Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften
Das vorletzte Heft der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften (ZDGG) ist dem Geologen Franz Kockel gewidmet, der unter anderem Mitautor von Studien zur Lagerung radioaktiver Abfälle ist, so von
- Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle (1977),
- Bewertung von Salzformationen außerhalb Niedersachsens für die Errichtung von Endlagern (1982) und
- Endlagerung stark wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen Deutschlands – Untersuchung und Bewertung von Salzformationen (1995).
Steinsalzlager in den salinaren Formationen Deutschlands – BASAL
In diesem Heft ist auch ein Artikel mit dem Titel Steinsalzlager in den salinaren Formationen Deutschlands abgedruckt. Der Artikel geht im Wesentlichen auf das Forschungsprojekt BASAL (Verbreitung und Eigenschaften flach lagernder Salzschichten in Deutschland) zurück, von dem ein Zwischenbericht vom Dezember 2014 durch ein IFG-Verfahren von endlagerdialog.de öffentlich zugänglich gemacht worden ist.
Nach gut einem Jahr nichts Neues – Diversität und Redundanz
Das Manuskript zum oben genannten Artikel wurde 12.02.2016 eingereicht, also ein gutes Jahr nach dem Zwischenbericht. Doch neuere Inhalte sind in dem Artikel nicht aufzufinden. Beim Durchlesen fällt nur wieder auf, dass es in Deutschland nicht illusorisch ist, auch die Diversität bei geologischen Barrieren umzusetzen. Das zeigt zum Beispiel die Bohrung Besten im Malm-Salinar (Artikel S. 182, Zwischenbericht S. 59):
115 m relativ reines Steinsalz; 56 m Tonstein; 65 m relativ reines Steinsalz; 40 m Tonstein; 416 m Steinsalz, das durch dünne Anhydrit- und Tonsteinlagen verunreinigt ist.
Die Mächtigkeit des ewG könnte sich auf 161 m erstrecken, hätte also neben der Diversität Ton-Salz-Ton auch noch Redundanzpotenzial.
Veränderungssperre nach § 21?
Sicherlich ist das nur eine Bohrung, also eine punktuelle Aussage, aber es zeigt deutlich, dass die Geologie Deutschlands nicht nur die primitiven Endlagerkonfigurationen entweder Salz, Ton oder Kristallin ermöglicht, worauf allein die Sicherungsvorstellungen (Veränderungssperre) des BMUB in der Formulierungshilfe StandAG § 21 abzielt, siehe Papier dazu S. 4f.
Keine neuen Erkenntnisse, obwohl weiteres Vorgehen klar formuliert
Bedauernswert ist, dass in dem Artikel nicht neuere Erkenntnisse, die über den Stand Ende 2014 hinausgehen, enthalten sind. Im Zwischenbericht ist das notwendige weitere Vorgehen sehr deutlich formuliert worden (S. 71):
5 Ausblick
Weiterführende, im Projekt BASAL vorgesehene Arbeiten zur detaillierten stofflich-strukturellen Charakterisierung von flach lagernden Steinsalzfolgen sollten sich vorrangig auf die Steinsalzlager der Werra- und Staßfurt-Formation im Zechstein konzentrieren. Diese weisen die höchsten Mächtigkeiten unter den flach lagernden Steinsalzfolgen auf und kommen regional in Tiefenlagen von wenigen hundert Metern bis etwa 2000 m vor. Ausgehend von den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen gilt dies für die Vorkommen im Niederrhein-Ems-Gebiet, im Werra-Fulda-Becken (inklusive Fränkisches Becken) und im Thüringer Becken. Damit für diese Gebiete die erforderliche Regionalisierung der gesteinsspezifischen Eigenschaften (z. B. lokale Ausprägung der Steinsalzschichten) sowie eine strukturgeologische Charakterisierung erfolgen können, sind in einem nächsten Schritt die horizontbezogenen Daten und Messungen aus Bohrungen auszuwerten und zusammen mit strukturgeologischen Kenntnissen in geowissenschaftliche Modelle (z. B. Faziesverteilung) zu integrieren. Die gegenwärtig von mehreren Geologischen Landesämtern entwickelten geologischen 3D-Landesmodelle des tieferen Untergrundes unterstützen die, für die Fortführung der Arbeiten im Projekt BASAL erforderliche komplexe Erfassung und Auswertung regionaler geologischer und geophysikalischer Daten. Diese 3D-Modelle dienen der Visualisierung des aktuellen geowissenschaftlichen Kenntnisstandes und sind deshalb eine nützliche Grundlage für zukünftige regionalgeologische Bewertungen von Wirts- und Barrieregesteinen.Aufgrund ihrer Zuständigkeit für den tieferen Untergrund ist bei der Fortsetzung der Arbeiten eine Kooperation zwischen den Staatlichen Geologischen Diensten der Bundesländer und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe notwendig, um die verfügbaren endlagerrelevanten Informationen über die potenziellen Wirtsgesteine in Deutschland weitergehend zu aktualisieren. Dazu zählen auch Informationen zum geologischen Bau der prä- und postsalinaren Gesteinsschichten. Nur so kann die Konsistenz zwischen klein- und großmaßstäblichen Modellvorstellungen über flach lagernde Steinsalzfolgen gewährleistet werden.
Veränderungssperren notwendig in Bayern, Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
Was ist davon innerhalb der letzten zwei Jahre umgesetzt worden? Beim jetzigen Kenntnisstand müssen aufgrund der Aussage im Zwischenbericht die Regionen
- Niederrhein-Ems-Gebiet,
- Werra-Fulda-Becken,
- Fränkisches Becken und
- Thüringer Becken
mit einer Veränderungssperre analog zu Gorleben nach Formulierungshilfe StandAG § 21 Abs. 4 versehen werden, da für diese Gebiete nach § 15 Abs. 3 keine hinreichenden Informationen für die Anwendung der Kriterien nach §§ 22 bis 24 vorliegen. Man kann gespannt sein auf die 3D-Modelle dieser Regionen.
Kristallin – CHRISTA-Endbericht liegt vor
Zu Kristallinvorkommen in Deutschland gibt es recht wenig Informationen. Bei der Kristallinstudie 1994 wurden nur die bis an die Oberfläche reichenden Kristallinvorkommen berücksichtigt. Grundlegend behandelt wurde Kristallin im Forschungsprojekt CHRISTA, zu dem jetzt der Endbericht vorliegt.
Kristallinvorkommen in Deutschland
Darin wird neben der Umsetzung des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs (ewG nach AkEnd) bzw. einschlusswirksamen Bereichs (ewB nach ESK) im Kristallin auch die Informationen des Vorkommens von Kristallingesteinen in Deutschland geschildert (Seite 53 ff.). So erfährt man von einer Abbildung in einer Vorstudie (Bräuer et al. 1991: Anlage 6, BGR Archiv Nr. 108958) zur Kristallinstudie 1994, aus der die vermutete Kristallinverbreitung in 2000 m Tiefe unter Geländeoberfläche in den fünf neuen Bundesländern und der damit verbundene Flächenzuwachs hervorgeht.
Tiefenlage der Kristallin-Oberfläche in Deutschland
Eine weitere Studie zu dieser Problematik wurde 2005 abgeschlossen (Tiefenlage der Kristallin-Oberfläche in Deutschland). Eine daraus entnommene Karte ist im CHRISTA-Endbericht aus Seite 65 zu sehen. Da die Kristallinoberfläche in Norddeutschland sehr tief liegt und durch Bohrungen kaum erschlossen ist, wurde hier die Präperm-Oberfläche herangezogen. Geht man von einer möglichen Tiefe eines Endlagerbergwerks von 1200 m aus, so müssen weite Teile Süddeutschlands in den Untersuchungsraum für ein Endlager einbezogen werden. Seriöserweise hätte diese Karte also in das Papier der BGR für die Endlagerkommission mit dem Titel Der tiefere geologische Untergrund von Deutschland – K-MAT 11 gehört.
Endlagersuche bis zu 2000 m Tiefe?
Der im Hartgestein liegende Gotthard-Tunnel hat eine Gesteinsüberdeckung von bis zu 2450 m. Dabei traten erhebliche technische Probleme auf (Spiegel ONLINE 01.06.2016):
Aus dem Fels gesprengt wurde gut ein Drittel der Gesamtstrecke, bei teils extremen Bedingungen: „Die Felsen in der Tiefe haben eine Temperatur von 45 Grad Celsius und die haben natürlich auch die Umgebung erwärmt. Weil das Arbeitsrecht nur 28 Grad erlaubt, mussten wir riesige Kühlaggregate einbauen“, sagt Renzo Simoni, CEO der AlpTransit Gotthard AG. Bis zu 2400 Arbeitskräfte waren für die Arbeiten im Tunnel, neun Menschen ließen ihr Leben. „Unser Anliegen war es, die Anzahl der Unfälle deutlich unter dem Durchschnitt anderer Baustellen zu halten – das hat zwar funktioniert, aber jeder einzelne Tote ist zu viel“, sagt Simoni.
Sollte man bei einem Endlager ebenfalls diese technischen Probleme in Kauf nehmen, so könnte man bis 2000 m tief gehen.
Suchraum für Kristallingestein praktisch die Hälfte der Bundesrepublik Deutschland
Die Endlagerkommission hat keine maximale Tiefe festgelegt, auch in der Formulierungshilfe StandAG gibt es dazu keine Festlegung, allein in § 21 Abs. 2 wird – vollkommen ohne Begründung – die Betrachtungstiefe auf 1500 m beschränkt. Bei einer maximalen Tiefe von 2000 m würde der Suchraum nochmals wesentlich vergrößert werden und allein für Kristallingestein praktisch die Hälfte der Bundesrepublik Deutschland beinhalten, mit erheblichen Auswirkungen durch eine Veränderungssperre nach Formulierungshilfe StandAG § 21.
In diesen Teufen – 1500 – 2000 m – ein Endlager-Bergwerk zu errichten, ist – gelinde gesagt – eine Zumutung für die ausführenden Bergleute. Die notwendige Klimatisierung ist nur mit immensem Aufwand zu bewerkstelligen und dies auch nur vor Ort und nicht im gesamten Grubenbereich.
Die Auswirkungen des erhöhten Gebirgsdruckes in diesen Teufen sind in kristallinen Bereichen wahrscheinlich geringer als in Salz- und Tongestein; dennoch wird erhöhter Aufwand für Streckenausbau und dessen Überwachung notwendig sein.
Man sollte ein Endlager-Bergwerk in Teufen von ungefähr 1000 m errichten. Das ist sowohl technisch als auch sozial beherrschbar mit wesentlich geringerem finanziellem Aufwand.
Ich selbst habe in Teufen von knapp 1500 m gearbeitet; weiß also von der bergmännischen Problematik.
Sehr geehrter Herr Trittschack,
dafür habe ich Verständnis. Ich saß in der AG3-Sitzung kopfschüttelnd auf der Besuchertribüne, in der beschlossen wurde, die Maximaltiefe des AkEnd nicht zu übernehmen. Und ich war nicht der einzige Kopfschüttler auf der Tribüne!
Nun muss entweder der Bundestag oder der Vorhabensträger entscheiden, bis zu welcher Tiefe gesucht wird. Und da wird die Diskussion aufkommen, warum nicht zum Beispiel tiefer als 1000 m, wenn es beim Gotthard-Tunnel und auch bei anderen Bergwerken gemacht wurde? Endlager Konrad liegt bereits bei 1200 m. Zur Veranschaulichung der Problematik habe ich ja das Zitat aus SpiegelONLINE gebracht.
Auch hier müssen tragfähige Kompromisse geschlossen werden. Doch die sehe ich nicht, da weder das BMUB noch der Bundestag und erst recht nicht die Endlagerkommission Brücken zu den wesentlichen Stakeholdern in der Endlagerauseinandersetzung gebaut haben. Kleine Rampen sind von der Gegenseite in Aussicht gestellt worden. Diese sind aber von der großen Politik und den weisen Experten leider nicht wahrgenommen worden.
Es ist einfach nicht hinnehmbar, wenn jetzt das BMUB klammheimlich in § 21 Formulierungshilfe StandAG ohne jegliche Begründung auf 1500 m beschränkt. So etwas ist entweder reine Provokation – wenn man die Lage des Grundgebirges in Deutschland sich ansieht – oder zeugt von Unprofessionalität. Wozu gibt es den Begründungsteil?
Politiker sind selten weise, denn sie denken ja nur in Zeiträumen von 4 Jahren – eher nur drei Jahre, denn im letzten Jahr der Legislaturperiode richtet sich ihr Sinn vor allem auf ihre Wiederwahl. Ob die Experten so weise sind, bezweifele ich auch, vor allem sind sie mit Sicherheit keine Praktiker.
Im übrigen ist der Bau des St.Gotthard-Tunnels nicht mit dem eines Bergwerkes zu vergleichen, das ein verzweigtes Streckennetz aufweist. In Deutschland gab es nur wenige Bergwerke in Teufen bis 1500 m. Die Erfahrungen, die hier gemacht wurden, sind aber nicht 1:1 auf alle Lagerstätten zu übertragen. Jede Lagerstätte hat etwas Spezifisches. Im Saarland gab es z.B. unterschiedliche geothermische Tiefenstufen, so daß in benachbarten Gruben unterschiedliche Verhältnisse in gleichen Teufen herrschten.
Zu den „weisen Experten“ sollten unbedingt auch Praktiker zu Rate gezogen werden, damit nicht von vorn herein technisch nur schwer Machbares, das anschließend nicht befriedigend realisiert werden kann, im Gesetz steht.