Die Sendung
Mehrfach hat NDR info einen Mitschnitt einer Diskussion zum Thema Wie werden wir die Atomkraftwerke los? gesendet. Auf das Audiofile kann jetzt in der Mediathek unter ndr.de/info/Logo… zugegriffen werden. Teilnehmer der Diskussion waren Wolfram König (Bundesamt für Strahlenschutz), Harald Budelmann (Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz – TU Braunschweig), Ulrich Smeddinck (Institut für Rechtswissenschaften – TU Braunschweig) und Klaus-Jürgen Röhlig (Institut für Endlagerforschung – TU Clausthal).
König schildert Falsches zur Endlagerkommission
Herr König versteigt sich bei 45:46 zu der Aussage:
Was wir haben, ist eine Möglichkeit, dass jeder derzeit das nachvollziehen kann, was passiert. Das ist eine sehr einmalige Situation: Zwei Verfassungsorgane – Bundesrat, Bundestag – haben Vertreter reingeschickt, die mit Experten zusammen genau dieses erarbeiten sollen. Und jede dieser Sitzungen – auch der Arbeitsgruppensitzungen – wird derzeit öffentlich übertragen.
Leider ist dies nicht so. Die Arbeitsgruppensitzungen der Endlagerkommission sind zwar öffentlich, werden aber weder öffentlich übertragen, noch werden die angefertigten Audioaufzeichnungen veröffentlicht. Letzteres verstößt sogar gegen § 14 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung, die sich die Kommission selbst gegeben hat. Eine Beschwerde dazu ist beim Direktor beim Deutschen Bundestag eingereicht. Von den Arbeitsgruppensitzungen werden lediglich Wortprotokolle erstellt, die etwa zwei Monate nach der Sitzung veröffentlicht werden. Damit ist die inhaltliche Verfolgung der Kommissions- und der Arbeitsgruppenarbeit ohne persönliche Anwesenheit nicht möglich. Von Transparenz kann hier nicht gesprochen werden. Außerdem werden immer mehr nichtöffentliche Besprechungen institutionalisiert, so die Treffen der Arbeitsgruppenvorsitzenden.
Informationen zur Finanzierung verwirrend und oberflächlich
Diese Falschinformation war Anlass, das Audiofile nochmals anzuhören. Und da sagt Herr Smeddinck bei 14:40 zum Beispiel:
Es gibt Sorgen, dass diese Summe, diese Höhe nicht ausreicht. Und deswegen auch die aktuelle Diskussion über die Frage, ob man diese Rückstellungen einer öffentlich-rechtlichen Stiftung übergibt, um sie sozusagen zu sichern. Die Geschäftsmodelle in den Energieversorgungsunternehmen funktionieren nicht mehr so gut. Und wie gesagt: Es ist die Perspektive, dass es wohl etwas mehr Geld kosten könnte, als im Moment im Sparstrumpf ist.
Herr Smeddinck vermischt da munter zwei sehr unterschiedliche Probleme, nämlich die Sicherung der Rückstellungen und die Höhe der zu erwartenden Rückbau- und Entsorgungskosten. Auch kein anderer Diskussionsteilnehmer weist auf den Umstand hin, dass die Angaben der Unternehmen zu den gemachten Rückstellungen kaum nachprüfbar sind, worauf bereits der Bundesrechnungshof im Jahr 2011 hingewiesen hat (siehe hier):
Die Finanzverwaltung soll die Rückstellungen bei den Betriebsprüfungen kontrollieren, damit eine zutreffende Besteuerung der Unternehmen sichergestellt wird. Den Betriebsprüfern fehlt jedoch das technische Fachwissen, um die Rückstellungswerte über eine reine Plausibilitätsprüfung hinaus zu untersuchen. Die Einbeziehung des Bundesamtes für Strahlenschutz oder anderer Fachbehörden als Sachverständige hierfür ist aufgrund des Steuergeheimnisses nicht möglich. Die entscheidenden Gutachten, die der Bildung der Rückstellungen zugrunde lagen, werden wegen fehlender Auskunftsrechte nicht ausgetauscht. Die maßgeblichen Annahmen bei der Bildung der Rückstellungen muss die Betriebsprüfung weitgehend ungeprüft übernehmen.
Sowohl zu hohe als zu niedrige Rückstellungen bringen erhebliche Risiken für den Haushalt mit sich. Sind die Rückstellungen zu niedrig, wird möglicherweise der Bund in Anspruch genommen. Sind sie zu hoch, führt die steuerliche Begünstigung der Rückstellungen zu Mindereinnahmen.
Der Bundesrechnungshof hält eine bessere staatliche Prüfung der Rückstellungen und eine umfassende Information von Parlament und Regierung für geboten. Aus seiner Sicht muss die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden deutlich verbessert und intensiviert werden. Die hierfür erforderlichen Auskunftsrechte sind zu schaffen. Daneben sollte geprüft werden, wie die Empfehlung der Europäischen Kommission umgesetzt werden kann, eine der schon betrauten Stellen mit Fragen der Stilllegungs- und Rückbaukosten zu befassen. Eine eigene Behörde ist hierfür nicht erforderlich.
Politisch eigentlich zwingend notwendige Konsequenzen wurden bisher immer noch nicht gezogen. Ein entsprechender Vorschlag der SPD während der Koalitionsverhandlungen 2013 findet sich im Koalitionsvertrag nicht wieder.
Flache Salzlagerungen in Deutschland noch nicht betrachtet
Herr Röhling kommt bei 34:40 zu einer falschen Aussage über flache Salzlagerungen:
In Deutschland hat man sich bis jetzt noch nicht mit der Frage befasst, ob solche Formationen auch infrage kommen.
Dabei ist in Jaritz, W. (1983). Eignung von Salzstöcken in Niedersachsen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle auf Seite 17 zu lesen:
…Weitere Standortchancen für ein Endlagerbergwerk bietet möglicherweise das im Gebiet zwischen Weser und Ems in flacher Lagerung und in Salzkissen vorkommende Münder-Mergel-Salinar
…
Aufgrund von Mächtigkeits- und Faziesbetrachtungen sowie der flächenhaften Ausdehnung ist das Vorkommen von Herzlake als eignungshöffigstes anzusehen….
Flache Salzlagerungen werden immer wieder von der BGR in die Diskussion eingebracht, auch wenn diese bisher als ungestörte natürliche Lagerungsbedingungen verklausuliert wurden, wohl um nicht gegen das Gorlebendiktat von 1977 zu verstoßen. Siehe Beitrag Die Gesteine im Vergleich.
Begriff „Sicherheitsnachweis“
Bei 36:04 benutzt Herr König den Begriff des Sicherheitsnachweises für Endlager. Unbestritten ist aber, dass es einen Sicherheitsnachweis über 10 Mio. Jahre nicht geben kann, siehe Beitrag Der doppelte Euphemismus “Langzeitsicherheitsnachweis”. Sprachlich angemessen wäre der Ausdruck Langzeitrisikoargumentation. Wenn seitens des BfS solche irreführenden Begriffe benutzt werden, darf man sich nicht wundern, dass eine rationale Kommunikation über Risiken nicht zustande kommt. Dies wird von Herrn König und anderen Diskussionsteilnehmer aber an anderer Stelle bedauert.
Stabile Endlagerbehälter
Herr König kommt schließlich bei 40:44 zu der Aussage:
Auch bei einem verschlossenen Endlager ist eine Anforderung, die auch heute übrigens schon eine Vorgabe ist, die Behälter so zu konstruieren, dass sie dem Erddruck standhalten und nicht kaputt gehen, sodass man sie theoretisch bergen kann.
Damit nimmt er Bezug auf die Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle Seite 18, Punkt 8.6:
Für die wahrscheinlichen Entwicklungen muss eine Handhabbarkeit der Abfallbehälter bei einer eventuellen Bergung aus dem stillgelegten und verschlossenen Endlager für einen Zeitraum von 500 Jahren gegeben sein. Dabei ist die Vermeidung von Freisetzungen radioaktiver Aerosole zu beachten.
Er erwähnt dabei nicht, dass dies für die Endlager Morsleben und Konrad nicht gilt. Die Anforderungen an die Konrad-Behälter beinhalten das nicht, siehe Behälterliste.