Festakt der BGE als Trauerfeier
Die Auftaktveranstaltung der BGE zum Start der Endlagersuche war als Festakt angelegt, nur die Kleiderordnung fehlte. Eigentliche war sie notwendig, da es auch eine Trauerfeier war. Zu Grabe getragen wurde die Hoffnung, dass die BGE als eine Hauptakteurin bei der Endlagersuche die bisherige Ausgrenzung wesentlicher Stakeholder in diplomatischer Weise berücksichtigt. Stakeholder involvement – ade. So wurde kein Raum für kritische Anmerkungen geschaffen, indem nur die zustimmenden Fraktionen im Bundestag zu Wort kommen sollten. Die Legende der breiten gesellschaftlichen Zustimmung wurde massiv vorwärtsgetrieben. Die Kritiker äußerten sich woanders (BI Umweltschutz, .ausgestrahlt, Die Linke, Tagesspiegel).
Öffentliche Veranstaltung?
Schon die Ankündigungspraxis war verwirrend. Erst lange nach der Versendung der persönlichen Einladungen wurde die Veranstaltung nach dem 29.08.2017 – also erst etwa eine Woche vor dem Termin – als öffentlich deklariert – siehe hier.
NBG hat den Auftakt längst hinter sich
Da war die Auftaktveranstaltung des Nationalen Begleitgremiums (NBG) am 11.02.2017 wesentlich besser geeignet, die interessierte und kritische Öffentlichkeit zu erreichen. Unverständlich ist deshalb, warum das NBG in seiner Sitzung am 07.09.2017 über eine Startveranstaltung diskutiert hat – siehe auch Überblick über weitere Sitzungstermine, Termin 11.11.2017. Den Auftakt hat das NBG längst hinter sich. Es stellt sich vielmehr die Frage, wann das dafür zuständige BfE mit der Öffentlichkeitsarbeit als grundlegenden Bestandteil der Öffentlichkeitsbeteiligung beginnt. Der Videoclip Endlagersuche in fünf Minuten erklärt und die Mobile Endlagerausstellung reichen da nicht aus.
Die Legende vom Neuen
Von der Bundesumweltministerin wurde unter anderem die Neuartigkeit von Zufallsbürgern im NBG hervorgehoben. Auch die Legende des Neuen wird immer wieder gepflegt, denn das Prinzip der Zufallsbürger gibt es in der Planung schon lange. Erinnert sei zum Beispiel an die Planungszelle, entwickelt vor gut vierzig Jahren. Auch Herr Miersch erwähnte diesen Punkt, ohne auf die lange Vergangenheit hinzuweisen.
Bewältigung der Ereignisse des Jahres 2012
Sicherlich wäre es hilfreich gewesen, im Redebeitrag der Ministerin ein wenig Vergangenheitsbewältigung unterzubringen. Wie wurde auf das Kompromissangebot verschiedener Gruppen im Jahr 2012 seitens der Administration reagiert, Gorleben im Suchverfahren zu belassen? – siehe Beitrag Aus Gorleben gibt es noch viel zu lernen. Aber die Legende der ewigen Gorlebenverweigerung sollte offensichtlich weitergepflegt werden.
Es ist durchaus verständlich, dass Herr Kanitz mit seinen 33 Jahren sich nicht Rückwärtsbetrachtungen verschrieben hat, sondern wissenschaftsbasiert nach vorne gehen will. Aber bis zum Jahr 2012 sollte man schon mal zurückschauen.
Initiator der neuen Rollenaufteilung
Herr König wurde mehrfach als Initiator der neuen Rollenaufteilung bei der Endlagerfrage dargestellt. Die bisher öffentlich verfügbaren Unterlagen sagen anderes aus. So hat er sich als Präsident des BfS immer wieder geweigert, eine strikte Trennung zwischen Vorhabenträger und Überwachungsbehörde einzuführen – siehe Erörterungstermin zu Morsleben, wo diese Frage fast jeden Tag als erster Punkt angemahnt wurde.
König-Legende
Die Grundlage dieser König-Legende wird in seinen Ausführungen bei der Anhörung der Endlagerkommission vom 3.11.2014 zur Evaluierung des StandAG gesehen. Hier machte er eine 180-Grad-Wende entgegen seinen schriftlichen Ausführungen vom 08.02.2012, in denen er sich dafür aussprach, die Organisationsstruktur im Endlagerbereich im Wesentlichen unverändert zu belassen – mit BfS als zentralem operator. Dies war Grundlage eines Artikels in der Süddeutschen Zeitung, der offensichtlich das sonst geheime Schreiben zugespielt wurde. Siehe UIG-Verfahren dazu.
BMUB in der Hauptrolle statt Fach- und Rechtsaufsicht
Das hochgelobte Rollenmodell erfährt zurzeit seine Demontage. Alle wesentlichen Entscheidungen werden vom BMUB getroffen. So hat die BGE nicht die Souveränität, selbst über die Rücknahme des Planfeststellungsantrags zu Morsleben zu entscheiden. So sieht die sogenannte Rollentrennung in der Realität unter der Fach- und Rechtsaufsicht des BMUB aus. Darauf hat zum Beispiel GREENPEACE bereits im April 2017 hingewiesen:
Im Gegenteil, das Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung vom 23. Juni 2016 habe zusammen mit dem Gesetz zur Neuordnung der kerntechnischen Entsorgung vom 16.12.2016 zu einer Konzentration sämtlicher Entscheidungskompetenzen beim Bundesumweltministerium (BMUB) und Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) und damit der jeweiligen Bundesregierung geführt. De facto sei der Bund Vorhabenträger, Aufsichtsbehörde und Gesetzgeber in einem Verfahren per Legalplanung.
Die DBE-Legende
Im Redebeitrag des Präsidenten des BfE wird eine weitere Legende gepflegt:
Mit der Atomgesetznovelle aus dem Jahr 1976 ist dem Bund die Aufgabe der Errichtung und des Betriebs von Endlagern radioaktiver Abfälle zugeordnet worden. Mit dem operativen Geschäft wurde jedoch ein Unternehmen beauftragt, das sich im Besitz der Abfallerzeuger und Abfallbesitzer befand.
Die gemeinte DBE war ursprünglich in Staatsbesitz, erst die Privatisierung machte die Abfallerzeuger und Abfallbesitzer schließlich zu Eigentümern – siehe Drucksache 16/11454, Antwort zu Frage 1. Dabei wurde es versäumt, den Kooperationsvertrag von 1984 anzupassen.
Standortsicherung – zwei Anträge in einem halben Jahr
Bemerkenswert ist die Aussage des BfE zur Standortsicherung nach § 21 StandAG:
Nach den Erfahrungen der ersten Wochen scheint diese Aufgabe bewältigbar. Bislang gibt es wesentlich mehr Unkenrufe über vermutete Verzögerungen als es tatsächliche Anträge gibt. Das sind nämlich bisher genau zwei (Stand: 04.09.2017), wovon einer bereits beschieden worden ist.
Erstaunlich ist es, dass innerhalb von etwa einem halben Jahr (mehrfache Terminsetzungen im Artikelgesetz zum StandAG: Art. 1 § 37 Abs. 2 – 8. März 2017– und Art. 5 Abs. 1 – drei Monate nach Verkündung) lediglich zwei Projekte verfolgt wurden. Dies steht im eklatanten Widerspruch zu den Darstellungen des Bundesverbandes Geothermie – siehe FR-Artikel.
Die Ausstrahlung der bestehenden Endlagerprojekte
Eine wichtige Einschätzung gab Herr König gegen Ende seines Beitrags ab:
Die bestehenden Endlagerprojekte haben direkten oder indirekten Einfluss auf die Standortauswahl. Wird dort Glaubwürdigkeit verspielt, strahlt dies auf die gesamte nukleare Entsorgung aus – auch auf die Standortauswahl.
Dazu seien beispielhaft Tatsachen aus Endlagerprojekten aus der nahen Vergangenheit geschildert.
Endlagerprojekt Morsleben
Morsleben: Das Radiumfass soll endgelagert werden, obwohl die Endlagerung in einem alten Gewinnungsbergwerk nicht Stand von Wissenschaft und Technik ist. Weiterhin wird vom BMUB und nicht von der zuständigen BGE entschieden, ob der Antrag auf Planfeststellung zurückgezogen wird – siehe Beitrag Morsleben: „……ist entschieden…“?.
Endlagerprojekt Konrad
Konrad: In drei Änderungsgenehmigungsverfahren wurde das Nuklidspektrum gegenüber der Planfeststellung – siehe Drucksache 18/13288 – erweitert, und zwar nicht durch die Genehmigungsbehörde, sondern die Endlagerüberwachung. Dies geschah in nichtöffentlichen Verfahren, obwohl der damalige Bundesumweltminister Gabriel am 21.05.2007 auf einer Pressekonferenz anderes in Aussicht gestellt hatte – siehe Beitrag Wie das Radionuklidspektrum über die Planfeststellung hinaus erweitert wurde.
Die Glaubwürdigkeit befindet sich unterhalb des Nullpunkts
Schon diese zwei Beispiele entwickeln eine Strahlkraft, die die gesamte Endlagersuche infrage stellt. Die Glaubwürdigkeit befindet sich zurzeit unterhalb des Nullpunkts.