, ob der Standort das Potenzial hat, die Schutzziele nach den Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Die Werte sollten aber nicht zu einem Vergleich verschiedener Standorte herangezogen werden. Dies wird leider nicht begründet. Wewiterhin wird nicht darauf hingewiesen, dass es für die Dosisberechnung bei der Endlagerung bisher keine Methode gibt. An der entsprechenden Leitlinie zu den Sicherheitsanforderungen wird seit 2009 gearbeitet, siehe zum Beispiel Beitrag Dosisberechnung bei der Langzeitlagerung – seit Ankündigung Anfang 2009 nichts Neues.
Das Verwirrspiel mit Tabellen
Bei den Tabellen zu diversen Abwägungskriterien (zum Beispiel S. 25 und 27) wird nicht klar, welche Größen die Leitgrößen sind. Diese sind einmal in der ersten Zeile und einmal in der ersten Spalte angeordnet, ohne dies zum Beispiel durch Fettdruck kenntlich zu machen.
Abwägungskriterium Temperaturverträglichkeit
Interessant ist die Stellungnahme zum Abwägungskriterium Temperaturverträglichkeit, wo lediglich darauf hingewiesen wird, dass dieses Kriterium nur auf den Bereich des Endlagers Anwendung findet, in dem wärmeentwickelnde Abfälle gelagert werden sollen. Bemängelt wird nicht, dass die Herleitung der entsprechenden konkreten Festlegungen weder in den AkEnd-Empfehlungen zu finden sind noch darin ein Literaturhinweis angegeben wird. Auch die ESK gibt keine Fundstelle an.
Kriterien für Kristallingestein
Die ESK empfiehlt an einigen Stellen die Ergänzung von Kriterien zum Kristallingestein, entwickelt aber keine eigenen Vorstellungen und macht auch keine Aussagen, woher diese genommen werden könnten.
Natürliches Mehrbarrieresystem
Weiterhin bemängelt die ESK nicht, dass die Aussage zum natürlichen Mehrbarrieresystem in den AkEnd-Empfehlungen (S. 43)
Das Wirtsgestein muss gegenüber geodynamischen Einwirkungen (z. B. Erdbeben/ neotektonische Bewegungen) stabil sein. Wirtsgestein, Nebengestein und Deckgebirge sollen die Funktion natürlicher Barrieren in einem Mehrbarrierensystem übernehmen.
keine Entsprechungen in den Kriterien hat.
Nichts zum Mehrkompartimentmodell
Nach Aussage von Frau Reichert wird das Einkompartimentmodell einschlusswirksamer Gebirgsberich inzwischen in der wissenschaftlichen Diskussion zu einem Mehrkompartimentmodell erweitert, siehe Anhörung in der Endlagerkommission am 19.11.2015. Davon findet sich nichts im ESK-Diskussionspapier vom 10.12.2015. Die Enttäuschung ist groß.
Neues zum Abwägungskriterium Temperaturverträglichkeit
Nach der Beratung in der AG 3 am 17.12.2015 gibt es zur Temperaturverträglichkeit eine Nachricht vom 21.12.2015 von der BGR (K-Drs. / AG3-71). Darin wird zum Beispiel ausgeführt:
Leider wird auf die Nennung einer Fundstelle in der wissenschaftlichen Literatur verzichtet.
Auf die BGR-Nachricht gehen auch Ausführungen von Herrn Wenzel mit Datum 22.12.2015 ein (K-Drs./AG3-74). Ein interessanter Hinweis findet sich auf Seite 38:
Es ist also noch mit Gutachten zu rechnen, die geheim vergeben worden sind. Eine öffentliche Verfolgung der Kommissionsarbeit ist nicht möglich, denn die Gutachtenvergaben werden unbegründet grundsätzlich nicht offengelegt.