Aus Gorleben gibt es noch viel zu lernen

Weniger ist mehr

Wenn man die neueste Ausgabe der Gorleben Rundschau von hinten liest, wird man sofort gefesselt. Unter der Headline Weniger ist Mehr wird ein Gespräch zwischen Anja Humburg, Umweltwissenschaftlerin und Journalistin, Luise Tremel, Historikerin und Literaturwissenschaftlerin, und Wolfgang Ehmke, Pressesprecher der BI Lüchow-Dannenberg, dokumentiert, das es in sich hat.

Aufhören: Sklavenhandel und Atomkraftnutzung

Es geht um das Aufhören. Aufhören mit dem Sklavenhandel bis hin zum  Aufhören mit der Atomkraftnutzung und die öffentliche Sichtbarkeit der Anti-Atombewegung, die durch den eigenen Erfolg droht, geringer zu werden. Insgesamt sind es lediglich drei Seiten Text, über den man stundenlang diskutieren kann. Nein – sollte. Die Anti-Atombewegung ist tiefgründig geworden, gerade an Standorten, wo sie seit 40 Jahren immer wieder gefordert wurde.

Auch Politik und Administration sind nachdenklich geworden

Aber auch Politik und Administration sind nachdenklich geworden. So ist das Statement von Frau Hendricks in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages anlässlich der Diskussion um das Standortauswahlgesetz bemerkenswert und sollte nicht einfach vom Tisch gewischt werden (Plenarprotokoll 18/225, Seite 22489):

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich bei allen bedanken, die sich zum Teil seit Jahrzehnten für den Atomausstieg engagiert haben – in Wyhl, in Brokdorf, in Wackersdorf, in Kalkar, im Wendland und an vielen anderen Orten. Der friedliche Protest gegen die Atomenergie zählt für mich zu den großen Leistungen der Demokratie in Deutschland.

Dieses hat Frau Hendricks noch einmal in der 8. Sitzung des NBG betont. Weiterhin führte Sie aus, mehr könne die Administration nicht leisten. Es blieben tiefe Verletzungen, bei denen Politik und Administration nichts mehr ausrichten können.

Verzicht auf Gorleben im Suchverfahren?

Im Nachgang ging es um die Position, dass auf Gorleben im Suchverfahren nicht verzichtet werden kann. Ein Verzicht hätte die Situation sicherlich vereinfacht, aber damit hätte jeder beliebige ausgewählte Standort die Möglichkeit zur Verweigerung. Die Wissenschaftsbasierung wäre aufgegeben worden.

Die jüngere Vergangenheit im Jahr 2012

Diese Sichtweise ist sehr verkürzt und blendet einige entscheidende Situationen in der jüngeren Vergangenheit aus. Im Jahr 2012 deuteten diverse Gorlebengegner leise – aber deutlich vernehmbar – eine Linie an, wie man sich ein Suchverfahren unter Nichtausscheiden von Gorleben vorstellen könne. Wer genau zuhörte, hat dies mit Herzklopfen vernommen. endlagerdialog.de berichtete darüber. Bei etwas Sensibilität hätten sowohl Politik als auch Administration dies bemerken können, denn schließlich waren beide Gruppen zum Beispiel beim Fachgespräch der GRÜNEN am 11.06.2012 anwesend (siehe Beitrag Endlagersuchgesetz: Die Zivilgesellschaft mischt sich ein). Auch der Offene Brief aus Gartow vom März 2012 wurde weit gestreut (siehe Beitrag Der beste Kompromiss kommt aus Gartow). Direkte Adressaten waren:

Herr Umwe!tminister Röttgen,

Frau Ministerin Evelin Lemke,
Herr Minister Untersteller,
Herr König (BfS),
Herr Bundestagsabgeordneter Trittin,
Herrn Sigmar Gabriel, MdB.

Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit notwendig

Frau Hendricks könnte wenigstens zusagen, dass diese jüngere Vergangenheit aufgearbeitet wird und Fragen beantwortet werden wie:

  • Weshalb sind auf der Basis der Kompromissvorschläge von 2012 keine ernsthaften Verhandlungen aufgenommen worden?
  • Was waren die Argumente, dies nicht zu tun?
  • Wie wurde der Offene Brief ausgewertet: Was sagen die Akten, was sagen interviewte BMU-MitarbeiterInnen dazu?

Sicherlich ist nicht zu erwarten, dass dieses Angebot von Gorlebengegnern – nach dem was alles in der Zwischenzeit geschehen ist – so einfach wiederholt wird. Aber insbesondere die Administration sollte lernen, sensibler mit Angeboten umzugehen. Auch die Bewältigung der jüngeren Vergangenheit kann lehrreich sein.

Vorort ist mehr gelernt worden als im fernen Berlin

Abschließend drängt sich die Einsicht auf, dass die direkt Betroffenen im Wendland mehr aus dem Konflikt um Gorleben gelernt haben als Politik und Administration in Berlin. Erste Schritte in Berlin sind gemacht, aber es besteht Nachholbedarf.

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