Ein Memorandum bewegt

In einem „Memorandum zu Risiken bei der Umsetzung der Rückholung“ (Version mit einigen Umformulierungen und Version mit BfS-Anmerkungen) wurden von einem Abteilungsleiter im BfS kritische Punkte zum Zeitplan der Rückholung der Asse-Abfälle aufgeschrieben, die auch als politisch entschieden bezeichnet wird (siehe Geschichten aus der Asse) . Gedacht war das Papier wohl für den internen Gebrauch, obwohl solches bei der propagierten Maxime „Transparenz und Offenheit“ eigentlich einen Widerspruch darstellt. Das Memorandum endet mit dem Fazit

Ich schlage vor, bereits jetzt alle fachlichen und kommunikativen Vorbereitungen für eine Aufgabe des Projekts „Rückholung“ zu treffen.

Das Memorandum war unter anderem schon Gegenstand der öffentlichen Veranstaltung der Asse II – Begleitgruppe am 9. Januar 2012 und jetzt einer nichtöffentlichen Tagung am 18./19.01.2012 sowie einer öffentlichen Präsentation (Videomitschnitt) der Ergebnisse dieser Geheimtagung.

In einem Artikel des TAGESSPIEGELS werden drei Interpretationen des Memorandums angeboten

  • Die Hausleitung des Strahlenschutzamts hatte das Papier im April in Auftrag gegeben, um Schwachpunkte des Konzepts Rückholung zu analysieren.
  • Eigeninitiative von BfS-Experten, die sich ihren Frust über die Rückholung vom Leib geschrieben haben.
  • „Das Memorandum ist doch ein Hilferuf, weil es so nicht weitergehen kann.“

Vielleicht ist es aber auch ein Aufruf, in der öffentlichen Kommunikation des BfS endlich von der ideologisch-politischen Schaumschlägerei herunterzukommen. Denn geändert hat sich an der Sachlage nichts. Das BfS hat jedoch all die Bedenken und Schwierigkeiten der Rückholung nicht immer mitkommuniziert, wie man es eigentlich von einer selbstständigen, wissenschaftlich-technischen Bundesoberbehörden gemäss Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG erwarten sollte.

Die Übernahme der Asse wurde als Thema im Bundestagswahlkampf 2008 für die SPD kreiert und vom BfS in diesem Sinne ausgestaltet. So wurde der Vorbetreiber, die Helmholtz-Gesellschaft, einseitig als unfähig dargestellt. Auch der Vorbetreiber hatte viele Stabilisierungsmaßnahmen erprobt, einige umgesetzt und andere verworfen. Auch wurde ein Schließungskonzept entwickelt und in einer sogenannten Langzeitsicherheitsanalyse untersucht. Das Ergebnis war

Es können die folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden:
– Fazit (1) für das radiologische Schutzziel
• Der Schutz der Bevölkerung vor unzulässiger Strahlenexposition ist für die Ausbreitung von Radionukliden über den Lösungspfad nachgewiesen. Für wahrscheinliche Verhältnisse liegt die berechnete Strahlenexposition bei 0,05 mSv/a. Der Wert von 0,3 mSv/a wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % bei einem Vertrauensgrad von 95 % eingehalten.
• Der Schutz der Bevölkerung vor unzulässiger Strahlenexposition ist auch für die Ausbreitung von Radionukliden über den Gaspfad nachgewiesen. Für wahrscheinliche Verhältnisse liegt die berechnete Strahlenexposition im Bereich von wenigen tausendstel mSv/a, für ungünstige Annahmen und mit pessimistischen Vereinfachungen werden 0,23 mSv/a berechnet.
– Fazit (2) für das wasserrechtliche Schutzziel
• Der Schutz des oberflächennahen Grundwassers vor unzulässigen Verunreinigungen durch die Ausbreitung von wasserrechtlich relevanten Stoffen in den Abfällen und im Schutzfluid ist nachgewiesen. Die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung werden eingehalten.

Die Helmholtz-Gesellschaft ist im Falle der Asse genauso verfahren wie das BfS im Falle des Endlagers Morsleben, wo noch schnell weiterer radioaktiver Abfall endgelagert werden und ein auf Betonverfüllung beruhendes Schließungskonzept umgesetzt werden soll, alles abgesegnet mit einem sogenannten Langzeitsicherheitsnachweis. Beide Langzeitsicherheitsnachweise wurden von denselben Dritten erstellt, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und der Firma COLENCO. Man kann nur hoffen, dass der Antrag auf Genehmigung der Schließung des Endlagers Morsleben in der vom BfS vorgelegten Form nicht genehmigt wird, wie es auf dem Erörterungstermin gefordert und eingehend begründet wurde.

Bei der Asse wurde nach Betreiberwechsel ein sogenannter Optionenvergleich durchgeführt. Leider hat dieser einen methodischen Fehler: Die Option Rückholung endet mit einem Zwischenlager, ist also keine Lösung des eigentlichen Problems der sogenannten Entsorgung radioaktiver Abfälle. Beim Optionenvergleich wurden also „Äpfel = Weg zur Abfallentsorgung“ mit einer „Birne = Weg zur Abfallzwischenlagerung“ verglichen.

Wenn im TAGESSPIEGEL steht

In dem Ministerium sitzen trotz eines Ministerwechsels teilweise noch dieselben Fachbeamten, die zu Helmholtz-Zeiten die skandalösen Praktiken mit zu verantworten hatten.

kann nur angemerkt werden, dass die Probleme in der Asse auch den Umweltministern Töpfer, Merkel und Trittin bekannt waren. Alle haben es abgelehnt, die Einstufung der Asse als Endlager durchzuführen. Dieser fatale Fehler geht auf die Atomgesetznovelle von 1976 zurück, die unter der Regierung Schmidt/Genscher (siehe Zeitleiste in der Liste der deutschen Bundesminister) verabschiedet wurde.

Weiterhin drängt sich die Frage auf, warum das BfS als die Behörde, die nach § 23 Atomgesetz für die Endlagerung zuständig ist, nicht immer wieder massiv auf die Problematik der Asse hingewiesen und eine Überführung in Atomrecht eingefordert hatte? Von einer selbstständigen, wissenschaftlich-technischen Bundesoberbehörden gemäss Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG sollte der Bürger erwarten können, dass bei einem vergeblichen Anmahnen über den Dienstweg schließlich solches öffentlich gemacht wird. Bekannt war das Problem am BfS durchaus, was in einem Brief des Präsidenten des BfS an das BMU aus dem Jahr 1996 klar zum Ausdruck kommt.

Ein Gedanke zu „Ein Memorandum bewegt

  1. Es gibt eine zweite grundsätzliche Schwäche des Optionenvergleiches. Es wurden 5 Kriterien entwickelt, nach denen die unterschiedlichen Optionen (Vollverfüllung, Umlagerung im Bergwerk und Rückholung) verglichen werden sollten. In 4 von 5 Punkten schnitt die Vollverfüllung am besten ab. Nur bei der Langzeitsicherheit schnitt die Rückholung besser ab.
    Die Langzeitsicherheit wurde dann als alleiniges Entscheidungskriterium herangezogen.
    http://gsb.download.bva.bund.de/BFS/ASSE/Optionenvergleich/start_optionenvergleich_1-5.swf
    Da es für die Asse noch keinen allgemein akzeptierten Langzeitsicherheitsnachweis gab, war jedem dieses Ergebnis schon vor dem Beginn des Optionenvergleichs klar.
    Wozu dann eigentlich 5 Kriterien entwickelt wurden bleibt ein Geheimnis. Wie im Kölner Stadtanzeiger zu lesen war, wurde das Ergebnis des Optionenvergleiches auch erst kurz vor seiner Veröffentlichung in Richtung Rückholung gedreht.
    Somit ist klar, dass ein politisch gewolltes Ergebnis von Anfang an feststand. Dass die Risiken einer Rückholung dabei nicht ausreichend kommuniziert wurden passt dabei ins Bild. Ebenfalls ins Bild passt, dass die evtl. durchaus gegebene Möglichkeit, die Asse sicher zu schließen, weder diskutiert noch kommuniziert wird. Schließlich wurde das ursprüngliche Schließungskonzept nicht als unmöglich, sondern als nicht ausreichend belegt beurteilt.
    Gerade für die betroffene Bevölkerung ist es aber wichtig zu wissen, dass ein ggf – trotz aller bisher begangenen unglaublichen und wahnwitzigen Fehler – möglicher sicherer Verschluss gegen Belastungen und Risiken einer politisch gewollten Rückholung getauscht werden sollen. Wieder wird, diesmal von der anderen Seite, auf Kosten der Anwohner ein politisches Spiel gespielt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert