Vortrag am IRS
Die Ausführungen zur AVV im Artikel Vorhabenbeschreibung endlich verfügbar war Anlass für Prof. Dr. Clemens Walther, endlagerdialog.de zu einem Vortrag in der Seminarreihe des Instituts für Radioökologie und Strahlenschutz am 05.12.2013 einzuladen.
Zu einfaches Biosphärenmodell
Die AVV benutzt ein recht einfaches Biosphärenmodell – oder besser Anthroposphärenmodell, denn die Strahlenbelastung von Flora und Fauna ist nicht Gegenstand der AVV – für die 50jährigen Betriebsphase einer kerntechnischen Anlage. Die Emissionsdauer aus einem Endlager wird sich über Tausende von Jahren hinziehen. Beim Endlager Morsleben zum Beispiel können nach Prognoserechnungen die dann noch vorhandenen radioaktiven Stoffe des nicht abgedichteten Nordfeldes
von 9.000 bis 30.000 Jahren nach der Schließung in die Anthroposphäre gelangen.
Der Weg zur Definition einer Referenzbiosphäre
Aus diesem und anderen Gründen ist die AVV zu erweitern, um die Konsequenzen eines Endlagers abschätzen zu können. Man kommt nicht umhin, eine sogenannte Referenzbiosphäre zu definieren, um die Abschätzungen auf einer als zurzeit als abdeckend eingeschätzten Basis vergleichen zu können.
Effektive Dosis lediglich ein Indikator von vielen
Die nach AVV abgeschätzte effektive Dosisrate ist lediglich ein Indikator. Sowohl geologische und hydrogeologische Gegebenheiten als auch die Anthropos- und Biosphäre werden sich in einer Weise ändern, was selbst mit großen Fehlerbandbreiten auf wissenschaftlicher Ebene nicht prognostizierbar ist und sein wird. Der schwächste Punkt ist da eindeutig das menschliche Verhalten.
Notwendig ist ein pluralistischer Ansatz
Es geht bei der Frage der Endlagerung auch um die Schaffung einer breiteren Vertrauensbasis in der Öffentlichkeit, um eine fundierte gesellschaftliche Entscheidung herbeiführen zu können. Um dieses zu erreichen, sollten bei einem konkreten Projekt alle verfügbaren Indikatormodelle angewendet werden. Nur durch einen „pluralistischen“ Ansatz ist die Beurteilung des komplexen Problems „Endlager in der Nachbetriebsphase“ – das sich mit den exakten Naturwissenschaften Physik und Chemie, mit der beschreibenden Wissenschaft Geologie und mit weiteren Wissenschaften wie der Soziologie nicht eindeutig abbilden lässt – in Approximation durchführbar. Ein „singularistischer“ Ansatz ist wenig hilfreich.
Die Indikatormodelle sind nicht als abschließend zu deklarieren
Aufgrund der erkenntnistheoretischen Rahmenbedingung ist die Aufzählung der Indikatormodelle nie als abschließend zu betrachten. Jedes weitere sinnvolle Indikatormodell kann neue Aspekte aufzeigen, die mit den bisherigen nicht vollständig abgedeckt werden konnten. Konsequenterweise ist für ein Endlagerprojekt ein möglichst umfassender Satz von Eingangsdaten zu erarbeiten, sodass jeder beliebige Indikator abgeschätzt und auf Nachfrage auch weitere sinnvolle Indikatorvorstellungen numerisch bedient werden können. Ein Sicherheitsnachweis/-beweis im rein wissenschaftlichen Sinne ist unmöglich und ein Versuch hätte Ähnlichkeit mit den sog. Gottesbeweisen, die bei der Entwicklung der mathematischen Logik und der Erkenntnistheorie eine wesentliche Rolle spielten.
Und was steht in den Sicherheitsanforderungen?
In den Sicherheitsanforderungen von 2010 werden als Indikatoren lediglich in 6.2 die effektive Dosis und in 7.2.2 der Radiotoxizitätsfluss aus dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich betrachtet. Das reicht nicht aus, um die Konsequenzen eines Endlagers halbwegs glaubhaft abbilden zu können.
Dokumentation und Dank
Die Präsentationen zum Vortrag finden sich hier. Dank geht an das IRS für die Möglichkeit, die Gedanken zur Anwendung der AVV vorzutragen, und für die rege Diskussion im Anschluss an die Ausführungen.
Radiologischer Geringfügigkeits-Indikator – RGI
Die in Punkt 7.2.2 der Sicherheitsanforderungen 2010 gegebene Regelung war Anlass zur Definition des sogenannten Radiologischen Geringfügigkeits-Indikators (RGI), der in den Papieren zur Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben (VSG) eine wesentliche Rolle spielt. Siehe Grundzüge des Sicherheits- und Nachweiskonzeptes, Seite 36f.