Nach der SPD hat am 17. Januar auch die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Papier zur bundesweiten Endlagersuche beschlossen. Auch hier geht der Ausschluss des Standortes Gorleben vielen nicht weit genug, siehe zum Beispiel Artikel Endlagersuche mit Hintertürchen in der taz. Denn neben einem sofortigen Stopp aller Ausbau- und Erkundungsmaßnahmen in Gorleben wird lediglich festgestellt:
Der nötige Schlussstrich unter Gorleben muss in einem rechtssicheren Verfahren erfolgen, d. h. aufgrund einer offensichtlichen Nichterfüllung von festgelegten Kriterien oder der Erfüllung eines Ausschlusskriteriums. Deshalb müssen die Kriterien detailliert und klar im Endlagersuchgesetz festgeschrieben sein.
Gorleben soll also nicht politisch, sondern fachlich beendet werden. Dieses Vorgehen soll wohl absichern, dass die Kosten eindeutig den Abfallverursachern in Rechnung gestellt werden können.
Bemerkenswerter sind die Ausführungen unter dem Punkt „Zuständigkeiten“. Zuerst wird die Forderung aufgestellt
Die Zuständigkeiten für Genehmigung, Betrieb und Kontrolle des Endlagers müssen klar getrennt sein.
um dann festzustellen, dass diese angeblich bereits erfüllt sei
Genehmigung, Errichtung und Betrieb eines Endlagers sind derzeit Landes- und Bundesbehörden zugeordnet: Betreiber eines Endlagers ist das Bundesamt für Strahlenschutz, atomrechtliche Genehmigungsbehörde die jeweilige Landesbehörde, die Rechts- und Fachaufsicht liegt beim Bundesumweltministerium. Damit sind die Zuständigkeiten getrennt.
Dem muss widersprochen werden. Die Erörterung zum Plansfeststellungsverfahren zur Schließung des Endlager Morsleben hat die falschen Strukturen offensichtlich gemacht.
12. Die oben genannte SSK-Stellungnahme im Auftrag des BMU zeigt deutlich Abhängigkeitsverhältnisse auf. Sowohl das BfS als auch die Genehmigungsbehörde können durch Weisungen des BMU gebunden werden. Dies ist sowohl beim Endlager Konrad als auch in der Vergangenheit beim Endlager Morsleben ausgiebig geschehen. Weiterhin hat das BfS bei der Endlagerung drei Rollen inne: Endlagerbetreiber, Endlagerüberwachungsbehörde und wissenschaftliche Strahlenschutzbehörde. Diese Abhängigkeitsstruktur verletzt sowohl internationale Empfehlungen der Joint Convention sowie der IAEA als auch wesentliche Regelungen der EU-Richtlinie zur Endlagerung radioaktiver Abfälle. Wenigstens die Rolle der Überwachungsbehörde ist von der Rolle des Endlagerbetreibers strikt zu trennen, und alle eventuell notwendigen Weisungen des BMU sind entsprechend dem Transparenzgebot der EU-Richtlinie öffentlich zu erteilen.
Dazu siehe auch die Ausführungen in einem Kommentar:
Der Artikel in den VDI nachrichten verweist sowohl auf die Studie der Europäischen Akademie als auch auf das Eckpunktepapier von Baden-Württemberg. In beiden wird die bisherigen Zuständigkeiten für die Endlagerung radioaktiver Abfälle kritisiert. Sie „widerspricht grundlegenden demokratischen Grundsätzen und wirkt sich negativ auf die Qualität von Arbeiten aus, da unabhängige Überprüfungen nach dem Vier-Augen-Prinzip fehlen.“ Insbesondere wird damit gegen die RICHTLINIE 2011/70/EURATOM DES RATES vom 19. Juli 2011 verstoßen, konkret gegen die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde in Art. 6 Abs. 2 , die Überprüfung des Genehmigungsinhabers durch die Regulierungsbehörde in Art. 7 Abs. 4 und das Transparenzgebot in Art. 10. Deshalb muss ein Endlagergesetz auch die Euratom-Richtlinie umsetzen.
Zu ergänzen ist, dass die Bundesämter im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums und speziell das Bundesamt für Strahlenschutz nicht ihre gesetzlich zugesicherte Rollen „selbständiger Bundesoberbehörden gemäss Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG“ ausfüllen. In diesem Zusammenhang ist auf die interessante juristische Arbeit Burgsmüller, K.(1967). Die Errichtung selbständiger Bundesoberbehörden gemäss Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG – ihre Stellung innerhalb der Bundesverwaltung und ihr Verhältnis zu den Behörden der Länder. hinzuweisen:
S. 27…Eine Behörde muß aber nicht nur organisatorisch, sondern auch funktionell selbständig sein. Das bedeutet, daß sie eine eigene Zuständigkeit besitzen und in der Lage sein muß, diese selbständig wahrzunehmen. Die übergeordnete Behörde darf die Entscheidung in einer Angelegenheit nicht an sich ziehen. Bei solch einem Selbsteintritt ginge auch dem von der behördlichen Maßnahme Betroffenen eine Instanz verloren. Die nachgeordnete Behörde entscheidet selbst, und erst, nachdem sie ihre Entscheidung gefällt hat, kann die Angelegenheit im Rechtsmittelverfahren, im Dienstaufsichtswege oder von Amts wegen zur erneuten Entscheidung an die übergeordnete Behörde gebracht werden. Erst jetzt kann die übergeordnete Behörde nach außen hin tätig werden und die ergangene Entscheidung bestätigen, auffheben oder abändern….
S. 28…Der funktionellen Selbständigkeit einer Behörde widerspricht es nicht, daß die Behörde der Dienst- und Fachaufsicht der übergeordneten Behörde und somit auch deren Weisungen unterliegt. Dagegen ist es mit ihr nicht zu vereinbaren, daß die Aufsichtsbehörde der nachgeordneten Behörde bei allen Geschäften für deren Durchführung konkrete Weisungen erteilt. In diesem Falle wäre die nachgeordnete Behörde – wenn auch nach außen nicht erkennbar – nur Ausführungsorgan der übergeordneten Behörde…