BR Fernsehen: „Wohin mit unserem Atommüll?“

Quelle: BR Fernsehen

Faszination Wissen

In der Reihe Faszination Wissen wird morgen 22:00 Uhr auf BR Fernsehen ein 30-minütiger Beitrag mit dem Titel Wohin mit unserem Atommüll? ausgestrahlt. Dieses Video ist bereits seit einigen Tagen in der Mediathek verfügbar. Der Film bemüht sich, das Endlagerproblem objektiv und verständlich aufzubereiten. (Ergänzung vom 24.04.2017: Ein aufmerksamer Blogleser hat mitgeteilt, dass der Link zum Video geändert wurde. Es ist zurzeit hier zu finden. Sollte das Video später nicht mehr auffindbar sein, kann es von endlagerdialog.de für private Zwecke zur Verfügung gestellt werden.)

Laborexperimente zu Kriterien

Bemerkenswert sind die Darstellungen von Laborexperimenten zu den drei möglichen Gesteinsarten Salz, Ton und Granit  und den fünf Eigenschaften Durchlässigkeit, Festigkeit, Formbarkeit, Lösbarkeit und Wärmeleitung.

black boxes der Endlagerkommission

Selbst der Unterschied zwischen Gesteins- und Gebirgsdurchlässigkeit wird angedeutet (10:44). Das erweckt Erinnerungen an die Workshopveranstaltung im 15. Januar 2016 in Kassel (siehe K-Drs. 230, S. 25 ff., siehe auch Beitrag ¿ „Wir wollen Beteiligen lernen!“ ?), In einem der Workshops hat endlagerdialog.de solche Experimente angeregt, das anwesende Kommissionsmitglied hat sich aber für das Beibehalten von black boxes ausgesprochen.

Kluft ist nicht gleich Kluft

Auch werden alle drei Gesteinsarten mit den Vor- und Nachteilen eingehend geschildert. So wird sogar eine durch Mineralisation verheilte Granitkluft im Untertagelabor Grimsel gezeigt (9:46) und ausgeführt Kluft ist nicht gleich Kluft.

Karten der Gesteinsarten verbesserungswürdig

Das Vorkommen der relevanten Gesteinsarten wird in drei Grafiken mit der Betonung der Relevanz für Bayern (BR Fernsehen!) gezeigt: Tonstein (6:02), Granit (6:48) und Salz (7:29). Dabei ist insbesondere die Karte für Granit (Kristallingestein) zu ergänzen. Es wurde lediglich die BGR-Karte mit den nicht verdeckten Kristallinvorkommen als Grundlage genommen.

Relevantes Kristallin nach StandAG – weite Teile Süddeutschlands im Suchraum

Setzt man jedoch die durch das Standortauswahlgesetz indirekt festgelegte Maximaltiefe von 1500 m (§ 21 Abs.2 Satz 1 StandAG)  sowie eine notwendige Mächtigkeit von 100 m an und nimmt die Karte des anstehenden kristallinen Grundgebirges zu Hilfe (CHRISTA-Endbericht, Seite 65, siehe auch Beitrag Neues von Salz und Kristallin), dann müssen weite Teile Süddeutschlands in den Untersuchungsraum für ein Endlager einbezogen werden. Es ergäbe sich eine ähnliche Karte wie für Salz mit dem Unterschied, dass die geschlossene Fläche in Süddeutschland liegen würde.

Zur Asse nur undifferenziertes Allgemeintheater

Sehr undifferenziert wird über die Asse als gescheiterten Versuch berichtet (ab 21:25). Gesagt wird, dass das Versuchsendlager als sicher galt. Bisher ist das Gegenteil nicht wirklich glaubhaft dargestellt worden, denn die positive Konsequenzenanalyse  ist noch nicht widerlegt worden. Selbstverständlich kann man sich eine sicherere Lagerung vorstellen, aber was ist sicher?

Vom einfachen Abkippen bis zu undichten Fässern

Es wird wieder die Plattitüde vom Stapeln und einfachen Abkippen bedient, ohne zu erwähnen, worin der Vorteil des Abkippens besteht. Ein Ausflug in den betrieblichen Strahlenschutz wird nicht unternommen. Süffisant wird postuliert, dass einige Fässer wohl nicht mehr dicht seien. Die Fässer waren so auch nicht geplant, sie dienten lediglich als Transportverpackung. Die Forderung von dichten Behältern im Endlager gilt bisher nur für hochradioaktiven Abfall über die ersten 500 Jahre.

Konrad und Morsleben nicht erwähnt

Sie gilt zum Beispiel nicht für das in Vorbereitung befindliche Endlager Schacht Konrad. Weiterhin wird zweimal (24:36 und 26:16) von Wolfram König – im Filmbeitrag als Wolfgang König bezeichnet –  in der Rolle als Präsidenten des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit betont, für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen dürfe kein altes Bergwerk genommen werden. Zur Erinnerung: König hat als Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz die Endlagerung von zwischengelagerten Abfällen in dem maroden alten Bergwerk Morsleben beantragt, obwohl diese leicht rückholbar sind.

Konrad ist altes Bergwerk mit Senkungstrichter

Weiterhin ist auch Schacht Konrad ein altes Bergwerk. Es wird als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle genutzt werden, da eine Planfeststellung vorliegt. Es ist ein altes Bergwerk mit einem ausgeprägten Senkungstrichter.  Das Senkungsmaximum beträgt 251 mm und die Trogfläche knapp 13 km2 (siehe Rabsilber, K., W. Brewitz, et al. (1982). „Geowissenschaftliche Standortuntersuchungen zur Dimensionierung und Auslegung von untertägigen Hohlräumen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Eisenerzgrube Konrad.“ in: Z. dt. geol. Ges. 133: 155-168).

Ein Gedanke zu „BR Fernsehen: „Wohin mit unserem Atommüll?“

  1. Aufgrund unvollständigen Wissens empfiehlt es sich in ‚Endlagerfragen‘ nicht nur formalistisch sondern auch pragmatisch zu denken. Die „Konsequenzenanalyse“ (KA) muss nicht ‚widerlegt‘ werden, sie muss aus sich selbst heraus überzeugend sein, was sie nicht ist. Die „Konsequenzenanalyse“ ist schon deshalb nicht akzeptabel, weil sie zu den akuten und chronischen radiologischen Risiken von freigesetzten Nukliden (insbesondere zu Tritium) expressis verbis keine Stellung nimmt (KA Seite 211). Die „Konsequenzenanalyse“ versucht sozusagen aus der Not eine Tugend zu machen indem Sie einschränkend feststellt: „Es ist hervorzuheben, dass die Langzeitsicherheit der verfüllten und verschlossenen Schachtanlage Asse II in Bezug auf die radiologischen und wasserrechtlichen Schutzziele nicht in gleicher Weise, d.h. durch die gleichen Sachverhalte und Prozesse, sichergestellt wird wie bei einem Endlager für radioaktive Abfälle nach international verfolgten Strategien: Es sind nicht gering durchlässige technische Barrieren und geologische Schutzschichten, die eine Schadstofffreisetzung verhindern oder niedrig halten.“( KA Seite 251). Polemisch könnte man hier einwenden, dass fehlende stoffliche Barrieren offenbar durch Annahmen und Modellrechnungen ersetzt werden sollen. Es stellt sich im Übrigen die Frage, ob eigentlich ein Sicherheitsnachweis lediglich nach Bergrecht angemessen ist? Mit der Tatsache, dass eingelagerte Abfälle mit dem eindringenden Wasser bereits seit langem in Kontakt stehen, und dass relativ große Mengen Tritium beständig mit der Abluft in die Umwelt gelangen, könnte das Schutzziel „Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit“ bereits heute schon nicht mehr gewährleistet sein, siehe: http://www.asse-2-begleitgruppe.de/allgemeines/veranstaltung-niedrigstrahlung-und-gesundheit-klaert-ueber-risiken-auf. Zudem beschränkt die „Konsequenzenanalyse“ (2006) ihren Anspruch selbst auf „Erfahrungen aus sicherheitstechnischen Bewertungen des Standorts, bergmännischen Erfahrungen, und ingenieurtechnischem Wissen“ (KA Seite 254). Radiobiologisches und radiogenetisches Wissen spielte demnach keine Rolle. Angesichts dieser offensichtlichen und grundlegenden Defizite in der reinen Möglichkeit eines Sicherheitsnachweises für die Asse, ist es kein Wunder, dass mit der „Lex Asse“ die politische Entscheidung getroffen wurde, den Atommüll wieder herauszuholen. Ob das überhaupt erreicht werden kann, und wohin dann mit dem Müll, sind ganz andere, ebenfalls ungelöste Fragen.
    Hagen Scherb

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