Deutliche Defizite bei der Öffentlichkeitsbeteiligung

Weitreichende Ziele der Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Standortsuche für ein Endlager hoch radioaktiver Abfälle hat laut § 5 Abs. 1 StandAG weitreichende Ziele:

Ziel der Öffentlichkeitsbeteiligung ist eine Lösung zu finden, die in einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird und damit auch von den Betroffenen toleriert werden kann. Hierzu sind Bürgerinnen und Bürger als Mitgestalter des Verfahrens einzubeziehen.

Darin sind hohe Ansprüche formuliert. Die Stichworte sind gesellschaftlicher Konsens und BürgerInnen als Mitgestalter.

Breiter gesellschaftlicher Konsens

An diesem Konsens ist bisher noch nicht gearbeitet worden. Die Endlagerkommission hat sich jedenfalls nicht in dieser Richtung engagiert, denn eine Aufarbeitung der Vergangenheit hat zum Beispiel nicht stattgefunden. Erst nach einer Aufarbeitung sowohl der fernen als auch der nahen Vergangenheit ist ein breiter gesellschaftlicher Konsens denkbar. Ferne Vergangenheit bedeutet die Entwicklung seit 1976/77, als das komparative Suchverfahren der KEWA von der Politik durch den Gorlebenbeschluss ersetzt wurde. In der nahen Vergangenheit sollten die  Entwicklungen des StandAGs seit 2011 ausgewertet werden, in denen teilweise Küchengesprächen geführt und Kompromissangebote wesentlicher Stakeholder nicht beachtet wurden. Hocke/ Smeddinck bemängeln zu Recht, dass das StandAG für diese Aufarbeitung keine Formate bereitstellt. Hier muss die zuständige Stelle also selber Verfahrenweisen entwickeln.

BürgerInnen zu Mitgestaltern machen

Wie kann man darüber hinaus BürgerInnen zu Mitgestaltern machen? Was bedeutet das bei der Vorgabe des StandAG, dass ein Tiefenlager gesucht werden soll? Reicht da das Bildungsniveau in geologischen Fragen in der Allgemeinbevölkerung aus? Dazu der Dachverband Geowissenschaften (DVGeo e. V. in GMIT, Sept. 2017, S. 43):

Es wird viel diskutiert über die Klimaentwicklung, die fossilen Brennstoffe, Erdbeben und deren Folgen, Probleme und Gefahren beim Bohren oder über die Endlagerung von hochradioaktiven Abfallstoffen an Orten, die als sicher über geologische Zeiträume hinweg eingestuft werden sollen. Das alles passiert jedoch, ohne dass schon in der Schule eine ausreichend fundierte Wissensgrundlage für solche Diskussionen geschaffen wird. Die Folge ist, dass häufig Halbwissen regiert oder vorliegende Fakten so dermaßen falsch wiedergegeben werden, dass an ein vernünftigen Diskurs nicht mehr zu denken ist – das Beispiel „Fracking“ hat uns das in erschreckender Weise vor Augen geführt.

Ohne das Beispiel Fracking im Einzelnen beleuchten zu wollen, sei hier das Beispiel Endlagerung angefügt. Ein Indikator dafür war die völlige Fehlinterpretation der 1 Million Jahre in der Arbeit der Endlagerkommission und in den Debatten in Bundestag und Bundesrat.

Bildungsangebote unterschiedlicher Akteure

Es gibt einige Akteure, die Angebote für SchülerInnen und junge Menschen im Bereich der Endlagerung machen. So haben kürzlich das Öko-Institut e. V. und das Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. ihre bisherigen Unterrichtmaterialien zur Endlagerung auf der Grundlage des StandAG überarbeitet. Zu nennen ist auch das vom atommüllreport und der BUNDjugend angebotene Jugendprojekt. Weiterhin sei das Angebot Kerntechnik in 4 Schulstunden des Aachen Institute for Nuclear Training erwähnt, worin die Endlagerung ein Themenbereich von mehreren ist. Geologisches Grundwissen wird nach den hier vorliegenden Informationen aber in allen genannten Angeboten nicht vermittelt.

Geodidaktik ist gefragt

Im Beitrag Nun kann die Suche beginnen wurden dafür plädiert, Geodidaktik  umgehend zum Zuge kommen zu lassen. Wie sieht die Geologie in den einzelnen Bundesländern aus? Hier sollten zum Beispiel anschauliche Filme wie der von Felix Krüger Geheimnisse unter märkischem Sand – Bodenschätze in Brandenburg und weitere Materialien erstellt werden. Weitere Fragen sind: Wie ist die Arbeitsweise der Geologie, was kann sie mit welcher Zuverlässigkeit voraussagen und was kann sie nicht?

Wer ist zuständig?

Doch wer ist dafür zuständig? Diese Frage wird eindeutig in § 4 Abs. 2 StandAG beantwortet.

Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit ist Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren.

Das BfE (Krausenstraße 17-18, 10117 Berlin) sollte also umgehend die offenen Türen beim DVGeo (Invalidenstraße 43, 10115 Berlin) einrennen. Nicht einmal Reisekosten würden anfallen. Sollte dies nicht in Kürze geschehen, hat  das Nationale Begleitgremium das BfE auf dieses deutliche Defizit hinzuweisen, denn

Aufgabe des pluralistisch zusammengesetzten Nationalen Begleitgremiums ist die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit dem Ziel, so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen.

Ansonsten muss man sich wohl oder übel der Feststellung von Hocke/ Smeddinck anschließen:

Es besteht die Gefahr, dass die neue Öffentlichkeitsbeteiligung nur als „partizipatives Ornament“ praktiziert wird.

Ein Gedanke zu „Deutliche Defizite bei der Öffentlichkeitsbeteiligung

  1. Nach Öko-Institut/UfU, atommüllreport/BUNDjugend und AiNT macht jetzt auch das BfE/BMUB Bildungsangebote in Endlagerfragen

    Heute hat das BfE unter Weitere Meldungen mitgeteilt, dass im Portal Umwelt im Unterricht des BMUB aktualisierte Unterrichtsmaterialien zum Thema der Endlagerung verfügbar sind.

    Leider kommt die Geologie auch hier nur marginal vor. In einem Rollenspiel gibt es zwar die Rolle der Geologen. Die Spieler in dieser Rolle bekommen aber lediglich Folgendes mit auf den Weg:

    Fachleute sind sich einig, dass radioaktive Abfälle tief unter der Erde am sichersten aufbewahrt werden können. Euer Fachgebiet ist die Beschaffenheit des Untergrunds. Aus eurer Perspektive sind vor allem folgende Fragen von Bedeutung:

    • Welche Rolle spielen Gesteinsformationen für die Lagerung von radioaktiven Abfällen?
    • Was muss man wissen, um zu beurteilen, welcher Ort geeignet sein könnte?

    Ein grundlegendes Papier zu den Arbeitweisen in der Geologie fehlt.

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