Interessante Fachdiskussion zum Zwischenbericht auf halbwegs verständlichem Niveau

Fruchtbare Diskussion im gemischten Publikum

In einer Online-Veranstaltung mit ca. 80 Beteiligten wurden zwei Gutachten zum Umgang der BGE mit geologischen Daten präsentiert und lebhaft diskutiert – siehe auch NBG-Artikel. Es ging um folgende Papiere:

Die die Diskussion war sehr fruchtbar, was wohl auch auf das gemischte Publikum zurückzuführen war. Vertreten waren neben Geowissenschaften, Staatliche Geologische Dienste der Länder (SGD), NBG, die BGE, Bürgerinitiativen sowie interessierte Bürger*innen. Das BaSE trat nicht in Erscheinung. Die Ausführungen waren auch halbwegs verständlich. Etwas mehr erklärend rückfragende Moderation hätte hier noch etwas verbessern können, hätte aber wohl den engen Zeitrahmen gesprengt.

Der Stand der Wissenschaft bewegt sich

Deutlich wurde bei beiden Vorträgen, dass der Stand von Wissenschaft sich zum Beispiel bei den Ausschlusskriterien Seismische Aktivität sowie Vulkanismus weiterentwickelt. Damit wurde die Diskussion, die auf den Tagen der Standortauswahl begonnen wurde, mit Wenzel, F.-T. (2020). Gutachten für das Bundesumweltamt zu § 22 Abs. 2 Nr. 4 Standortauswahlgesetz weitergeführt wurde, hier wieder angesprochen. Auch die Betrachtung des quartären Vulkanismus reicht wohl nicht aus.

Der tertiäre Vulkanismus

Offensichtlich muss auch der tertiäre Vulkanismus betrachtet werden, schon im Hinblick darauf, dass die Vulkanschlote Schichten durchschlagen haben und so eventuell Wegsamkeiten entstanden sind. So wurde auf das Urach-Kirchheimer Vulkangebiet und das Maar bei Neualbenreuth in Nordbayern hingewiesen – siehe auch Zemke, J. (2020). Prognose vulkanische Aktivität. Sieht man sich diese Fachdiskussion an, so vermisst man das BaSE, das als Regulierungsbehörde die Entwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik im Auge behalten sollte. Insbesondere waren für solche Diskussionen die BaSE-Statuskonferenzen vorgesehen. Die entsprechenden Gutachten, die Eingang in die wissenschaftliche Diskussion finden, werden aber vom NBG in Auftrag gegeben.

Mehr Lithologie ist notwendig

Ebenfalls in beiden Studien wird deutlich, dass der Zwischenbericht der BGE sich noch zu stark an stratigrafischen Formationen orientiert und somit die Lithologie, die für die Endlagerung in Gesteinen mit bestimmten Eigenschaften ausschlaggebend ist, noch nicht in dem notwendigen Maße berücksichtigt hat. So ist das Kristallin im als Teilgebiet ausgewiesenen Saxothuringikum sehr variabel und die Opalinuston-Formation westlich von Ulm muss auf die Teufelsloch Subformation als geeignetes Gesteinsvorkommen reduziert werden. Die Zillhausen Subformation und weitere Formationen des Dogger sind auszuschließen.

Viele gelieferte Daten noch nicht ausgewertet

Vom SGD Bayern wurde mitgeteilt, dass zum Beispiel der BGE die Daten von 57 Tiefbohrungen in Nordbayern übergeben wurden, die kein Kristallin erreicht haben. Trotzdem wurde dort ein Teilgebiet Kristallin ausgewiesen. Seitens der BGE wurde dargestellt, dass nicht alle Informationen, die die Ländern geliefert hatten, schon Eingang in den Teilgebietsbericht gefunden haben. So sind bisher keinerlei Seismikdaten eingeflossen. Zeitlich war das nicht zu machen. Insofern ist die von endlagerdialog.de vielfach zitierte Aussage der SGDs, dass eine neuerliche Anwendung der Abwägungskriterien im Schritt 2 der Phase 1 keinen Sinn mache, neu zu interpretieren. Die SGDs sind damals sicherlich davon ausgegangen, dass alle bereits im Schritt 1 gelieferten Daten betrachtet werden. Das stellt sich nun vollständig anders heraus.

BGE hatte freie Hand

Formal ist das nicht zu beanstanden, denn das StandAG gibt nicht vor, mit welcher Tiefe die Abwägungskriterien im Schritt 1 und damit bis zum Zwischenbericht bearbeitet werden müssen. Da hatte die BGE freie Hand, hätte aber darüber transparenter informieren sollen.

Definition von Kristallingestein für Endlagerung

Grundlegend wurde die von der BGE verwendete Definition des Kristallingesteins zur Endlagerung bemängelt. Hier hätte man sich eher an zu erfüllende Gesteinseigenschaften orientieren müssen, um dann von Kristallinexpert*innen die entsprechenden Gesteine benannt zu bekommen.

Referenzdaten sollten besser fundiert werden

Auch die Referenzdaten, die ausgiebig bei der Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien benutzt wurden, hätten in einigen Bereichen wissenschaftlich fundierter erarbeitet werden müssen. Nach Einschätzung von endlagerdialog.de führte das nicht zu fehlerhafter Ausweisung von Teilgebieten, da in der Abwägung im Wesentlichen die realen Daten bestimmend waren. Ein wirklicher Vergleich zwischen unterschiedlichen Wirtsgesteinskonstellationen fand noch nicht statt, was durch die ausgiebige Verwendung der Referenzdaten bedingt war. Die Frage, weshalb bei Salzstöcken 8, bei flach lagerndem Salz und Ton 7 sowie bei Kristallin 9 von insgesamt 11 Indikatoren mit Referenzdaten in die Abwägung gehen, wurde nicht beantwortet. Auch beim Blick in die Unterlage Referenzdatensätze zur Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien – Grundlagen wurde endlagerdialog.de nicht fündig, obwohl auf Seite 20 mit Tabelle 2 eine Übersicht angeboten wird. Die Begründung werde ich weiter suchen, insbesondere dazu, weshalb dies für alle identifizierten Gebiete gilt, obwohl die Datenverfügbarkeit sehr unterschiedlich sein dürfte.

Da ist noch ein weiter Weg – aber bitte transparenter

Es ist also noch ein weiter Weg bis zur Benennung der Standortregionen zur übertägigen Erkundung, weiter als viele dachten. Um auf diesem weiten Weg transparenter zu arbeiten, wird die BGE ab Februar 2021 Monatsberichte zur Standortauswahl veröffentlichen. Ob das ausreichend sein wird, sei dahingestellt – siehe Der BGE über die Schulter schauen.

Die Geowissenschaften warten auf die Daten – interessantes Spin-off

Hervorgehoben wurden die umfangreichen Arbeiten zur Sammlung der im wesentliche von den SGDs gelieferten geologischen Daten in einem Geoinformationssystem (GIS). Geäußert wurde die Hoffnung, dass dieses Datenbanksystem demnächst den Geowissenschaften zur Verfügung gestellt wird. Zu ergänzen wäre noch eine Suchfunktion zum Auffinden aller Daten eines geografischen Bereichs. Insgesamt wäre das ein interessantes Spin-off der Standortauswahl.

Regionalgeologische Kompetenz der Länder stärker einbeziehen – aber bitte transparent

Übereinstimmend wurde von beiden Gutachtern dafür plädiert, die regionalgeologische Kompetenz der Länder, Landkreise und Kommunen stärker einzubeziehen. Fachlich ist das durchaus nachzuvollziehen. Der Gesetzesgeber hat dies aber so nicht vorgesehen, um den politischen Einfluss der Länder – vermittelt über die geologischen Fachämter – zu begrenzen. Aus heutiger Sicht ist an der stärkeren Mitarbeit der Landesbehörden nichts auszusetzen, wenn dies öffentlich und damit transparent geschehen würde. Davon sind wir aber noch weit entfernt, wenn man die geheime Sitzung der BGE mit den SGDs in Goslar und die im Hintergrund ablaufenden Feedbackrunden zum Zwischenbericht vor Augen hat.

Ansätze von endlagerdialog.de seit 2012

endlagerdialog.de hatte diesen länderbezogenen Ansatz – angestoßen durch die Forderung nach Neustart beim Atommüllproblem – bereits 2012 in die Diskussion des BUND e. V. eingebracht und in einer Mail im Jahr 2015 nochmals betont:

Im Land Sachsen-Anhalt werden an sieben Standorten Untertagelager betrieben, das in Zielitz sogar für hochtoxische Abfälle. Das gilt es klar zu machen. Da sind die Landesbehörden einzubeziehen, diese müsse mal Farbe bekennen. Oder anders: ohne Maulkorb sich fachlich geologisch äußern.
Die bekommen immer nur den Auftrag, Standorte für die Atommülllagerung als ungeeignet darzustellen. So zum Beispiel den durchaus interessanten Kandidaten Waddekath – wahrscheinlich besser als Gorleben. Nur so kommt man aus der Gorlebenfalle heraus. Mit dem von der Endlagerkommission optimierten oder auch verschlimmbesserten Top-Down-Verfahren läuft es wieder auf Gorleben hinaus. Wir brauchen ein Bottom-Up-Verfahren, in dem sich auch die geologischen Kompetenzen in den Ländern trauen, ihre Fachmeinungen zu äußern.
Das versuche ich nun schon seit 2012 im BUND klar zu machen, siehe Attachment unter der Überschrift „Strategische Weiterentwicklung des Tätigkeitsfeldes des BUND„, leider bisher erfolglos.

Der mehrfache Vorschlag für Regionalforen Atommüll wurde erst mit der Veranstaltung in Ulm im Oktober 2019 aufgegriffen.


Ein Gedanke zu „Interessante Fachdiskussion zum Zwischenbericht auf halbwegs verständlichem Niveau

  1. Referenzdatensätze Zwischenbericht Teilgebiete

    Die Frage, weshalb bei Salzstöcken 8, bei flach lagerndem Salz und Ton 7 sowie bei Kristallin 9 von insgesamt 11 Indikatoren mit Referenzdaten in die Abwägung gehen, wurde nicht beantwortet.

    Deshalb hat endlagerdialog.de der BGE folgende Email gesendet:

    ….in der Unterlage
    Referenzdatensätze zur Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien im Rahmen von § 13 StandAG – Grundlagen
    wird auf Seite 17 ausgeführt:

    Für die Erstellung der Referenzdatensätze wurde wie folgt vorgegangen:
    1. Evaluation, für welche der laut StandAG zu betrachtenden geowissenschaftlichen Abwägungskriterien eine literaturbasierte Beurteilung stattfinden soll, da für deren Bewertung noch keine ortsbezogenen Daten vorhanden sind.

    Eine Evaluation ist der Unterlage nicht zu entnehmen. Wo ist die angesprochene Evaluation zu finden?

    Da die Datenlage zu den Identifizierten Gebieten sehr unterschiedlich ist, sollte längs der Datenlagen der einzelnen Identifizierten Gebiete evaluiert werden.

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