Arbeitsgericht: Die Realität des „selbsthinterfragenden Systems“

Öffentliche Güteverhandlung in der 56. Kammer des Arbeitsgerichts

Bei der Verfolgung der täglichen Aushänge vor den 23 Sitzungsräumen im zweiten und fünften Stock des Arbeitsgerichtes Berlin wurde endlagerdialog.de schließlich fündig. Am Morgen des 08.10.2018 war im Raum 513 ein Verfahren mit dem BMU als Beklagtem zu finden (56Ca11134/18). Es handelte sich um eine Güteverhandlung vor der 56. Kammer (Geschäftsverteilung) im Urteilsverfahren – siehe Die Arbeitsgerichtsbarkeit – Informationen für Pressevertreter. Kläger ist der ehemalige Abteilungsleiter FA im BfE.

Abteilungsleitung ohne Nennung von sachlichen Gründen entzogen

Im Beitrag Personalkarussell BfE – Abteilungsleitung FA wieder vakant wurde noch ausgeführt

….findet man den bisherigen Abteilungsleiter FA nicht mehr im Organigramm des BfE. Hat der Abteilungsleiter woanders eine bessere Stelle gefunden oder ist er dem Aufbau des übersteilen Hierarchiesystems im BfE zum Opfer gefallen?

– siehe auch Widerspruch gegen Ablehnung im IFG-Verfahren. Laut Aussagen in der öffentlichen Verhandlung hat der Abteilungsleiter keine bessere Stelle gefunden, sondern ihm wurde die Abteilungsleitung entzogen, ohne dies anzukündigen oder zu begründen.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Präsident des BfE gescheitert

Vertraglicher Hintergrund ist laut BMU ein auf zwei Jahre befristetes Widerrufsrecht der Ernennung zum Abteilungsleiter. Dies sei kein Einzelfall, sondern werde als verlängerte Probezeit bei Positionen eingesetzt, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erfordern. Diese sei im vorliegenden Fall insbesondere mit dem Präsidenten des BfE gescheitert. Eine andere Verwendung innerhalb des BfE schloss der Beklagtenvertreter aus verschiedenen Gründen aus, ohne die Gründe explizit zu nennen. Dies sei mit der Amtsleitung nicht zu machen.

Jetzt Referent ohne Aufgabengebiet

Der Kläger wollte in seiner Position eine Abteilung aufbauen, da er im Frieden nach Gorleben eine wichtige Aufgabe sah. Er weiß nicht, was ihm vorgeworfen wird, ein klärendes Gespräch hat nicht stattgefunden. Selbst eine leitende Funktion als Referatsleiter ist ihm nicht gewährt worden. Nach der Änderungskündigung und Widerruf der Benennung zum Abteilungsleiter ist er Referent ohne Aufgabengebiet.

Referatsleitung als Interimslösung? Nein!

Der Richter schlug vor, dem Kläger als Interimslösung wenigstens eine Referatsleitung zu übertragen – ohne Erfolg. Schließlich wurde ein Kammertermin vereinbart: 06.03.2019, 10:45 Uhr, Raum 513.

Zwei Jahre Sozialisationsdruck unvereinbar mit selbsthinterfragendem System

Das bisherige Verfahren zeigt, dass es angebracht ist, in den ersten zwei Jahren bei der Tätigkeit im selbsthinterfragenden System nur das zu hinterfragen, was auch die Hausleitung hinterfragt. Ansonsten kann man ohne Nennung von sachlichen Gründen seine Arbeitsumgebung verlieren. Nach zwei Jahren unter diesem harten Sozialisationsdruck kann man mit einiger Sicherheit nur noch das denken, was die Hausleitung denkt. Passt das in ein selbsthinterfragendes System? Stirbt damit nicht der Aufbau eines solchen Systems?

Aufgabe für das NBG

Diesen realen Fragen sollte das NBG nachgehen. Als Ausgangspunkt sei erinnert an das Diskussionspapier NBG und das Institutionengeflecht, das Herr Grunwald auf der NBG-Sitzung am 02.02.2018 vorgestellt hat.
Sehr treffend wird darin das Schaubild 2 aus dem Abschlussbericht der Endlagerkommission (S. 55) übernommen.

Die dominante Rolle des BMU und damit der Politik – selbsthinterfragendes Verfahren als reine Illusion

Im Gegensatz zu den Veröffentlichungen des BfE wird darin die zentrale Rolle des BMU (damals noch BMUB) gezeigt. Zusätzlich sieht sich das BMU offensichtlich nicht in der Pflicht, für die reichlichen Einflüsse – alle grünen Pfeile – das Prinzip der Transparenz anzuwenden. Zusätzlich hat das BMU durch die politisch verlesenen Leitungsebenen von BfE, BGE und BfS und den Konstruktionen von zweijährigen Sozialisierungsknebeln zumindest beim BfE  durchschlagenden Einfluss bis zur dritten Hierarchieebene der Institutionen. Damit stellt sich ein selbsthinterfragendes Verfahren bei der Endlagerstandortsuche als reine Illusion heraus.

Was kann helfen?

Es wird Zeit, dass die vielen eher wissenschaftlichen sozialisierten, am Endlagerproblem Arbeitenden den Mut finden, dieses politisch-administrative System der absoluten Hierarchie infrage zu stellen. Es wird Zeit, dass WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen endlich „erwachsen“ werden und ihre Rollen souverän und couragiert wahrnehmen, und das heißt die PolitikerInnen nur die politischen Rollen und die WissenschaftlerInnen nur die wissenschaftlichen Rollen spielen. endlagerdialog.de hat dies schon mehrfach versucht, in Beiträgen darzustellen (zum Beispiel in Das Endlagerproblem und die WissenschaftlerInnen und ..vorauseilenden Gehorsam…). Weiterhin ist die unerträgliche Intransparenz im gesamten Institutionengeflecht umgehend zu beseitigen, eine Aufgabe sowohl der Wissenschaften als auch der Politik.

Ansonsten bleibt nur noch einmal zu betonen, dass endlagerdialog.de als Dialogplattform zur Verfügung steht. Jede/jeder kann Kommentare schreiben – auch unter einem Pseudonym.

6 Gedanken zu „Arbeitsgericht: Die Realität des „selbsthinterfragenden Systems“

  1. Ich weiss nicht, was Sie dazu antreibt in Ihrem ansonsten durchaus lesenswerten Blog schutzbedürftige Personalangelegenheiten einseitig und spekulativ in einen Topf mit fachlichen Fragen zu werfen. Die Geschichte eines durch die Arbeitsgerichtsflure streichenden Aufklärers, der ganz zufällig auf die Güteverhandlung eines angeblich unterdrückten Mitarbeiters der Endlagerbehörde stösst, spricht leider für sich. Aber auch Ihnen sollte bewusst sein, dass es jenseits von Fragen der fachlichen Qualifikation rote Linien im Verhalten von Führungskräften gibt, xxx xxx xxxxxx xxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxx. xxxx xxxx xxx xxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxx, xxxxx xxxxxxx xx xxx xxxxxxx xxx xxxxxxxxxxxx xx xxxxxxxxxxxxxxxx, xxxxxxxx xx xxxxx xxxxxxxxxxxxxx?

    redaktionell bearbeitet wegen des Verdachts auf Erfüllung des Straftatbestandes der Verleumdung nach § 187 Strafgesetzbuch
    endadm, 18.10.2018

  2. Die Rote Linie

    Diese Rote Linie hätte der Beklagtenvertreter – dessen Namen ich hier wegen Wahrung der Persönlichkeitsrechte nicht erwähne – in der Verhandlung nennen können. Hat er aber nicht. Und das spricht Bände über das selbsthinterfragende System.

    Ich kenne das System sehr genau. Ich habe vor sieben Jahren an gleicher Stelle – damals gegen das BfS – wegen fristloser Entlassung geklagt, ohne dass mir sachliche Gründe genannt wurden.

    Hätte die Verhandlung nur einen leisen Hinweis auf eine Rote Linie ergeben, der eine Relevanz bezüglich Persönlichkeitsrechten entwickeln könnte, hätte ich darüber selbstverständlich nicht berichtet.

  3. Einseitig und spekulativ ist die Berichterstattung hier keineswegs. Der genannte Abteilungsleiter war ein engagierter, allseits geschätzter, offener und vor allem wenig an formalen Hierarchien interessierter kluger Kopf und es ist ein Verlust, dass er dem BfE nicht mehr zur Verfügung steht.
    Und selbst wenn dies andere (im BfE oder anderswo) anders sehen und darstellen mögen, so ist doch der geschilderte Umgang seitens des Arbeitgebers mehr als fragwürdig. Welche Botschaft soll damit an die anderen Angestellten/Beamten des BfE gesendet werden? Inwiefern kann ein solcher Umgang dazu dienen, eine lernende und kritikfähige Behörde aufzubauen? Das sind die Frage, die der Artikel stellt und die ich teile.

  4. Die investigativjournalistische Aufklärungsarbeit, die aus den im Bericht ausgeführten Gründen sachlich gerechtfertigt ist, ist gut und wichtig. Die Empfehlungen „Was kann helfen“ dann aber alles andere als zweckmäßig. Was ist denn damit gemeint, dass WissenschaftlerInnen „erwachsen werden [und das] politisch-administrative System der absoluten Hierarchie infrage [stellen sollen]“? In hierarchisch strukturierten Behörden gab es noch nie freie Forschung in dem Sinne wie es sie an Universitäten gibt. Alle WisseschaftlerInnen, die sich bei einer Behörde bewerben, wissen das. Da ist der Aufruf dazu, nicht existierende „Rollen [als freie WissenschaftlerInnen] souverän wahr[zu]nehmen“ nicht besonders vielversprechend. Diese Rollen müssten anderswo geschaffen werden. Das hat man aber in der Endlagerkommission für unnötig erachtet (siehe u.a. „Schaubild 2“). Stattdessen ein Ministerium als Super-Implementor. Dieses Versäumnis kann man gut und gerne anprangern. Aber ist das nicht eher die Aufgabe des erwachsenen Journalisten (oder Politikers) als des Wissenschaftlers?

    • WissenschaftlerInnen in Behörden
      Sicherlich gibt es in den hierarchisch strukturierten Behörden keine freie Forschung. Es geht ja in der Regel nicht um Forschungsaufgaben, sondern um die Anwendung von Wissenschaft. Arbeitet man dann in einer Behörde, so hat man meiner Meinung nach durchaus auch Verantwortung für seine wissenschaftliche Arbeit. Das beinhaltet zum Beispiel, dass man bei der Aufforderung, wissenschaftlich eine politisch-administrative Vorgabe zu untermauern, zumindest intern die wissenschaftlichen Alternativen aufzeigen sollte, insbesondere wenn diese eher zutreffen als die vorgegebene Marschrichtung.

      Leider werden solche Alternativen meiner Erfahrung nach schon sechs Monate nach Eintritt in Behörden mit steiler Hierarchie nicht mehr vorgebracht, bei flachen Hierarchien nach vielleicht einem Jahr. Beim im StandAG angestrebten selbsthinterfragenden System sollte das Alternativendenken nie ganz aufhören. Wo sollte sonst die Selbsthinterfragung herkommen – allein von außerhalb?

      In diesem Zusammenhang weise ich gern auf eine interne Diskussionsveranstaltung im BfS im Jahr 2003 hin, bei der auf wichtige Fragen wie

      • Welche gesellschaftspolitische Verantwortung hat eine wissenschaftlich arbeitende Behörde?
      • Ist wissenschaftliche Forschung von politischen Ereignissen beeinflusst?
      • Was heißt es für das BfS, die politische (demokratisch legitimierte) Entscheidungen loyal mitzutragen?
      • Wie geht das BfS mit den zeitlich verändernden politischen Einflüssen bei der Bewertung und dem Management von Risiken um?
      • Inwiefern sind die jeweiligen konkreten fachlichen Aufgaben des BfS auch politisch ausgerichtet? Wie vereinbart sich das mit dem Begriff „selbständige Oberbehörde im Geschäftsbereich des BMU“?
      • Ist die klare Trennung zwischen fachlicher Arbeit und politischen Entscheidungsprozessen im BMU möglich?
      • Wie gelingt es dem BfS, Möglichkeiten und Grenzen der Wissenschaft sowie vorausschauend Probleme und Handlungsbedarf aufzuzeigen?

      auch einige interessante Antworten gegeben wurden.

      Man kann lange darüber lamentieren, dass die Endlagerkommission mit dem Motto „alles in einer Hand“ dem BMU solch eine Vormachtstellung eingeräumt hat. Ein Zusammenlaufen „in einer Hand“ ist verfassungsrechtlich wohl notwendig, dies hätte aber auf eine Ebene höher bei der BundeskanzlerIn verlegt werden können. Auf der Grundlage des geltenden StandAGs wäre man schon einen großen Schritt weiter, wenn das BMU sich weitgehend heraushalten und bei einem vielleicht notwendigen Eingriff dies öffentlich machen würde. Dazu zeigt das BMU aber keinerlei Neigung.

      Nun komme ich noch zur Rolle der JounalistInnen. Sie haben sicherlich Recht, dass hier eine Aufgabe des Journalismus liegt. Deshalb habe ich persönlich den Weg vom Physikochemiker zum Fachjournalisten beschritten. Wie Sie betonen, braucht es aber auch hier erwachsene JournalistInnen. Der Verwertungsdruck in diesem Metier behindert aber ein wirkliches Erwachsenwerden, wenn damit der Lebensunterhalt verdient werden soll.

  5. Es war wichtig und richtig, dass hier über die Personalie berichtet wurde. Ich selbst kann das Gesagte aus eigener Erfahrung nur bestätigen („Zusätzlich hat das BMU durch die politisch verlesenen Leitungsebenen von BfE, BGE und BfS und den Konstruktionen von zweijährigen Sozialisierungsknebeln zumindest beim BfE durchschlagenden Einfluss bis zur dritten Hierarchieebene der Institutionen“).

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