Die „selbstständige“ Bundesoberbehörde BfS

Selbstständigkeit im Gesetz

Nach § 1 des Errichtungsgesetzes ist das Bundesamt für Strahlenschutz eine „selbständige Bundesoberbehörde“. Die Begründung zum Errichtungsgesetz (Bundestagsdrucksache 11/4086) konkretisiert dies zu „selbständige Bundesoberbehörde nach Artikel 87 Abs. 3 Satz 1 GG“.

Selbstständigkeit im Bundeshaushalt

Die Selbstständigkeit kommt zum Beispiel dadurch zum Ausdruck, dass der Bundeshaushaltsplan für das BfS ein gesondertes Kapitel enthält. Siehe im Haushalt 2011 das Kapitel 1607 (ab Seite 2163 in der PDF). So gab es in diesem Haushaltskapitel selbst in 2011 unter Titel 712 35-342 eine Sollstellung für die Erkundung weiterer Standorte für die Endlagerung radioaktiver Abfälle von 1 Mio., in 2012 sogar von 3,5 Mio. EUR.

Selbstständigkeit nach juristischer Literatur

Worin sollte außerdem die Selbstständigkeit bestehen? In der juristischen Literatur findet sich dazu unter anderem (Burgsmüller, K.(1967). Die Errichtung selbständiger Bundesoberbehörden gemäss Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG – ihre Stellung innerhalb der Bundesverwaltung und ihr Verhältnis zu den Behörden der Länder):

S. 27…Eine Behörde muß aber nicht nur organisatorisch, sondern auch funktionell selbständig sein. Das bedeutet, daß sie eine eigene Zuständigkeit besitzen und in der Lage sein muß, diese selbständig wahrzunehmen. Die übergeordnete Behörde darf die Entscheidung in einer Angelegenheit nicht an sich ziehen. Bei solch einem Selbsteintritt ginge auch dem von der behördlichen Maßnahme Betroffenen eine Instanz verloren. Die nachgeordnete Behörde entscheidet selbst, und erst, nachdem sie ihre Entscheidung gefällt hat, kann die Angelegenheit im Rechtsmittelverfahren, im Dienstaufsichtswege oder von Amts wegen zur erneuten Entscheidung an die übergeordnete Behörde gebracht werden. Erst jetzt kann die übergeordnete Behörde nach außen hin tätig werden und die ergangene Entscheidung bestätigen, aufheben oder abändern….

S. 28…Der funktionellen Selbständigkeit einer Behörde widerspricht es nicht, daß die Behörde der Dienst- und Fachaufsicht der übergeordneten Behörde und somit auch deren Weisungen unterliegt. Dagegen ist es mit ihr nicht zu vereinbaren, daß die Aufsichtsbehörde der nachgeordneten Behörde bei allen Geschäften für deren Durchführung konkrete Weisungen erteilt. In diesem Falle wäre die nachgeordnete Behörde – wenn auch nach außen nicht erkennbar – nur Ausführungsorgan der übergeordneten Behörde…

Reale Selbstständigkeit = Zensur

Dies trifft aber für das BfS in der Realität nicht zu. So werden die Veröffentlichungen des BfS vom BMU zensiert (siehe hier, S. 16).

Einige PR-Produkte der Ämter [UBA, BfS, BfN] werden dem BMU zur Genehmigung vorgelegt. Fachliche Kritik der Ämter an der BMU-Politik finden sich deshalb eher in der Presse z. B. in Interviews mit der Hausspitze (UBA 49, BfS 50, BfN 51). Dieser Sachverhalt sollte transparent dargestellt werden, da die Öffentlichkeit bei „selbstständigen wissenschaftlichen Bundesoberbehörden“ u. U. von anderen Gegebenheiten ausgeht.

Reale Selbstständigkeit = vom BMU handverlesenes Personal

Das BfS macht daneben auf der seiner Internetseite Organisationsstruktur des BfS auf Folgendes aufmerksam:

Wichtige personelle und organisatorische Entscheidungen trifft nicht das BfS, sondern das Bundesumweltministerium (BMU).

Der dem zugrunde liegende Verwaltungserlass regelt, dass alle Personalentscheidungen (Einstellung, Entlassungen, Kündigungen, Versetzungen etc.) ab Referats-/Fachgebietsleitung in die Zuständigkeit des BMU fallen. Die im Organisationsplan genannten leitenden Personen sind also alle vom BMU handverlesen.

Selbstständigkeit, Wissenschaftlichkeit, Transparenz?

All diese Aspekte, die einer Selbstständigkeit und Wissenschaftlichkeit widersprechen, müssen bei Äußerungen des BfS bedacht werden. Im Zweifelsfall ist zu unterstellen, dass das BfS das verlautbart, was politisch gewollt wird. Transparenz ist hier ein Fremdwort.

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